Warum sich Lufthansa Cargo AG an einen exklusiven IT-Partner gebunden hat

Fünf Faktoren für effektivere Projekte

22.02.2002
Für den Erfolg eines IT-Projekts gibt es nicht den entscheidenden Faktor schlechthin. Lufthansa Cargo AG hat insgesamt fünf Bestandteile einer schlagkräftigen und kostengünstigen IT-Unterstützung definiert: austarierte Verantwortung, konsequente Standardisierung, überschaubare Dauer und Größe, strategische Auswahl sowie eine langfristige IT-Partnerschaft. Von Ludwig Abeltshauser und Ricardo Diaz Rohr*

LH Cargo ging beim Management komplexer Projekte immer wieder neue Wege. Insbesondere die in jedem Konzern kritische Gratwanderung zwischen Fachbereichen und IT auf der einen Seite sowie zentraler Kontrolle und lokaler Autonomie auf der anderen wurde in unterschiedlichsten Varianten ausprobiert. Das Resultat ist ein Bündel an abgesicherten exemplarischen Erfahrungen, das die Basis der IT-Strategie bildet.

Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass nahezu jedes Projekt einer beliebigen Firma in den letzten zehn Jahren Termine und/oder Kosten überschritten hat - wenn nicht die Funktionalität wesentlich reduziert wurde. Außerdem erwiesen sich die definierten wirtschaftlichen Ziele meist als illusorisch. Damit wollten sich die IT-Verantwortlichen der LH Cargo nicht abfinden.

Der Lernprozess begann bereits 1995 mit der Restrukturierung der Lufthansa AG. In die neu gegründete LH Systems GmbH ging das IT-Personal des Konzerns zu rund 85 Prozent ein. Die verbleibenden 15 Prozent (fast ausschließlich Fachbereichsanalytiker) verteilten sich auf die verschiedenen Geschäftsbereiche. Rund 60 dieser Mitarbeiter bildeten damals die zentrale IT-Abteilung der ebenfalls neu entstandenen LH Cargo.

Faktor eins: Ausgewogene VerantwortungDa diese zentrale IT-Organisation für die Projekte zuständig zeichnete, zogen sich die Fachbereiche aus der Verantwortung zurück. Der IT-Bereich erhielt die Vorgabe, die Benutzer zufrieden zu stellen - was aber praktisch nie gelang, weil das zu erreichende Ergebnis erst nach Projektende definiert wurde.

Als Reaktion übernahmen dann die mehr als 20 Fachbereiche und Abteilungen die direkte Verantwortung für die IT-Projekte. Eine kleine Koordinationsgruppe sollte die Vorhaben zusammenführen. Doch die Koordination so vieler Stellen war äußerst aufwändig oder sogar unmöglich, weil Zahl und Art der Projekte oft überhaupt nicht bekannt waren. Zudem litt die Professionalität unter der zu geringen Zahl von IT-Spezialisten in den einzelnen Bereichen.

Deshalb wurde die IT im Rahmen der neuen IT-Strategie - quasi im dialektischen Dreischritt - teilweise rezentralisiert. Jede der vier Business-Units erhielt eine eigene IT-Einheit, außerdem etablierte sich eine zentrale Steuerungsabteilung. Die einzelnen IT-Einheiten sind gemeinsam für Management und Abstimmung der Projekte zuständig. Die Projektverantwortung liegt dort, wo auch das Geschäft verantwortet wird. Die Kosten lassen sich ebenfalls eindeutig zuordnen: Kein Antrag wird genehmigt, wenn nicht ein Fachbereich die Verpflichtung für die wirtschaftlichen Ergebnisse und das Budget übernimmt.

Faktor zwei: Konsequente StandardisierungAuch bei der Infrastruktur wurden die Grenzen der Autonomie ausgelotet. Anfangs evaluierte jedes Projekt, welche Datenbanksysteme, Middleware, Server, Betriebssysteme, Entwicklungsumgebungen und so weiter sich am besten eigneten. Durch redundante Leitungen, inkompatible Endgeräte und Ausfälle entstanden enorme Kosten - die durch die hohe Komplexität und den großen Aufwand an den Schnittstellen noch zunahmen.

Im Rahmen der neuen IT-Strategie wurden deshalb Standards definiert, die regelmäßig fortgeschrieben werden. Ein IT-Atlas dokumentiert heute alle Systeme und deren Beziehungen untereinander. Zudem entwickelte LH Cargo gemeinsam mit LH Systems kostengünstige Komplettlösungen für die IT-Infrastruktur (PC-Arbeitsplatz, Server-Farm).

Faktor drei: Überschaubarer UmfangProjektdauer und -größe waren ursprünglich nicht begrenzt, Projekte über mehrere Jahre mit mehr als 50 Mitarbeitern keine Seltenheit. Je länger Anforderungserhebung und Einführung auseinander lagen, desto wahrscheinlicher traten Abweichungen zwischen Erwartung und Ergebnis oder aber ein hoher Änderungsaufwand auf. Zudem stieg der Koordinations- und Kommunikationsaufwand exponential mit der Zahl der Projektmitarbeiter.

Heute darf ein Projekt maximal zwölf Monate dauern und nicht mehr als sechs Mitarbeiter binden. (Angesichts des hohen Veränderungsdrucks wird derzeit sogar eine Verkürzung auf sechs Monate angestrebt.) Das Resultat der strikten Begrenzung: Durch Serialisierung oder Parallelisierung von Teilprojekten lassen sich Ergebnisse in der halben Laufzeit erzielen. Zudem können alle Teilvorhaben eine eigene Wirtschaftlichkeit nachweisen, denn es geht keineswegs darum, Großprojekte einfach in aufeinander folgende Phasen aufzuteilen, sondern eigenständige Funktionalität (Kundenpflege, Auftragserfassung etc.) abzubilden.

Faktor vier: Strategische AuswahlAuch der Entscheidungsprozess über IT-Investitionen durchlief die typische LH-Cargo-Lernkurve. Am Anfang stand "Bottom-up pur": Projekte wurden vom Vorstand freigegeben, wenn sie Mindestvorgaben an Wirtschaftlichkeit erfüllten und sauber begründet waren - solange, bis das budgetierte Geld ausgegeben war. Was später beantragt wurde, musste warten - selbst wenn es wirtschaftlicher oder strategisch wichtiger war. Später ordnete ein Vorstandsausschuss die Vorschläge nach Dringlichkeit; doch dessen Ideen folgten nicht zwingend einer strategischen Linie.

Im vergangenen Jahr entstand dann auch hier ein austariertes Modell aus zentralen und dezentralen Elementen. Ein vom Vorstand genehmigter Release-Plan definiert jetzt die strategischen Kernfähigkeiten. Er legt jährlich revolvierend fest, welche Projekte in den nächsten drei Jahren zur Realisierung anstehen. Andere Vorhaben werden abgelehnt. Die Verantwortung für den Plan tragen die IT-Einheiten der Business-Units und die zentrale IT gemeinsam.

Faktor fünf: Langfristige PartnerschaftBis Mitte 2001 schrieb LH Cargo alle IT-Leistungen zum Festpreis aus. Dieses Verfahren favorisiert vermeintlich die wirtschaftlichste Lösung. De facto bewirkte es das Gegenteil. Es brachte hohen Aufwand und Zeitverlust mit sich, da das Projekt für einen bestimmten Zeitraum praktisch unterbrochen werden musste. Um keinem Bewerber Vorteile zu verschaffen, entstanden die Anforderungsdefinitionen ohne die Mitwirkung eines Dienstleisters. So bekam oft derjenige den Zuschlag, der das Problem am wenigsten überblickte und die Kosten am optimistischsten schätze. Bei der Umsetzung war er dann verständlicherweise bemüht, möglichst geringen Aufwand zu treiben. Zudem mussten die Mitarbeiter jedes IT-Dienstleisters neu in das fachliche Problem sowie die Methoden und Standards eingearbeitet werden.

Im Sommer 2001 erhielt deshalb die Lufthansa Systems AS (eine Tochter der LH Systems) einen langfristigen Vertrag als exklusiver IT-Partner der LH Cargo. Eventuelle Probleme des Monopolistenstatus werden durch positive Effekte überkompensiert: Weil der Partner weniger Vertriebskosten und praktisch kein Minderbeschäftigungsrisiko tragen muss, kann er Vorzugstarife einräumen. Darüber hinaus ergeben sich Effizienz- und Zeitvorteile.

Anfang 2002 wechselte der ehemalige CIO Ludwig Abeltshauser ins Management von Lufthansa Systems AS. Für die Informationstechnik zeichnet jetzt Ricardo Diaz Rohr verantwortlich, der zuvor die IT der Konzernschwester Lufthansa Passage koordiniert hatte. Diaz Rohr sieht seine Herausforderung darin, auf der Basis der beschriebenen Strukturen die Projekte umzusetzen, die das Unternehmen weiterbringen sollen. Konkret will er die Prozesse vereinfachen, die Kosten senken und flexibler gestalten, die Kundenbindung stärken, die Entwicklung neuer Produkte beschleunigen, Marketing und Vertrieb unterstützen sowie neue Geschäftssysteme ermöglichen. Nach der Pflicht kommt nun die Kür. (qua)

*Ludwig Abeltshauser war bis Ende 2001 CIO bei Lufthansa Cargo AG und ist jetzt Leiter des Bereichs AS Logistics bei Lufthansa Systems Advanced Solutions, Kelsterbach.

Ricardo Diaz-Rohr ist seit dem 1. Januar 2002 verantwortlich für die Informationstechnik der LH Cargo, bis dahin koordinierte er die IT des Unternehmensbereichs Passage.

Das UnternehmenDie Lufthansa Cargo AG, Frankfurt am Main, gehört zu den größten Luftfrachtunternehmen der Welt. Mit zirka 5000 Mitarbeitern erzielte sie 2000 einen Umsatz von 5,5 Milliarden Mark (2,8 Milliarden Euro). Die Lufthansa Cargo ist heute in drei selbständige Business-Units aufgeteilt: Global Cargo Net (Marketing, Vertrieb, Flugnetz-Management), Global Cargo Handling Services (Bodenabfertigung) und Global Freighter Operations (Flugbetrieb). Hinzu kommt der Bereich Corporate & Shared Services, der die anderen Units mit Dienstleistungen (Personal, Controlling, Presse, Buchhaltung, Abrechnung, Informationstechnik etc.) versorgt. Jeder Bereich hat seine eigene IT-Einheit, obwohl eine zentrale IT-Abteilung alle Projekte koordiniert. Jährlich startet LH Cargo zwischen zehn und 20 IT-Projekte.

Abb.1: Die IT-Organisation der LH Cargo

Der Informations-Manager der Lufhansa Cargo AG ist unterhalb der Vorstandsebene platziert - obschon die IT ein wesentlicher Bestandteil des Logistikgeschäfts ist. Quelle: Lufthansa Cargo

Abb.2: Kostenvorteil IT-Partnerschaft

Um durchschnittlich zehn Prozent will Lufthansa Cargo die in der strategischen Fünfjahresplanung veranschlagten IT-Kosten unterbieten. Allein im laufenden Jahr soll die Ersparnis rund 12,4 Millionen Euro betragen. Quelle: Lufthansa Cargo