Fujitsu und SNI schliessen mehrere Vertraege fuer Supercomputer ab Vektorrechner ersetzen heute die Multiprozessor-Systeme

01.12.1995

Von Uwe Harms*

STUTTGART - Japanische Supercomputer-Hersteller draengen mit Vektorrechnern in die Gefilde der Hersteller von RISC-Workstations und Parallelrechner. Nach den Erfolgen von NEC bei der Deutschen Gesellschaft fuer Luft- und Raumfahrt (DLR) und Volkswagen hat nun Fujitsu einen Vektorrechner an das Europaeischen Zentrum fuer die mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) in Reading verkauft.

Fujitsus "VPP300" tritt die Nachfolge einer "C90" und eines Parallelrechners vom "T3D" von Cray Research an. Damit endet wahrscheinlich eine lange Zusammenarbeit des ECMWF mit dem Supercomputer-Anbieter. Zunaechst soll im Fruehjahr 1996 ein VPP300 mit 16 Prozessoren (die maximale Groesse derzeit) installiert werden. Im Herbst soll der Rechner auf mehr als 40 Prozessoren aufgestockt werden - mit einer Spitzenleistung von fast 90 Gflops.

Jeder Prozessor der VPP300 besitzt einen eigenen lokalen Speicher von 512 MB oder 2 GB. Da sich das ECMWF fuer die 2-GB-Version entschieden hat, wird das System letztendlich 80 GB Arbeitsspeicher enthalten. Die Prozessoren sind ueber ein Crossbar gekoppelt.

Wie schon beim Vorgaengermodell "VPP500" hat Fujitsu mit dem VPP300 einen echten MIMD-Rechner (Multiple Instruction, Multiple Data) konstruiert, dessen Prozessoren Hoechstleistungsvektorrechner mit einem eigenen Speicher sind. Im Gegensatz hierzu werden bei den herkoemmlichen MIMD-Architekturen wie beispielsweise der Cray T3D, Convex' "Exemplar" und IBMs "SP 2" preiswerte, aber langsame RISC- Prozessoren eingesetzt.

Auch Siemens-Nixdorf (SNI) konnte in Deutschland einige Fujitsu- Systeme an den Mann bringen. So werden die Technische Hochschule Aachen, die Technische Hochschule Darmstadt und die Universitaet Karlsruhe noch in diesem Jahr jeweils ein VPP300-System erhalten. Glaubt man Geruechten aus der Supercomputer-Szene, dann wird Aachen Standort eines der deutschen Supercomputer-Zentren neben dem Zentrum fuer Hoechstleistungsrechner fuer Wissenschaft und Wirtschaft GmbH (HWW) in Stuttgart - dem Gemeinschaftsunternehmen von Debis Systemhaus, Land Baden-Wuerttemberg, Universitaet Stuttgart und Porsche. Der Wissenschaftsrat hatte im Juli dieses Jahres die Einrichtung von zwei bis vier derartigen Superrechner-Zentren in Deutschland vorgeschlagen.

Insgesamt haben Fujitsu und Siemens-Nixdorf vom VPP300 bis heute - ohne das System in Reading - 35 Systeme an 28 Kunden mit zusammen mehr als 130 Prozessoren verkauft. Tatsaechlich ausgeliefert ist aber bis heute noch kein einziges dieser Systeme, da die Produktion erst in diesen Tagen aufgenommen wird. In Japan hat sich ueberwiegend die Industrie fuer diese Rechner entschieden.

Neben den reinen Rechenzentrumskunden an Hochschulen will sich SNI jetzt den Forschungsabteilungen der deutschen Konzerne und kleineren Unternehmen widmen. Fuer viele DV-Abteilungen war ein Supercomputer bisher mit hohen Kosten sowie einer eigenen Strom- und Klima-Infrastruktur verbunden. Die neuen CMOS-Maschinen von Fujitsu sind aber erheblich pflegeleichter.

Obwohl sich die Leistung der Prozessoren des VPP300 auf 1,6 oder 2,2 Gflops - je nach Taktrate - gesteigert hat und Arbeitsspeicher mit einer Kapazitaet zwischen 512 MB und 2 GB verfuegbar ist, entspricht die VPP300 im Preis einem Cluster aus RISC- Workstations. Das kleinste System mit einem Prozessor soll etwas mehr als eine halbe Million Mark, das groessere knapp 700000 Mark kosten. Bis zu zwei Prozessoren finden in einem Schrank mit einer Stellflaeche von 0,6 Quadratmetern Platz. Eine besondere Kuehlvorrichtung ist nicht noetig, Temperaturen von bis zu 35 Grad Celsius vertraegt das System.

Die Entscheidungskriterien fuer einen Vektorrechner sind klar und einfach: Liegt ein gut vektorisiertes Programm vor, bei dem grosse Datenmengen zwischen dem Hauptspeicher und der CPU bewegt werden, hat ein Vektorrechner die Nase vorn. Viele industrierelevante Programme wurden in den vergangenen 15 Jahren fuer den Aufbau von Vektorrechnern optimiert.

Um diese Leistungsvorteile der Vektorrechner auszugleichen, haben die Hersteller von RISC-Maschinen schnelle, aber vergleichsweise kleine Cache-Speicher zwischengeschaltet. Wird nur mit dort niedergelegten Daten gerechnet, bieten diese Rechner sehr gute Leistungen. Greift das Programm dagegen permanent auf Daten im Hauptspeicher zu, muss der Cache-Speicher immer wieder neu gefuellt werden. Dann faellt die Leistung stark ab. Untersuchungen bei einfachen Operationen mit sehr langen Vektoren haben gezeigt, dass in diesen Faellen nur zwischen fuenf und 20 Prozent der Spitzenleistung von RISC-Prozessoren erreicht werden.

Neben der Vektoreinheit ist der VPP300 aber auch mit einem RISC- Skalarprozessor ausgestattet, der parallel zum Vektorchip arbeiten kann. Je nach Modell schafft er zwischen 200 und 260 Mflops skalare Spitzenleistung, die MIPS-Werte liegen zwischen 300 und 400. Dadurch hat sich das Verhaeltnis der Skalar- zur Vektorleistung erheblich verbessert, was die Gesamt-Performance des Systems erheblich beeinflusst. Damit laufen auch nicht parallelisierbare Programme auf dem Vektorrechner relativ schnell.

Die Modelle im einzelnen: VPP300/VX-Server

Prozessoren: VPP300: 1 - 4; VX-Server: 1 - 16

Spitzenleistungen (in G-flops): VPP300: 1,6 - 8,8; VX-Server: 1,6 - 35,2;

Speicherkapazitaet: VPP300: 512 MB/CPU oder 2 GB/CPU; VX-Server: 512 MB/CPU oder 2 GB/CPU

Speicherbandbreite /in GB/s: VPP300: 12,8 - 72,8; VX-Server: 12,8 - 291,2

*Uwe Harms ist freier Journalist in Muenchen.