Für qualitative DV nicht qualifiziert

08.09.1989

Die Gefahr besteht, daß bei der Diskussion über den Arbeitsmarkt DV vom eigentlichen Problem abgelenkt wird. Mit IBM- und SAP-System-Know-how, das weiß auch der Kolumnist, kann einem gestandenen DV-Spezialisten (noch) nicht viel passieren. CW-Leser Paul Maisberger (siehe Meinungen, Seite 6) warnt vor einer Nicht-IBM-Ausrichtung der Ausbildung (Maisberger: "Nischenqualifikation ") und zitiert aus einer Studie der Bundesanstalt für Arbeit:"Alle... Argumente lassen einen Einbruch der Beschäftigung für Datenverarbeiter als wenig plausibel erscheinen." Wie wahr. Doch der Autor der Studie, Werner Dostal, hätte ja auch sagen können: Die Arbeitsmarktlage ist für Informatiker und DV-Spezialisten auch mittel- und langfristig sehr günstig. " So einfach hat es sich Dostal nicht gemacht.

Mit dieser Differenzierung (Die IBM-Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen) ist uns nicht geholfen. Wir sehen im Gegenteil in der Verquickung von Hersteller-Abhängigkeit und vermeintlicher Job-Garantie das Dilemma, in dem viele DV-Spezialisten heute stecken. Was zu beweisen wäre.

Welche Fakten sind es, die Irritationen auslösen? Zunächst muß aus Herstellersicht festgestellt werden, daß sich Computer nicht mehr von alleine verkaufen - auch Hans-Olaf Henkel wird dem nicht widersprechen wollen. Daß dies Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in der DV-Industrie selbst hat - und die ist, Ausnahme IBM, miserabel, wie ein Blick in den Nachrichten- und Wirtschaftsteil der CW zeigt -, liefert nur vordergründig die Erklärung für unser Problem.

Die Entwicklung der DV in großen Unternehmen bietet gutes Anschauungsmaterial. Das vorläufige Endstadium, Mainframe-orientierte Pseudo-Arbeitsplatz-DV, die kaum noch beherrschbar ist, als Notstand zu bezeichnen, wäre zu mild geurteilt. Daß dies nicht in Vergessenheit gerät: Als die IBM-Lochkarten laufen lernten, entstand eine Vielzahl neuer DV-Berufe. Nun hat sich zwar die 80-Stellen-Organisation bis an die Bildschirm-Oberfläche durchgefressen, doch das Job-Creation-Prinzip funktioniert nicht mehr.

Nehmen wir den Fall Kodak: Schwer vorstellbar, daß es für die IBM eine innere Freude ist, die DV-Spezialisten des Filmgiganten auf ihre Payroll nehmen zu dürfen, dokumentiert die RZ-Übernahme doch nur die Unfähigkeit der Kodak-Datenverarbeiter, mit den IS-Problemen im Unternehmen fertig zu werden. Das Beispiel könnte Schule machen, mit Konsequenzen für den DV-Arbeitsmarkt, die noch nicht absehbar sind. Wird die IBM alle aufnehmen? Eine dumme Frage, eine gute Frage.

Denn auch die Top-Manager in Anwender-Untemehmen beginnen Fragen zu stellen: Wofür können die neuen Informations- und Kommunikationstechniken sinnvoll eingesetzt werden? Welche Anpassungen in der Ablaufstruktur der Anwendungen und in der DV-Organisation müssen vorgenommen werden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen? Welche neuen Anwendungen sollen mit Hilfe der IS-Technik erschlossen werden?

Nun erscheint es geboten, über die Rolle der DV-Spezialisten nachzudenken. Überzeugende Antworten sind diese vielfach schuldig geblieben. Die Jobkrise ist da. Nur eingefleischte IBMer werden behaupten, es würden noch mehr Mainframe-Spezialisten gebraucht. Indes, IDV-Manager, Integrationsexperten, Kommunikationsplaner und Informationsdesigner: Wo laufen sie denn?