Freiberufler statt Outsourcing

03.06.2005
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Bevor die IT-Abteilung ausgelagert wird, lohnt es sich, über den Einsatz von Freiberuflern nachzudenken.

Das Auslagern von Entwicklertätigkeiten geht nicht immer gut über die Bühne. Wie schlecht ein Projekt mit Pioniercharakter für die gesamte Finanzwelt laufen kann, zeigt die Deutsche Bank. Das Outsourcing der Rechenzentren mit rund 750 Mitarbeitern an IBM bereitete den Verantwortlichen einige Magenschmerzen. Die Folge: John Patching, der Chef dieses Geschäfts, musste seinen Hut nehmen. Dass die Liste der Unzufriedenen immer länger wird, bestätigen auch diverse Studien. Unter anderem belegt das Ergebnis der Untersuchung "Struktur und Kosten der IT in der deutschen Wirtschaft" der Kölner KDL Consulting bei den 130 größten deutschen Firmen, dass etliche Befragte schlechte Erfahrungen beim Outsourcing ihrer IT-Abteilung gemacht haben.

Als ein Hauptgrund für die Unzufriedenheit wurden die Zusatzkosten genannt, die bei einem Outsourcing-Projekt oft übersehen würden. KDL-Geschäftsführer Klaus Leciejewski: "Wer denkt schon an Kosten für Anwälte, für Mitarbeiterschulung oder an die vielen Reisekosten?" Seiner Meinung nach würde allein der Abbau von Personal drei bis fünf Prozent der Projektkosten betragen. Den Grund, warum Outsourcing dennoch der große Renner ist, liefern die Autoren der KDL-Studie gleich mit: Es sei der Wunsch vieler Manager, sich vorübergehend ein Problemfeld vom Hals zu schaffen. Leciejewski: "Warum spricht eigentlich alle Welt von Outsourcing - und keiner von möglichen Alternativen?" Die wichtigste Alternative ist seiner Meinung nach der Einsatz von IT-Freelancern. Dies gelte vor allem für komplexe Projekte und Projektleitungsaufgaben.

Für Dirk Bisping, Vorsitzender des Berufsverbandes für Selbständige in der Informatik (BVSI) steht fest, dass Externe die bessere Lösung sind: "Wenn Unternehmen nach misslungenem Outsourcing das Ruder wieder herumreißen, fehlt ihnen das Wissen, das sie nach außen verlagert haben. Spätestens dann kommen Freiberufler zum Einsatz." Vor allem das Offshoring, die Auslagerung von Tätigkeiten nach Osteuropa, hält der BVSI-Mann für deutsche IT-Profis für nicht ganz ungefährlich. "Besonders betroffen sind Skills, die nach Schema "F" ablaufen", warnt er. Die Chancen für hiesige Freiberufler würden dann sinken, wenn im Ausland minimale Stundensätze verbunden mit hoher Qualifikation angeboten würden. Bisping: "In Deutschland kommt eine Entwicklerstunde nun mal auf 50 bis 80 und nicht auf 15 Euro."

Rüdiger Krojnewski, Manager Consultant bei der Meta Group, favorisiert auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Lösungen: "Der IT-Leiter muss von Fall zu Fall entscheiden, was für seine Abteilung die kostensparendste und effektivste Möglichkeit ist." Grundsätzlich würden sich einige Alternativen anbieten - Outsourcing, Offshoring und Einsatz von Freiberuflern. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei der Fokus der zu vergebenden Aufgabe.

Outsourcer kontra Freiberufler

Nach den Erfahrungen des Meta-Group-Managers gehören IT-Dienstleistungen wie der Betrieb von Midrange Services oder Managed Filespace klassischerweise zu den Bereichen, die von Outsourcern bedient werden: "Vor allem die Notwendigkeit, kontinuierlich verschiedene Tätigkeitsbereiche abzudecken, schließt den Einsatz von Freiberuflern aus." Gegen sie spreche auch die üblicherweise in solchen Dienstleistungsverträgen enthaltene finanzielle Vorleistung des Auftragnehmers. Werde aber ein Projekt intern geführt, so sei der Einsatz von Externen für die verschiedenen Themenbereiche sozusagen "natürlich". Am häufigsten sei dies im Bereich der funktionalen Implementierungen von Änderungen in unternehmensweiten Anwendungen wie SAP oder Siebel der Fall. Wichtig für Krojnewski ist indes, dass der Datenchef überhaupt Einfluss nimmt: "Wenn ein IT-Leiter Entscheidungen mitprägen will, muss er aktiv werden - sonst bekommt er irgendeine Lösung übergestülpt."

Mangelnde Kreativität

Das beobachtet auch der Personaldienstleister Hays. Der für den Vertrieb in Deutschland zuständige Hays-Manager Dirk Hahn: "IT-Abteilungen werden zumeist ausgelagert, weil ihnen der Ruf anhaftet, statisch, teuer und nicht mehr up-to-date zu sein." So komme es noch häufig vor, dass in IT-Bereichen Cobol-Programmierer sitzen, die auf Java getrimmt werden sollen. Da bräuchte sich so mancher IT-Chef nicht wundern, wenn seine Abteilung in der Topetage als ineffizient gelte. Hahn: "Leider fehlt es hier an Kreativität, um sich gegen den Outsourcing-Hype zu stellen."

In dem Moment, in dem die IT-Verantwortlichen der obersten Führungsetage eine strategische Lösung anböten, mit der fast genau soviel gespart werden könne und die langfristig effektiver sei, würden die Topmanager bestimmt aufmerksam werden. Der Hays-Manager: "Je komplexer Projekte sind, zum Beispiel bei SAP R/3-Roll-outs international tätiger Konzerne, bei denen die Prozesse spezifisch auf den Workflow anzupassen sind, desto eher werden freiberufliche Experten gesucht. Sie können nämlich direkt vor Ort die Bedarfssituation in den Abteilungen abklären." Outsourcen würde hier weder Zeit noch Kosten sparen - ganz im Gegenteil. Für Hahn steht fest, dass der Einsatz von Freiberuflern für viele Unternehmen die bessere und risikoärmere Lösung ist. Die IT-Chefs müssten diese Alternative nur überzeugend anbieten.

Keine Angst vor Offshoring

Ulrich Bode, Freiberufler, Sprecher des Beirats für Selbständige und Fellow der Gesellschaft für Informatik (GI), hält Outsourcing hauptsächlich für große Unternehmen interessant: "Bei den Mittelständlern haben wir es mit speziellen Anforderungen - von der Programmierung von Spielautomaten bis hin zur Konzeption einer Bierabfüllanlage - zu tun. Da es unter den Freiberuflern Spezialisten mit unterschiedlichstem Wissen gibt, sind sie für diese Aufgaben bestens geeignet."

Vor Outsourcing und Offshoring ist dem GI-Mann nicht bange: "Wir Freiberufler sollten Outsourcing selbst nutzen." Schließlich hätten nicht wenige Freelancer Kontakte ins Ausland oder stammen sogar aus anderen Ländern. Appell des GI-Mannes: "Wenn es uns gelingt mit preiswerteren Kollegen zusammenzuarbeiten, können wir selbst günstig anbieten - und so neue Auftraggeber akquirieren."

Zu den Freiberuflern, die die Outsourcing-Welt für sich längst als Tätigkeitsfeld entdeckt haben, gehört Stefan Diehl: "Bei Unternehmen, die als Lieferant von Outsourcing-Paketen auftreten, nimmt die Arbeit massiv zu." So müssten unter anderem die entsprechenden Verträge unter Dach und Fach kommen und neue Prozesse installiert werden. Erklärt Diehl: "Für Freelancer, die im Vertrags- und/oder Prozess-Management fit sind, bedeutet das neue Aufträge." (am)