Migration von 8870 auf Unix

Fremdgehende Nixdorf-Anwender sollten Rechtsprobleme beachten

08.11.1991

SNI warnte auf dem ersten unabhängigen Nixdorf-Anwender-Kongreß der CSE/IDG vor der Portierung von Nixdorf-Software auf Unix-Systeme. Die COMPUTERWOCHE wunderte sich in ihrem Bericht in der Ausgabe vom 11. Oktober 1991 (Seite 7,10) darüber, warum SNI die behauptete Unzulässigkeit gerichtlich nicht klären läßt. Die Antwort: Weil SNI wahrscheinlich nicht Recht bekommen würde.

Darf ein Anwender, der Standardsoftware gegen Einmalvergütung erworben hat, diese nur auf DV-Anlagen des Herstellers der Standardsoftware einsetzen oder nicht? Die Tatsache, daß er die Programme bezahlt hat, spricht dafür, daß er sie beliebig, also auch auf einer fremden Anlage, nutzen darf. Andererseits besteht eine gewisse andauernde Treuepflicht zwischen den beiden Vertragspartnern: Einerseits muß der Lieferant die Standardsoftware pflegen, andererseits muß der Anwender darauf Rücksicht nehmen, daß die Programme eine hohe Investition seitens des Lieferanten repräsentieren, die geschätzt werden muß.

Rein finanzielle Interessen des Lieferanten, nämlich ein Monopol für die Ersatzbeschaffungen von Hardware beim Kunden zu haben, sind durch diese Treuepflicht aber nicht geschützt.

Bindung en die eigene Hardwareplattform

Es kann anerkennenswerte Gründe dafür geben, daß ein Lieferant von Standardprogrammen deren Einsatz nur für bestimmte Hardwareplattformen freigibt, nämlich für solche, auf denen er seine Programme getestet hat. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat deswegen im Urteil vom 17. Januar 1991 (Aktenzeichen: 6 U 18/90) diese Begrenzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für wirksam gehalten: "Grundsätzlich kann ein solches Interesse (des Lieferanten) bejaht werden, denn oftmals wird Software nur für bestimmte Computertypen oder -klassen geschrieben, die auf speziellen Hardware-Eigenschaften des einen oder anderen Gerätes notwendigerweise oder aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen der Schnelligkeit bestimmter Softwareroutinen) angepaßt werden. In solchen Fällen ist die Ablauffähigkeit der einmal erstellten Software auf anderen Geräten, auch wenn diese dieselben Leistungs- und Funktionsmerkmale aufweisen, nicht sichergestellt. Es ist in diesem Zusammenhang zurecht darauf hingewiesen worden (so Zahrnt, Einsatz von Standard-Anwendungsprogrammen auf "fremden" DV-Anlagen, CR 1989, 965ff), daß der Hersteller der Software Gefahr läuft, seinen Ruf beeinträchtigt zu sehen, wenn und soweit das von ihm erstellte Programm auf eine andere Hardware übertragen wird und dort nicht in dem ursprünglichen Maße funktionsfähig ist.

Wenn aber solche Gründe nicht vorliegen, wird der Anwender ohne ausreichenden Grund in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit behindert. "Entschließt sich" der Anwender, führte das OLG Frankfurt aus, seine "Anlage entsprechend dem Fortschritt in der Computertechnik zu modernisieren, so wäre er daran gehindert, die Hardwareprodukte eines anderen Herstellers oder Händlers - möglicherweise zu günstigeren Preisen - zu kaufen, sondern müßte sich erneut bei der Klägerin eindecken."

Im Fall des OLG Frankfurt hatte der Anwender einen anderen Mikrocomputer mit der dazugehörigen Variante desselben Betriebssystems erworben. Für diesen Fall hielt das OLG Frankfurt die Koppelung der Anwendungssoftware an den ursprünglich gelieferten Typ der Hardwareplattform für "unangemessen benachteiligend und deshalb nach ° 9 AGB-Gesetz unwirksam".

SNI könnte für den eigenen Fall argumentieren, daß die Programme auf ein anderes Betriebssystem portiert werden. Insofern ist die Gefahr größer, daß Fehler in der Anwendungssoftware auftauchen. Auf der anderen Seite ist es sehr viel deutlicher, daß der Anwender hier einen großen Schritt macht und Programmfehler wahrscheinlich auf die Portierung zurückzuführen sind. Der Ruf von SNI dürfte kaum leiden, wenn die Anwendungssoftware nach der Portierung auf Unix-Plattformen Fehler zeigt. Es ist allerdings meine persönliche Einschätzung, daß die beteiligten Kreise - wie das bei den Juristen heißt - so reagieren dürften.

Es bleibt nachzutragen, daß das Stichwort Urheberrecht vom OLG Frankfurt nicht angesprochen wird. Der Einsatz eines Programms auf einer fremden Anlage als solcher ist urheberrechtlich irrelevant.

Schwieriger wird es, wenn der Anwender das Programm abändern muß, damit es auf der neuen Hardwareplattform einsatzfähig ist. Häufig verlangt die Schnittstelle zum neuen Betriebssystem geringfügige Änderungen. Damit ist das Urheberrecht angesprochen. Je nachdem, wie man den Vertrag über die Überlassung eines Standardprogramms einordnet, sind Änderungen sowieso zulässig (so mein Standpunkt in DV-Verträge: Rechtsfragen und Rechtsprechung, Kapitel 8.2.2(5) oder aber kann der Lieferant sie gemäß Treu und Glauben nicht verbieten. Das hat das OLG München in einem Urteil vom

27. Oktober 1987 (Aktenzeichen: 3 O 2458/87, abgedruckt in Zahrnt, DV-Rechtsprechung Band 4-42) entschieden. Die Literatur hat dem weitestgehend zugestimmt. Insbesondere wird darauf abgestellt, daß nur derjenige Anwender das Programm ändern kann, der Quellcode erhalten hat. Wenn der Lieferant Quellcode statt Objektcode liefert, kann er schlecht Änderungen verbieten. Bei Programmen in interpretativen Sprachen ist das nicht so überzeugend. Dann muß der Lieferant sich aber fragen lassen, warum er auf den Einsatz einer kompilierenden Sprache verzichtet hat.

Manche Lieferanten versuchen, Änderungen dadurch einen Riegel vorzuschieben, daß sie diese in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbieten. Dann greift wieder die Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ein. Die Frage, ob ein solches Verbot wirksam ist, ist bisher in der Rechtsprechung nicht behandelt worden. In den mir vorliegenden "Bedingungen für Überlassung von Standard-Anwendersoftware" von Nixdorf sind Änderungen verboten. Hier hat SNI eine Chance, wenn Änderungen nötig sind.

Verbot der Kenntnisgabe an Dritte

Es gibt noch eine gewichtige Möglichkeit für einen Lieferanten, Portierungen einzuschränken: Programme repräsentieren eine erhebliche Investition. Diese soll Konkurrenten nicht zugänglich werden. Dementsprechend halte ich ein Verbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Programme Dritten zugänglich zu machen, im Ansatz für wirksam. Allerdings kommt es auf die Ausgestaltung an.

Nixdorf spricht in der mir vorliegenden Fassung der Bedingungen davon, daß der Anwender "alle nötigen Vorkehrungen treffen wird, um den unbefugten Zugang Dritter zu dem Programm zu verhindern". Eine solche Klausel verbietet dem Anwender nicht, Dritte einzuschalten, die ihm seine Programme ändern, etwa portieren. Nixdorf mag ein Verbot der Kenntnisgabe angesichts des Änderungsverbotes für überflüssig gehalten haben. Den Juristen interessiert aber nur, daß eine solche Klausel fehlt.

Es hängt also alles davon ab, ob das Änderungsverbot wirksam ist. Das wiederum ist nur dann relevant, wenn die Anwendungssoftware geändert werden muß.