Mittelstand und Hochschulen bemängeln fehlendes Spezialisten-Know-how:

Für CIM ist mehr als DV-Grundwissen notwendig

04.04.1986

KÖLN (lo) - "Ein träger Haufen", so die harten Worte von ClM-Experten, "sind Hochschul- sowie Kultusverwaltung" . Die Kölner IHK sowie Anwender aus der mittelständischen Industrie beklagten auf einem Techno-Meeting gleichermaßen den mittlerweile dramatischen Mangel an fachlich qualifizierten Ingenieuren und Informatikern hierzulande. Doch um Lehrpläne entscheidend zu ändern, dauere es bei der derzeit ausgeübten Praxis wohl mindestens eine Professorengeneration, wenn nicht sogar zwei, plauderten Dozenten aus der Schule.

Wenn CIM auch gerade Furore bei Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung im Maschinenbau mache, sei es dennoch keine Modeerscheinung, erklärte Dr. Jürgen Schulte-Hillen, Inhaber der Kölner Scientific Consulting, auf einem Symposium zwischen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln und der rheinisch-westfälischen Technischen Hochschule (TH) Aachen. Die Forderung nach einem Konzept, das verschiedene Computersysteme verbindet, sei vielmehr hochaktuell. Denn auf den Sektoren Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung und -steuerung sowie Informationsnetzwerke spielten sich höchstwahrscheinlich die Kostensenkungen und Produktivitätssteigerung der 90er Jahre ab.

Er sprach damit an, was Experten aus Hochschule und Wirtschaft kurz zuvor auf einem Treffen des Fachverbandes Informations- und Kommuniktionstechnik im ZVEI in Frankfurt zu eben diesem Thema äußerten: Tote Zeiten in der Fertigung von über 80 Prozent bei einem herkömmlichen Arbeitsablauf sollten neue Arbeitsorganisationsformen nur als allzu natürlich erscheinen lassen.

Das CIM-Konzept verbindet die Unternehmenssektoren Verwaltung, Entwicklung und Fertigung wie ein "Nervensystem", das sich als Informationsplus bemerkbar mache, beschrieb Schulte-Hillen.

Keine Frage des Geldes

Als klassische Ziele der ClM-Innovation nannte auf diesem Treffen Professor Walter Eversheim, geschäftsführender Direktor des Laboratoriums für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WLZ) der TH in Aachen

- Kostensenkung,

- kürzere Durchlaufzeiten,

- höhere Qualitätssicherung und

- umfassenden Datenaustausch.

Derzeit koppelten bereits Netzwerke - Schätzungen gehen von etwa 2500 Betrieben der Maschinenbaubranche aus - Rechnerleistungen des

- CAE (Computer Aided Engineering),

- CAD (Computer Aided Design),

- CAM (Computer Aided Manufacturing) sowie

- CAP (Computer Aided Planning) und weiterhin

- CAQ (Computer Aided Quality Assurance).

Die Experten der Kölner Tagung warnten davor, Systeme zu implementieren, die sich in ihren Funktionen gegenseitig ausschlössen. Detaillierte Analysearbeit, um separate Computersysteme kompatibel zu machen, sei zu leisten, wies Schulte-Hillen die Richtung, denn mit der Entwicklung von Software allein sei es nicht getan.

Wenn es um Konzepte der integrierten Informationsverarbeitung gehe, sei Beratung besonders für kleinere Unternehmen vonnöten. So gelte es am Anfang einer langfristigen CIM-Investition, bereits eine Technik einzukalkulieren, die derzeit noch nicht verfügbar sei, so daß eine geschlossene Gesamtkalkulation noch verfrüht wäre. Dabei müsse weiterhin zu Beginn die Frage stehen, ob das Unternehmen auch die nötigen Fachkräfte rekrutieren könne, um nach einer geschätzten Implementationsphase von bis zu vier Jahren dann auch mit rechnerunterstützter Fertigung beginnen zu können.

Denn als springender Punkt, lautet das Kölner Unisono, gilt bislang die Qualifizierung von akademischem Nachwuchs und Mitarbeitern. Gleich Null, so der Kölner Berater, sei nämlich derzeit das Angebot an Fachkräften, die anspruchsvolle moderne Konzepte der integrierten Informationsverarbeitung für das produzierende Gewerbe auszuarbeiten verständen: "Es ist dabei keine Frage des Geldes".

Hohe Akademikerarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel schließen sich dabei für Scientific-Consulter Schulte-Hillen nicht aus, fehle es doch noch häufig an der Bereitschaft, sich in der EDV ausbilden zu lassen.

Allgemeine Technik-Schelte sowie praxisferne Forschung und Lehre an den Universitäten in den vergangenen Jahrzehnten hätten nämlich ein Klima der Verunsicherung geschaffen. Dessen Folge sei weniger die Unlust der jungen Ingenieure, sich in neuer Technik zu engagieren. Vielmehr bestehe ein Informationsdefizit über aktuelle Berufsanforderungen, aber auch über die Attraktivität der Ausbildung.

Wie der Aachener WLZ-Prinzipal Eversheim erläuterte, baut er seinen angehenden Ingenieuren eine Brücke: Er bietet Zusatzveranstaltungen an, um so Integrations-Know-how weitergeben zu können. Diese Veranstaltungen, betont Eversheim, seien allerdings optional. Der einzelne Student müsse schon zugreifen. In Aachen ist indes die Lage mittlerweile ebenfalls eine absurde: Werden doch dort für hochqualifizierte Spezialisten Assistentenstellen am WLZ vakant bleiben, da eben "die Leute fehlen".