Mit Teilprojekten anfangen, ohne das Ganze aus dem Auge zu verlieren

Für SAP-User beginnt E-Business mit Infrastruktur

09.02.2001
MÜNCHEN - Quick and Dirty ist auch bei E-Business-Vorhaben passé - zumindest für die Referenten des "Euroforum"-Kongresses "Electronic Business mit SAP". Grundlage einer erfolgreichen E-Business-Strategie seien die Standardisierung der IT-Infrastruktur und, darauf aufbauend, die Umsetzung in Form von geschäftsprozessorientierten Teilprojekten. Von CW-Mitarbeiter Joachim Wendler

Für Egart Fleisch vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen steht außer Frage: Die anfängliche E-Business-Euphorie ist zwar vorbei, aber ungeachtet dessen wird sich der Trend zur globalen Net-Economy in Zukunft noch erheblich verstärken. "The hype goes, the net grows", gab er der Zuhörerschaft als Ausblick und fügte hinzu: "Wir stehen noch immer erst am Anfang eines radikalen Wandels."

Für so manches Unternehmen ist dies aber kein Zukunftsszenario mehr. Vielmehr sind für diese Firmen der Aufbau elektronischer Geschäftsstrukturen und das damit verbundene Optimierungspotenzial bereits zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden.

Die zahlreichen Anwenderbeispiele zeigten jedoch, dass es ein Patentrezept für den Einstieg ins E-Business offenbar nicht gibt. Vielmehr muss jedes Unternehmen in enger Anlehnung an die realen Geschäftsprozesse seine eigene Strategie entwickeln. Das setzt die Bereitschaft voraus, tradierte Prozesse und Organisationsstrukturen zu überdenken und, wenn erforderlich, neu zu gestalten. Dies kann beispielsweise bedeuten, hierarchische Arbeitsformen aufzulösen und durch vernetzte dezentrale Organisationsstrukturen zu ersetzen. Auch die Auslagerung einzelner Geschäftsfelder an Unternehmen, die diese Aufgaben effizienter ausführen, könnte ein Ergebnis derartiger Überlegungen sein. "Alle E-Business-Aktivitäten müssen in die Geschäftsprozesse integriert werden. Anderenfalls machen wir einen großen Fehler", betonte Lothar Dietrich, Konzern-CIO der Babcock Borsig AG, Oberhausen, und identifizierte dieses Versäumnis als einen wesentlichen Grund dafür, dass viele E-Business-Vorhaben nur sehr zaghaft voran kommen oder gar scheitern.

Den entscheidenden Hemmschuh für die Umsetzung von E-Business-Konzepten sahen die SAP-Anwender jedoch in der inhomogenen IT-Infrastruktur. Als Grundvoraussetzung für die Integration von E-Business steht deshalb die einheitliche Definition unternehmensweiter IT- und Security-Standards ganz oben auf ihrer Agenda. Zuallererst gelte es, in der IT-Landschaft "aufzuräumen", sprich: Software, Hardware und Betriebssysteme zu vereinheitlichen. Dabei sind Stabilität, Skalierbarkeit und zuverlässige Abbildung der Geschäftsprozesse bei der Auswahl der Komponenten entscheidend. "Von welchem Hersteller die Softwarelösungen sind, spielt keine Rolle", so Michael Kopp, Leiter Prozess Management Bautechnik bei der Fischerwerke GmbH & Co. KG, Waldachtal. "Hauptsache, das System ist kompatibel, und es entstehen bei Umstellungen keine wesentlichen Folgekosten für das Unternehmen."

Die IT-Feinjustierung erstreckt sich vielfach bis hin zu einheitlichen Software-Releases: So hat die Babcock Borsig AG beispielsweise SAP R/3 4.6 als weltweiten Konzernstandard für ihre 50 Unternehmen eingeführt und den "Wildwuchs an Servern" durch ein zentrales Rechenzentrum ersetzt. "Dies bringt mehr Stabilität, senkt die Kosten und sorgt dafür, dass die Prozesse durchgängig werden", begründet Dietrich die Maßnahme.

Stabile Basissysteme als VoraussetzungDabei spiele auch die Verfügbarkeit der IT eine entscheidende Rolle. Liege die Gesamtverfügbarkeit der IT in einem Unternehmen beispielsweise bei 95 Prozent, so bedeute dies immerhin einen Ausfall von 17 Tagen pro Jahr. "Darauf kann man keine E-Business-Plattform aufbauen. Denn wenn es nicht funktioniert, laufen uns die Kunden davon." Dietrichs Fazit lautet deshalb: "Stabile E-Business-Systeme benötigen stabile Basissysteme und Prozesse."

In die gleiche Richtung zielten die Ausführungen von Klaus-Peter Kühn, Leiter Informationssysteme bei der Röhm GmbH, Darmstadt. Der Hersteller chemischer Produkte hat inzwischen ebenfalls seine weltweit 50 Standorte einheitlich auf das R/3-Release 4.6 umgestellt. Für Kühn ist die homogene IT-Infrastruktur des Konzerns die wesentlichste Voraussetzung dafür, um komplexe Vorgänge zuverlässig abzubilden. "Die wichtigste Achse war für uns die konzernweite Supply-Chain-Management-Integration. Mit heterogenen Systemen wäre ein Projekt auf dieser Integrationsstufe gar nicht möglich", erklärte er und fügte hinzu: "Wir setzen auf die Integrationsentwicklung der SAP. Ob nun alle Produkte der SAP immer die besten sind, ist für uns zweitrangig." Entscheidend seien saubere Strukturen und eine homogene Technik.

Nicht selten müssen verantwortliche Projektleiter bei der Umsetzung der E-Business-Strategien einen Spagat vollziehen: Einerseits sollen sie für stabile Systeme im Backend sorgen, auf der anderen Seite sind sie - häufig aus Zeit- und Geldmangel oder aus Gründen der frühen Marktpräsenz - gefordert, ihr Projekt möglichst schnell umzusetzen. Viele Unternehmen haben mittlerweile jedoch erkannt, dass es - auch im Bereich E-Business - zu wenig befriedigenden Ergebnissen führt, Projekte "quick and dirty" durchzuziehen oder komplette Fertiglösungen über bestehende Strukturen zu stülpen.

Den Berichten der Anwender zufoge hat sich bei der Umsetzung von E-Business-Strategien folgende Vorgehensweise bewährt: Auf der Grundlage standardisierter Systeme und klar definierter Ziele sollte in kleinen, überschaubaren Projektschritten vorangegangen werden, so die einhellige Meinung. "Erfolgreiche E-Business-Lösungen wachsen über funktionierende Einheiten", brachte es der St. Gallener Hochschullehrer Fleisch auf den Punkt. Das Motto laute: "Think global, act pilot".

Die Vorteile des schrittweisen Vorgehens liegen auf der Hand: So lassen sich die realen Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer beziehungsweise der speziellen Zielgruppe genauer analysieren und, darauf aufbauend, individuell konfigurierte Lösungen entwickeln. Dies fördert auch die Akzeptanz und baut Berührungsängste innerhalb der Nutzergruppe ab. Zudem lassen sich dadurch schneller Teilerfolge realisieren sowie die Fortschritte des Gesamtprojektes exakt dokumentieren.

Ein Beispiel dafür gab die Audi AG, Ingolstadt. Sie wählte für ihren Einstieg ins E-Business die Optimierung des internen Dienstleitungs-Managements. So galt es zunächst, die etwa 650 internen Dienstleistungen des Konzerns über den Aufbau eines Portals für die Mitarbeiter effizienter und damit kostengünstiger abzuwickeln. Am Anfang stand ein strategieorientierter Ansatz, vor dessen Hintergrund die jeweiligen Einzelsysteme, beispielsweise das Fahrzeugpool-Management, erfasst, analysiert und in die Systeminfrastruktur integriert wurden.

Bei der Einbindung des Fuhrparks Ingolstadt ist exemplarisch der Erfolg nachzuweisen: Durch die Verkürzung und Durchgängigkeit der Prozesskette ließ sich die Zeit, die für die Bereitstellung eines Mietfahrzeuges angesetzt werden muss, von bisher 24 bis 36 Stunden auf nunmehr sechs Minuten reduzieren. Dies hatte eine Kapazitätsentlastung um mehr als 40 Prozent zur Folge. "Wir wollen nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt in diese Welt gehen", so Werner Klein, Leiter Dienstleistungs-Management bei Audi. Die Erfahrungen aus diesem Teilprojekt sollen aber später in die Entwicklung eines externen Marktplatzes einfließen.