Für wen rechnet sich SAP PLM?

09.12.2004
Von Von Stefan
SAP-Anwender stehen vor der Wahl, ob sie in Sachen Product-Lifecycle-Management auf das System der Walldorfer oder ein anderes Produkt setzen sollen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse hilft.

Derzeit steigen eine Reihe von großen Unternehmen auf SAP PLM um oder denken zumindest darüber nach. Ausgangspunkt ist meist eine heterogene IT-Systemlandschaft, bei der die Logistikseite mit SAP-Technik unterstützt wird, wohingegen in der Produktentwicklung mit Systemen zum Produktdaten- oder Product-Lifecycle-Management (PLM) anderer Hersteller wie Matrix One oder Agile/Eigner gearbeitet wird. Ausgelöst durch globale System- und Prozessharmonisierungen und die verbundenen Sparziele ist die Frage, ob diese PLM-Systeme nicht durch die "vorhandene" SAP-Software ersetzt werden könnten, aktueller denn je und heiß umstritten.

Befürworter eines Umstiegs argumentieren mit großen Kostenvorteilen durch eine homogene Systemlandschaft. Typische Kostentreiber von PLM-Lösungen sind regelmäßige Release-Upgrades, Schnittstellenpflege, Add-on-Lizenzen, System- und Datenbankadministration sowie Anwenderschulungen und -support. Diese Kosten lassen sich mit einer reinen SAP-Architektur wesentlich besser in den Griff bekommen. Andererseits kann sich der höhere Aufwand für eine heterogene Architektur durch eine größere Flexibilität und geringere Abhängigkeit von nur einem großen Softwareanbieter auszahlen.

Soll eine bestehende PLM-Lösung durch SAP PLM substituiert werden, bedeutet das in aller Regel eine große Ersatzinvestition, da Customizing und Integrationen des alten Systems nachzuziehen sind. Für die entsprechenden laufenden und einmaligen Kosten liegen aber meist Erfahrungswerte vor.

Viel schwieriger ist eine quantitative Abschätzung auf der Nutzenseite. Klassischerweise werden hier die PLM-Funktionen der in Frage kommenden Anwendungen sehr genau verglichen. Generell können die SAP-Funktionen heute unter vielen PLM-Aspekten wie Dokumentenverwaltung mit Microsoft-Office-Integration, Benachrichtigung und Workflow-Unterstützung sowie Viewing, Redlining oder Plotten als vollwertig gelten. Steht bei einem Unternehmen jedoch die Produktentwicklung mit hohen Anforderungen bezüglich Collaborative Engineering, CAD-Integrationen oder Software-Engineering im Vordergrund oder gehört die Fertigung nicht zum Kerngeschäft und wird extern vergeben, so ist SAP meist nur zweite Wahl.

Häufig vergessen wird aber, dass die Informationen aus den frühen Phasen der Produktentwicklung nicht zum Selbstzweck erfasst werden, sondern die Grundlage sind für die nachgelagerte logistische Kette etwa aus Einkauf, Produktion oder Service. Bei dieser Integration von PLM mit ERP hat SAP naturgemäß Vorteile. Die Erfahrung zeigt, dass zwar ein Großteil der Gesamtkosten eines Produkts in späten Phasen anfällt, diese aber bereits in den vorgelagerten Bereichen festgelegt werden. Kostenverursachende Informationsbrüche lassen sich durch eine bessere Verknüpfung von Entwicklungs- und Einkaufssicht, sprich von Material, Dokument (Zeichnungen, Spezifikationen etc.) und Bestellung sowie Änderungsauftrag vermeiden.

Auch in der Produktion fallen oft hohe Fehlleistungskosten aufgrund von ungenügend transparenten Änderungen an. Die effektive Verknüpfung von Entwicklungs- und Fertigungssicht ermöglicht es, in der Produktion mit weniger Änderungen auszukommen. Um davon zu profitieren, reicht es meist nicht aus, die Daten über Schnittstellen in regelmäßigen Abständen aus einem anderen PLM-System in die SAP-Welt einzuspielen. Entscheidend ist hier oft die online verfügbare Verknüpfung, um jederzeit auf die aktuellen Daten zugreifen zu können.

Besonders in großen Unternehmen bestehen jedoch komplexe SAP-Systemlandschaften mit mehreren Instanzen. Hier fragt es sich, ob die Verknüpfung von Entwicklungs- und Logistiksicht über mehrere SAP-Systeme hinweg nicht schon wieder den typischen Schnittstellenproblemen unterliegt wie fehlendem Online-Zugriff und mangelnder Aktualität, Doppelarbeit sowie hohem Aufwand für die Anpassung. Dann würde der Umstieg auf SAP PLM nicht viel bringen.

Quantifizierbare Kriterien

Immerhin bietet eine detaillierte Analyse der Integrationspotenziale den Vorteil, dass man für eine Kosten-Nutzen-Betrachtung zu quantifizierbaren Ergebnissen kommen kann. Beispielsweise lässt sich der Integrationsnutzen für die Beschaffung auf Basis der aktuellen Kosten für Fehlbestellungen ermitteln. Ihnen steht der Implementierungsaufwand gegenüber, der sich aus der systemtechnischen Verknüpfung von Bestellung und Dokument sowie der automatischen Aktualisierung beziehungsweise Benachrichtigung im Fall von Änderungen zusammensetzt.

Eine Analyse der Integrationspotenziale bringt auch Aufschluss über die Reihenfolge der Integrationsschritte - für welches System auch immer man sich am Ende entscheidet. (ue)