Junge Führungskräfte akquirieren und halten

Führen und Coachen von Emerging Leaders

30.01.2015
Von 


Thomas Schulte, Diplom Volkswirt und Geschäftsführer einer Coachingfirma. Der Autor hat über 25 Jahre Berufs- und Führungserfahrung als Banker, internationaler Unternehmensberater und Coach. Er ist zertifizierter Coach der ICF und spezialisiert auf Einzel-, Team- und Organisationscoaching. 2010 erschien sein Buch „Coaching als Weg“ (Achter Verlag), 2013 folgte „Der Weg zum professionellen Coach“ (Beltz), 2015 „Leistung und Leichtigkeit“ (Springer Gabler) und 2019 „Die unschlagbare Organisation“ (Schäffer-Poeschel). Coaching ist für ihn ein Handwerk, eine Kunst und eine Lebenseinstellung und der Schlüssel zu erfolgreichen Organisationen.
Ohne Nachwuchs an Führungskräften geht jedem Unternehmen früher oder später die Puste aus. Die richtigen Leute an Bord zu haben, ist ein entscheidender strategischer Wettbewerbsvorteil. Das ist bekannt und zeigt sich in der top-aktuellen Diskussion über Emerging Leaders, den Fachkräfte-mangel und War for Talents. Aber es gibt Probleme.
Die so genannten Emerging Leaders setzen oft andere Prioritäten als Firmenwagen und Umsatzbeteiligung, wenn es um die Entscheidung für einen neuen Arbeitsplatz geht.
Die so genannten Emerging Leaders setzen oft andere Prioritäten als Firmenwagen und Umsatzbeteiligung, wenn es um die Entscheidung für einen neuen Arbeitsplatz geht.
Foto: contrastwerkstatt - Fotolia.com

Die neue junge Generation von Führungskräften ist so gewaltfrei aufgewachsen, wie keine Altersgruppe zuvor. In der Pädagogik hat sich vor gut einer Generation die Erkenntnis durchgesetzt, dass jedwede Gewalt, körperliche wie seelische, in der Erziehung nichts verloren hat. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein dieser jungen Menschen. Ich erlebe immer öfter junge Führungskräfte, die "Gewalt" in ihren diversen Ausprägungen ablehnen. Vorgesetzte, die mit Druck und Autorität führen, werden von diesen Menschen kaum akzeptiert. Sie bleiben auch Organisationen mit einem autoritären oder konservativen Image fern.

Bastian Cullmann, Vice President Aiesec Darmstadt, beispielsweise würde ein Unternehmen klar bevorzugen, das eine "interessante und abwechslungsreiche Aufgabe, angenehme Arbeitsatmosphäre bietet und in einem Team arbeiten, mit Leuten, die für die Aufgabe brennen." Justus Stähle, President 2013/2014 Aiesec Darmstadt, möchte für eine Organisation arbeiten, "die ein Produkt oder Dienstleistung herstellt, die anderen Menschen hilft und sie weiterbringt. Ebenso wichtig ist, dass die Firma nachhaltig mit Ressourcen umgeht - besonders mit ihren Mitarbeitern - und dynamisch auf Veränderungen in der Welt reagiert."

Vielen jungen Menschen geht es ähnlich. Sie wollen Teil eines tollen Teams sein. Sie werden weniger durch die Insignien der Macht und des Geldes, wie etwa ein Firmenwagen oder Bonuszahlungen motiviert, als vielmehr durch Gestaltungsfreiheit, Sinn und Internationalität. Dadurch verlieren traditionelle Leistungsanreize ihre motivierende Wirkung. Genau hier stoßen viele Organisationen mit ihrem gelebten Führungsverständnis an ihre Grenzen.

Nach der von Douglas McGregor geprägten Lehre, sind Menschen entweder von Natur aus faul und müssen durch das Management gelenkt, motiviert und kontrolliert und notfalls sogar bestraft werden, damit sie ihren Beitrag zur Erreichung der Organisationsziele erbringen (Theorie X). Oder sie arbeiten gerne, sind von Natur aus leistungsbereit und fähig sich selbst zu motivieren. Das Management muss nur die richtigen Rahmenbedingungen, beispielsweise autonome Verantwortungsbereiche und flexible Organisationsstrukturen, bieten (Theorie Y).

Wie sieht die Realität in Unternehmen aus? Theorie X in Reinkultur: Leistungsprämien, Zielvorgaben und wenig motivierende Mitarbeitergespräche. Hinzu kommen turnusmäßige Kostensenkungsprogramme, alljährliche starre Zielerhöhungsmechanismen, Umstrukturierungen und Kündigungswellen.

Natürlich versuchen Unternehmen auch eine Prise Theorie Y einzustreuen, beispielsweise Führungskräfte individuell weiterzuentwickeln und Vertrauen zu demonstrieren, indem sie diese in die Zielfindung einbeziehen. Aber meines Erachtens verschwindet all dies in dem Meer von Theorie X-Maßnahmen.

Änderungsvorschläge

Tolle Ideen
Führungskräfte müssen sich daran erinnern, für welche Ziele sie sich am Anfang ihrer Karriere motivieren konnten. Damals, als man noch nicht "einfach" jedes Jahr 10% mehr Umsatz bei 10 % weniger Kosten erreichen musste. Was ist das atemberaubende tolle Ziel, das Ihre Organisation entscheidend voran bringt? Und bis wann benötigt Ihre Organisation das spätestens? Die Antwort darauf, ist das, was Emerging Leaders motiviert.

Unterstützung
Jede Top-Führungskraft hatte der Vergangenheit Menschen, die an sie geglaubt haben und die sie gefördert hat. Ohne dem wäre ein Aufstieg nicht möglich gewesen. Unternehmen der Zukunft müssen sich zur gecoachten Organisationen weiterentwickeln, bei denen jeder Mitarbeiter Anspruch auf eine individuelle umfassende und bedingungslose Förderung zum Beispiel durch Coaching oder Mentoring hat, sei es durch den Vorgesetzten oder durch einen externen Coach. Das ist Aufmerksamkeit pur. Aufmerksamkeit ist die neue Währung beziehungsweise Vergütung unserer Gesellschaft und Unternehmen. Schenken Sie sie Ihren Leuten.

Kulturwandel
Unternehmen brauchen einen grundlegenden Kulturwandel, eine strategische Neuausrichtung hin zu weniger "Gewalt" und mehr Freiheit. In einer Zeit in der jede Information real-time überall auf der Welt zur Verfügung steht, gibt es keine Einschränkungen mehr. Unternehmensgrenzen verwischen. Internes vertrauliches Wissen wird zunehmend zu einem Relikt aus der Vergangenheit. Ein Emerging Leader, dem es nicht gefällt, geht. Denn er weiß, wo es besser ist.

Das bedeutet für Top-Führungskräfte "Walk the talk" in einer ganz neuen Dimension. Da es kaum noch unternehmensinterne Informationen gibt, ist sofort alles transparent. Ob Sie Herausforderungen kommunizieren können, bereit und fähig sind zur persönlichen Unterstützung, zeitlich anspruchsvolle Vorgaben kommunizieren können und dabei die Balance zwischen Anspannung und Entspannung für sich und andere hinbekommen. All das ist bekannt und sichtbar.

Die Emerging Leaders sind bereit. Sind Sie es auch? Tolle Ziele, die in einem eng gesteckten Zeitrahmen erreicht werden müssen, persönliche Weiterentwicklung in einem hochmotivierten Team und uneingeschränkte gegenseitige Unterstützung heißt die Zauberformel, mit der man diese Menschen gewinnen und an sich binden kann. (bw)