Die Musik spielte im fernen Osten

Fujitsus M-1800-Mainframes bereit für den großen Showdown

14.09.1990

TOKIO (CW) - Bei Mainframes gibt es dieses Jahr kein Sommerloch: Die Comparex Informationssysteme GmbH kam HDS mit deren eigenen Hitachi-Systemen zuvor und legte als erste die Karten auf den Tisch, HDS folgte mit ihren EX-Systemen, NEC zog vier Wochen später mit dem Acos-Rechner nach. Fujitsu beansprucht mit dem Top-Modell seiner M-1800-Familie seit Anfang September die Krone des leistungsstärksten Großrechners, und die IBM machte klar, wohin sie ihre Anwender in den 90ern mit dem System/390 führen will.

Auf dem stagnierenden Mainframe-Markt haben sich die Schlachtreihen formiert, nur Amdahls Offerte an die Anwender für die nächste Dekade steht noch aus. Derweil streiten sich die Hersteller, welche ihre Hausaufgaben bereits gemacht haben, um die Krone des leistungsstärksten Mainframes am Markt.

Die Fujitsu Ltd. scheint beim Werben um Kunden, die ihre Kapazitäten ausbauen müssen, in einer guten Position. Ihre aus fünf Modellen bestehende neue Mainframe-Linie M-1800 ist völlig kompatibel zu Big Blues Mainframe-Betriebssystem MVS/ESA. Ein vor Jahren zwischen den beiden Unternehmen getroffenes Abkommen garantiert den Japanern Einsicht in IBMs diesbezügliche Entwicklungsarbeit. Die neue M-1800-Familie stellt eine verbesserte Version der M-780-Großrechner dar. Sie sind am unteren Leistungsende mit zwei und beim Top-Modell mit acht CPUs ausgestattet. Zum Vergleich: Big Blues High-end-Mainframe der System/390-Serie, der ES/9000 Modell 900, rechnet mit sechs Prozessoren und soll eine maximal 1,9fache Rechenleistung des bisherigen Spitzenmodells ES/3090-600J - somit etwa 230 MIPS - bringen. Bei der Präsentation der M-180-Rechner in Tokio machte Fujitsu zwar keine detaillierten Angaben zur Rechengeschwindigkeit, jedoch meinte der Konzern, man überträfe mit den Jumbos die Rechenleistung der Hitachi- und NEC-Konkurrenz um zehn Prozent.

Toru Minami, Geschäftsführer der Fujitsu Deutschland GmbH in München, versuchte, diesbezügliche Zweifel der CW auszuräumen. Allerdings nannte auch er keine MIPS-Zahlen. "Man kann keine Vergleiche auf Basis dieser Angaben machen. Aber unsere neuen Rechner sind die leistungsstärksten auf der Welt", äußerte Minami dennoch selbstbewußt. Er machte auch keine Aussagen zur Verfügbarkeit der Rechner außerhalb des von Fujitsu und NEC vor Big Blue angeführten Mainframe-Marktes von Japan. Ende April 1991 würde man im Land der aufgehenden Sonne ausliefern, die ausländischen Niederlassungen seien im Prozeß, die Markteinführung zu evaluieren.

Die Mainframe-Generation der nächsten Dekade

Wie die IBM will auch Fujitsu den Anwendern die Zukunft im Mainframe-Geschäft für die nächste Dekade aufzeigen: Die neuen M-1800-Rechner bieten einen ersten Ausblick auf ein Architektur-Konzept, das die Japaner "Mission/DC" nennen und hinter dessen Akronym sich "Multienvironment Information Systems Solution by Domain Concept" verbirgt.

Ziel von Mission/DC ist es, zukünftig die Effizienz von Systementwicklungen zu verbessern, die Verarbeitung riesiger Datenvolumen bei höchster Geschwindigkeit und praktisch unterbrechungsfreie Systemoperationen zu ermöglichen, darüber hinaus offene Systeme verschiedener Hersteller zu unterstützen und schließlich die erforderliche Zahl an Mitarbeitern für das DV-Management durch Systemoptimierungen zu reduzieren.

Mission/DC unterteilt entsprechend die Mainframe-Funktionen in vier Domänen: Beim "Dataprocessing"-Bereich werden die Applikationen von den Datenbanken getrennt. In diesem konzentriert man sich bei Fujitsu darauf, durch dedizierte Systeme und Datenbank-Assist-Funktionen die Rechenleistung zu erhöhen.

Der sogenannte "Applicationsprocessing"-Bereich dient der Unterstützung offener Systeme und verwaltet das Betriebssystem, Prozessoren und spezifische Job-Anforderungen. Nach Aussagen von Fujitsu soll dieses Funktionssegment sowohl die Leistung des einzelnen Prozessors als auch Operationen parallel arbeitender CPUs verbessern. Auch sollen die in diesem Arbeitsbereich anfallenden Dienste durch eine effizientere Datenspeicherung die Systemgesamtleistung erhöhen.

"Communicationprocessing" Aktivitäten sollen unter anderem kontinuierliche Rechenleistung für Online-Jobs garantieren. Hierbei kommt ebenfalls ein dedizierter Prozessor zum Einsatz.

Eine "Managementprocessing"-Einheit integriert schließlich die Überwachung und Kontrolle aller Bereiche oder, im Fujitsu-Sprachgebrauch, Domänen.

Die Mainframe-Familie von Fujitsu umfaßt mit den Modellen M-1800120, 30e 45, 65 und 85 Zweiprozessor- bis hin zu Achtprozessor-Rechner, wobei der neue Top-Rechner 85 die dreifache Rechenleistung des vorherigen Spitzenmodells M-780140 bereithalten soll. Auch bei Speicher- und Kanalkapazitäten gab es einen Schub: Verglichen mit den M-780-Großrechnern stees einen Schub: Verglichen mit den M-780-Großrechnern stehen dem Anwender nun mit i zwei GB Hauptspeicher, acht GB bei Speichersubsystemen und mit 256 Kanälen jeweils fast um das Vierfache verbesserte Optionen zur Verfügung. Bis zu 16 CPUs lassen sich in vier Clustern zusammenschließen.

Mikrochips, auf denen 15 000 Gatter aufgebracht sind, 64-Bit-RAM-Chips und Logikbausteine mit 3500 Gattern jeweils sind Ausdruck ausgefeilter Technologie, die Fujitsu für seine Großrechner entwickelt hat. Wie die System/390-Jumbos der IBM, nutzen auch die Japaner Glaserfaserverbindungen, um die Systemleistung zu optimieren.

Und wie Big Blue kann auch der Konkurrent aus Tokio mit Software-Erweiterungen und -verbesserungen für sein MVS/ ESA-kompatibles MSP-EX-Betriebssystem aufwerten: Zum einen handelt es sich um das, Hochgeschwindigkeits-Batchprocess-System "Excel Batch", mit dem die Parallelverarbeitung kontrolliert und abgewickelt wird. "GSM/MNGR" stellt eine integrierte Speichermanagement-Software dar, das zudem automatisierte Backup- und Datenrückgewinnungs-Funktionen enthält. Bei Fujitsu schätzt man, daß durch GSM/MNGR die Zeiten für diese Datensicherungs-Arbeiten um 65 Prozent reduziert werden können. "Ftops", als ebenfalls im Betriebssystem integriertes Kontroll-System, überwacht Cluster bis zu 16 Prozessoren und remote durchgeführte Operationen.

Die Fujitsu-Betriebssysteme MSP, MSP-EX, FSP, das UXP/M-Unix und AVM/EX können alle auf den M-1800-Mainframes eingesetzt werden. Vor allem die Ankündigung, UXP/M würde nun als erstes Unix-basiertes Großrechnersystem auf dem Release 4 basieren, dürfte hierbei von Interesse sein. Fujitsu gab bekannt, daß es die neue Unix-Version so modifiziere, daß es auf seiner gesamten Produktpalette vom PC über Workstations bis zu den Supercomputern laufen werde. Außerdem unterstütze man Fortran 77 EX und Cobol 85. Allerdings wurden keine Angaben gemacht, ob das neue UXP/M auch auf den jetzt präsentierten M-1800-Mainframes laufen würde.