IT in der Touristik/Reisekosten reduzieren, doch den -standard erhalten

Für das Unternehmen externe DV- und Buchungsservices nutzen

09.05.1997

Zum einen sollen heute bei vielgebuchten Unternehmen die direkten Kosten für Übernachtung und Beförderung, zum Beispiel für Flugtickets, reduziert, zum anderen die Steuerungsmechanismen durch Controlling von Reiseströmen und Verbesserung von -richtlinien verbessert werden, und zwar im Sinne eines "ganzheitlichen Business-Travel-Managements".

Während noch vor einigen Jahren lediglich Tickets per DV ausgestellt wurden, übernehmen die neuen Systeme jetzt auch Aufgaben wie die Konsolidierung von Reisedaten, den Abgleich von Buchungen mit unternehmensinternen Reiserichtlinien und die Auswertung von Reiseströmen. Unternehmen mit mittlerem bis hohem Reiseaufkommen eröffnen sich somit technische Möglichkeiten, die sie selbst kaum bewältigen können. Damit wird der konventionelle Reisebüro-Mitarbeiter zum prozeßübergreifenden Travel-Manager.

Die Fichtner GmbH & Co KG ist weltweit tätig. Allein der schwäbische Firmensitz erwirtschaftet ein jährliches Reisevolumen von rund fünf Millionen Mark. Um diese Ausgaben zu managen, hat sich Fichtner für eine Zusammenarbeit mit der Reisebürokette Kuoni entschieden, da sich durch deren Softwaremodule die Reisekosten gezielt kontrollieren lassen. "Die wichtigste Voraussetzung dafür ist Verfügbarkeit und Transparenz bei allen anfallenden Daten", erklärt Reinhard Witschel, Leiter Einkauf bei Fichtner. Aussagekräftige Daten sind vor allem unter zwei Aspekten von Bedeutung:

-Sie schaffen eine zuverlässige Verhandlungsbasis für den unternehmensspezifischen Abschluß mit Leistungsträgern, zum Beispiel Fluggesellschaften und Hotelketten.

-Sie konstituieren ein internes Kontrollsystem zur Überwachung der vorgegebenen Reiserichtlinien.

Die Stuttgarter Mitarbeiter buchen ihre Reisen in einer Kuoni-Niederlassung, die sich direkt in den Räumen von Fichtner befindet. Erfaßte Reisedaten werden dann über die Kuoni-DV in Friedrichshafen ausgewertet. Dabei kommen für Datenerfassung und -auswertung ineinandergreifende Softwaremodule zum Einsatz, die Kuoni seinen Kunden zur Verfügung stellt.

Die gebuchten Reisen werden mit den Abrechnungsdaten der Firmenkreditkarte über das Programm "Kaviar" abgeglichen. Damit entfällt das zeitintensive manuelle Überprüfen von Belegen. Und die Kaviar-Datei ist direkt in das Buchhaltungssystem des Kunden integrierbar. Da Kuoni bei jeder Buchung die Kontierungsdaten des Reisenden (zum Beispiel Kostenstelle, Projektnummer) erfaßt, kann die Buchhaltung die Auswertung automatisch auf die entsprechenden Kostenstellen verbuchen.

Kuoni arbeitet mit dem in Deutschland marktführenden Reservierungssystem Start/Amadeus, das aber mit einer unternehmensspezifischen Maske im Kuoni-eigenen "Kobra"-System versehen wurde. Dadurch läßt sich bereits bei der Buchung automatisch eine Qualitätskontrolle vornehmen. So prüft die DV zum Beispiel, ob die von der Unternehmensleitung vorgegebene Airline gebucht wurde und ob sich der Reisende für die vorgegebene Tarifklasse entschieden hat. Bei allen Buchungseingaben, die sich nicht mit den unternehmensspezifischen Reiserichtlinien decken, gibt das System eine Warnmeldung mit Hinweis auf Fehlerquelle aus.

Da bei jeder Buchung bestimmte Felder auszufüllen sind, bietet Kobra eine dauerhafte Rekonstruierbarkeit der Buchung. So wird zum Beispiel auch festgehalten, warum ein Sondertarif - etwa aus Gründen der Flexibilität - abgelehnt wurde. Gleichzeitig erfaßt die DV die Einsparungen bei gezielter Buchung. Kobra ist damit auch ein Instrument zur Steuerung und Qualitätskontrolle von Reisebuchungen sowie für Kuoni selbst ein DV-gestütztes Ablage- und Wiedervorlagesystem.

Die aus Kobra und Kaviar gewonnenen Daten fließen in den zentralen Kuoni-Datensatz KIR. Er ist die Grundlage für diverse Auswertungen und Reports, die sich mit sämtlichen gängigen Office-Programmen wie MS-Access, MS-Excel oder Lotus Notes erstellen lassen. Der umfassende KIR-Datensatz erlaubt sehr detaillierte Reports: Reisekosten sind bis zum einzelnen Mitarbeiter, zur einzelnen Reise projekt- oder kostenstellenbezogen auswertbar.

Seit zwei Jahren niedrigere Reisekosten

Diese Analysen und Reports zeigen Einsparpotentiale im Unternehmen deutlich auf. Sie sind zudem Grundlage für Einkaufsverhandlungen mit Leistungsträgern. Dafür sind sie aber grafisch aufzubereiten. Dies geschieht mit "Powerplay", das allerdings den unternehmenseigenen Bedürfnissen angepaßt ist. Dazu wurde das Modul KPM entwickelt, das Powerplay nun zu einem Steuerungsinstrument macht, mit dessen Hilfe sich Daten mehrdimensional aufbereiten lassen. Mit KPM werden zum Beispiel die wichtigsten Reiseströme, die Verteilung der Reiseaufkommen pro Leistungsträger und vieles mehr visualisierbar.

Seit knapp zwei Jahren nutzt die Fichtner GmbH & Co KG bereits die DV von Kuoni. Witschel: "Die Überprüfung aller Belege hat den Bearbeitungsaufwand in der Buchhaltung deutlich reduziert. Ein Beispiel: Statt wie bisher in etwa zweieinhalb Tagen pro Monat werden die Flugbelege bei uns in nur noch einem halben Tag gecheckt."

Nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter

Anbieterunternehmen räumen zudem bei Servicepaketen (Übernachtung, Flugticket, Mietwagen) oft lukrative Rabatte ein: "Wir erhalten die entscheidenden Daten, die wir für die Vereinbarungen mit Fluggesellschaften und Hotels benötigen, sehr detailliert."

Als weltweit tätiges Unternehmen setzt Fichtner in erster Linie auf das Potential der eigenen Mitarbeiter. Einsparungen sollen daher weder ihre Leistungsfähigkeit noch Motivation berühren. Witschel: "Wir konnten aber durch die Kostenreduktion die bisherigen Reisestandards erhalten, insbesondere durch Nutzung aller nur möglichen Rabatte und Vergünstigungen der Leistungsträger.

Angeklickt

Mehr Verhandlungsspielraum als viele Unternehmen zu haben glauben, bieten Softwareprogramme, die zum einen den "Papierkrieg" der buchenden Unternehmen vereinfachen, zum anderen Datentransparenz schaffen. Vor allem dann, wenn es darum geht, aus Veranstaltungs- und Anbieterunternehmen der Reisebranche Rabatte und überhaupt günstige Konditionen "rauszuholen".

*Jörg Eschenrieder ist freier Journalist in München.