Für den Verkaufsdialog dezentrale Prozeßrechner

30.04.1976

Mit Dipl.-Kfm. Peter Schöppke, Prokurist und Org.-Leiter der Firma Schneider-Opel, Berlin, sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

- Die Firma Schneider-Opel machte Ende 1974 eine Ausschreibung

für ein dezentrales Abrechnungssystem, das die Zentrale in Berlin und fünf Niederlassungen im Bundesgebiet miteinander verbinden sollte. Ziel war, vor Ort den Verkaufsdialog mit Subsystemen abzuwickeln und dennoch eine zentrale Führung aller Filialen und die Buchhaltung für die Gesamt-Firmengruppe zu ermöglichen. Im Frühjahr 1975 entschieden Sie sich, für

dieses kommerzielle Netz Prozeßrechner einzusetzen. Seither ist ein Jahr vergangen, und man kann über Erfahrungen berichten. Bereuen, Sie Ihren zumindest ungewöhnlichen Schritt?

Keineswegs. Warum sollten Prozeßrechner für kommerzielle Anwendungen ungeeignet sein? Wir meinen, daß der Ablauf ein kommerziellen Betrieb in etwa vergleichbar ist mit Abläufen

der Prozeßsteuerung. Wir werden permanent mit Ereignissen, nämlich mit(???) fragen unserer Kunden, konfrontiert, und auch wir müssen möglichst schnell reagieren.

- Warum wollten Sie die Organisation umstellen? Sie hatten ja schon zuvor drei Jahre ein drei Großrechner-System in der Zentrale installiert?

Das wichtigste Ziel war, unsere Kunden noch, schneller bedienen zu können. Zu dem war uns die Abrechnung des gesamten Warenverkehrs zu schwerfällig. Im Verkauf wurde die Ware per Lieferschein ausgeliefert

und die Abrechnung erst im nächsten Schritt vollzogen. Unser Ziel war die Vorfakturierung, das heißt die sofortige Rechnungsschreibung bei Warenausgang. Dazu benötigen wir intelligente Subsysteme. - War der Zinsgewinn bei schnellerer Rechnungsschreibung der alleinige Grund, ein solches System dezentraler Intelligenz zu realisieren?

Grundlage war die Forderung nach einer tagfertigen Abrechnung.

Die Auslegung des Systems als Netz mit Subsystemen ergab sich aus der

Ausschreibung, die zeigte, daß mehrere Subsysteme billiger sind als ein

zentrales TP-Online-Abrechnungssystem.

-Welche Firmen beteiligen sich an Ihrer Ausschreibung?

Der Kreis der Bewerber war sehr groß, denn wir haben neben den bekannten großen Herstellern von Anlagen für kommerzielle Anwendungen auch Hersteller von Prozeßrechnern angesprochen.

-Können Sie etwas über die Bandbreite sagen, innerhalb derer Angebote abgegeben wurden?

Die Spannbreite war enorm. Die teuersten Angebote lagen bei knapp unter 4 Millionen Mark. Den Zuschlag erhielt die Firma ERA General Automation, die uns ein Angebot inklusive Software von 2,6 Millionen Mark machten. Dafür erhielten wir fünf Prozeßrechner-Subsysteme und ein komplettes Software-Paket.

-Sie haben also auf einer schlüsselfertigen Lösung bestanden?

Unsere eigentliche Aufgabe sehen wir als Großhändler im Einkauf und Verkauf von Fernsehgeräten und nicht in der Realisierung komplizierter EDV-Systeme. Deshalb lag es nahe, einen Gesamtauftrag für Hard- und Software zu- vergeben. Hierbei wurde, ERA-General Automation von dem Hamburger Softwarehaus GMO unterstützt, da die GMO bereits in früheren Jahren an der Entwicklung unserer zentralen Systeme beteiligt war,

-Sie sagten, Sicherheit stand bei Ihnen stark in Vordergrund. War das mit einer der Gründe, sich für Prozeßrechner als Subsysteme zu entscheiden?

Unser Sicherheitsbedürfnis konnte bei einem zentralen Abrechnungssystem nur durch ein Duplex-System erfüllt werden. Die Kosten hierfür waren uns zu hoch. Einen zweiten Aspekt der Sicherheit gibt es bei den autonomen Subsystemen, deren Ausfallrisiko wir durch Doppelspeicherung, Austauschbarkeit von Konsol- und Arbeits-Display sowie doppelter Auslegung von Rechnungsdrucken erfüllten.

-Es werden also bei Ihnen alle Bestände grundsätzlich dreimal geführt.

Die Doppelspeicherung in der Filiale soll uns vor einer Unterbrechung des Verkaufsdialogs, durch Hardware-Schwierigkeiten schützen. Die dritte Führung, des Bestandes in der Zentrale benötigen wir für die weiteren buchhalterischen Auswertungen und für Management-Informationen. Der weiteren haben wir immer noch die Möglichkeit, die Bestände von der Zentrale aus in den einzelnen Niederlassungen neu aufzubauen.

-Welche Kommunikation findet zwischen den Subsystemen und der Zentrale im Regelfall statt und welche begann 1957 mit EDV außer Haus. 1968 wurde eine IBM 1130 installiert, die 1972 von einem plattenorientierten Philips-System P1175 mit 192 KB abgelöst wurde. Die gekaufte Anlage soll nun einer ebenfalls gekauften' Siemens 4004/220 (192 KB, später 256 KB) weichen.

Seit 1975 wurden insgesamt sechs Era General Automation-Prozeßrechner SPC 16/65 mit 128 KB bis 192 KB installiert, die in Berlin und den fünf westdeutschen Niederlassungen für den "Verkaufsdialog" eingesetzt werden - jeweils ausgestattet mit 4 bis 20 Hazeltine-Displays, je 2 Tally-Rechnungsdruckern und mit je 2 Era-GA-Plattenlaufwerken (jeweils eine Wechsel und eine Festplatte mit zusammen 20 Mio. Bytes). Die Verbindung zur Zentrale erfolgt per 2.400 Baud über Wählleitungen.

Die Software für das, schlüsselfertige System kommerzieller Anwendungen auf Prozeßrechner-Basis schrieb, die GMO, Gesellschaft für moderne Organisationsverfahren, Hamburg.

Hardware-Ausrüstung steht dafür zur Verfügung?

Die Subsysteme sind über Wählleitungen mit der Zentrale verbunden. Wir verwenden Post-Modems für eine Übertragungsgeschwindigkeit von 2400 Baud. In der Zentrale dient uns der für den Berliner Verkaufsdialog zuständige Prozeßrechner auch als Empfangsstation für die im ASCII-Code übertragenen Daten aus den Niederlassungen, die von diesem Rechner im EBCDIC-Code für das Großsystem auf Magnetband ausgegeben werden.

-Wann wird was übertragen?

Wir empfangen die Daten der, Filialen jeweils abends zwischen 17.00 und 18.00 Uhr und übermitteln die in der Zentrale nachts verarbeiteten Daten früh zwischen 7.00 und 8.00 Uhr.

-Reicht diese Stunde für die externen Systeme?

Durchaus, da wir zwischen den Systemen nur Daten austauschen, die zu Verarbeitungen führen. Diese Daten werden in den Subsystemen in sogenannten Schnittstellen-Daten gesammelt, die wir pro System in fünf bis zehn Minuten übertragen. Das in Berlin installierte Zentralsystem verwaltet weiterhin alle Geschäftsvorgänge. Alle Vorgänge in den Niederlassungen, die Bewegungen auslösen, müssen deshalb nach Berlin übermittelt werden. Andererseits entstehen aus der Verarbeitung in der Zentrale Daten, die für die Weiterverarbeitung in den Niederlassungen benötigt werden. Für alle zu übermittelnden Daten sind Schnittstellen notwendig, die wir in Schnittstellen-Input und -Output Dateien sammeln.

-Sie haben ein schlüsselfertiges System bestellt, das aber doch in das bestehende zentrale System integriert werden mußte. Und dazu war wohl auch Eigenunterstützung der Firma Schneider-Opel nötig. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Auftragsvergabe schlüsselfertiger Systeme gemacht?

Die Spezifikationen, die wir zur Realisierung hard- und softwaremäßig, insbesondere softwaremäßig, ergtellten zielten - so wurde uns seinerzeit berichtet -auf ein sehr komfortables System. Wir wollten durch die Umstellung des Verkaufsdialogs auf Bildschirme den üblichen Arbeitsablauf nicht umgestalten oder einschränken. Insoweit waren unsere Anforderungen wohl sehr hoch. Nach ausreichender Erfahrung können wir jetzt sagen, daß die schlüsselfertige Auftragsvergabe der einzig richtige Weg war. Unsere eigene Unterstützung beschränkte sich darauf, den Firmen ERO und GMO unseren Anforderungskatalog zu erläutern und die Realisierung zu kontrollieren.

Dipl,-Kfm. Peter Schöppke (38)

arbeitet seit 1958 im Berliner Großhandelshaus für Geräte der Fernseh- und Elektro-Industrie Schneider-Opel - mit Unterbrechungen während des Betriebswirtschaftslehre-Studiums an der Freien Universität Berlin. Heute Prokurist, ist er als Org.-Leiter auch für die EDV-Abteilung zuständig, zudem für zahlreiche kaufmännische und Verwaltungsarbeiten in den zu den führenden deutschen Großhandelsfirmen der Rundfunk-, Fernseh- und Elektro-Geräte-Branche zählenden Berliner Familienunternehmen.

Schneider-Opel-EDV

Neben dem Schneider-Opel-Firmensitz in Berlin gibt es fünf Niederlassungen bei Frankfurt, Siegen, Düsseldorf, Kassel und in Braunschweig, die als Profit-Center geführt selbständig Einkauf und Verkauf erledigen.

Die EDV-Geschichte der Firma