Innovationsoffensive gefordert

Fraunhofer-Gesellschaft will eigenes Marketing intensivieren

17.04.1998

Insgesamt könne die Fraunhofer-Gesellschaft auf ein "erfolgreiches Jahr" zurückblicken, erklärte deren Präsident Hans-Jürgen Warnecke vor der Presse in München. Trotz eines rückläufigen Marktes für Forschungs- und Entwicklungsaufträge sei es seiner Organisation im vergangenen Jahr gelungen, mit ihrem Etat zu wachsen. Insgesamt betrugen die Aufwendungen der Fraunhofer-Gesellschaft wie 1996 1,3 Milliarden Mark.Davon entfielen laut Warnecke 83 Prozent auf den Bereich der sogenannten Vertragsforschung - also Vorhaben, die mit Hilfe der Grund- beziehungsweise Projektfinanzierung durch Bund und Länder bestritten werden, aber auch auf Aufträge aus Wirtschaft und Industrie.Die übrigen Haushaltsmittel flossen weitgehend in den Bau und in die Ausstattung von Institutsgebäuden (zwölf Prozent) sowie in militärische Forschungsaufträge.

Gegenüber 1996 stieg damit das Volumen der Vertragsforschung um 5,2 Prozent auf 1,08 Milliarden Mark - eine Kennziffer, die für die Verantwortlichen der Fraunhofer-Gesellschaft aber auch einen negativen Beigeschmack hat.Denn das Wachstum resultierte ausschließlich aus den um knapp 15 Prozent gestiegenen Aufträgen aus der Wirtschaft, die den entsprechenden Fraunhofer-Etat auf 363 Millionen Mark ansteigen ließen.Die Wirtschaftserträge machten damit 1997 mehr als ein Drittel der Vetragsforschung aus (siehe Abbildung)."Ohne die institutionelle Förderung ist eine ausreichende Vorlaufforschung kaum noch zu leisten.Diese ist aber eine wichtige Voraussetzung, um die Innovationsfähigkeit der Fraunhofer-Gesellschaft mittel- und langfristig zu sichern", kritisierte Warnecke die Tatsache, daß die öffentliche Projektförderung von Bund und Ländern auch im vergangenen Jahr weiter rückläufig war.Von 1991 an sank ihr Anteil am Vertragsforschungsetat der Fraunhofer-Gesellschaft von 34 auf nur noch knapp 18 Prozent (191 Millionen Mark).

Um nicht in absehbarer Zeit in einen bedrohlichen finanziellen Engpaß zu geraten, sehen die Münchner nur einen Ausweg: "Unsere Mitarbeiter müssen noch mehr Aufträge aus der Wirtschaft akquirieren", gab Warnecke als Devise aus.Was schwierig genug sein dürfte, denn bereits in den letzten Jahren hat die Fraunhofer-Gesellschaft in der Regel bei 25 Prozent aller Aufträge, die von der Wirtschaft an Universitäten und öffentlich geförderte Forschungseinrichtungen vergeben werden (1997 waren dies rund 1,4 Milliarden Mark), den Zuschlag erhalten.Unabhängig davon sei es, so Warnecke, mit das wichtigste Ziel, die "Marktorientierung" der eigenen Wissenschaftler zu erhöhen.Letztlich aber auch die Attraktivität der Arbeitsplätze in den einzelnen Fraunhofer-Instituten, um "international wettbewerbsfähig" zu bleiben.In diesem Zusammenhang wird dem Vernehmen nach auch intensiv über Modelle einer leistungsorientierten Bezahlung nachgedacht, was allerdings derzeit noch mit dem Besoldungssystem des öffentlichen Dienstes kollidiert.

Apropos Wettbewerbsfähigkeit: Innovationen sind "der Treibstoff, der die Jobmaschine wieder in Schwung bringt", betrieb der Fraunhofer-Präsident mit Blick auf die Arbeitsmarktkrise quasi Werbung in eigener Sache. Kostenreduzierung alleine könne den Standort Deutschland nicht wettbewerbsfähig machen.Hinzu kommen müßten innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen.Allein der Elektronikkonzern Siemens generiere heute 74 Prozent seines Umsatzes mit Produkten und Services, die weniger als fünf Jahre alt sind.Dieses Beispiel zeige, so Warnecke, wie "wichtig ein innovationsfreund- liches Umfeld von kreativen Forschungseinrichtungen und kleinen technologieorientierten Unternehmen" ist.

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich deshalb auch die verstärkte Förderung von Existenzgründungen auf ihre Fahnen geschrieben.Schon heute sei seine Organisation nicht nur Dienstleister und Arbeitgeber, sondern liefere der Wirtschaft ständig "neue Leistungsträger", betonte Warnecke.Viele ehemalige Fraunhofer-Mitarbeiter seien heute als Geschäftsfüher oder Vorstände in der Industrie tätig.Zudem käme es auch zu immer mehr "Startups aus den einzelnen Instituten heraus".

Aber auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft, die derzeit 47 Institute und Einrichtungen in der Bundesrepublik unterhält, sind neue Aktivitäten angedacht.So wurde an der Universität Erlangen eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Entwicklung drahtloser TK- und Multimedia-Techniken beschäftigt.Und in Bonn ist ein neues Institut für TK-Technik und -Dienste geplant.Neue und vor allem hochqualifizierte Arbeitsplätze entstünden primär in den ganz jungen Schlüsseltechnologien wie IT und Telekommunikation, Umwelt-, Bio- und Gentechnik.Dem trage man "durch entsprechenden Ausbau der jeweiligen Forschungsbereiche Rechnung", betonte Warnecke.Der Bereich Mikroelektronik/Mikrosystemtechnik, für den die Fraunhofer-Gesellschaft im vergangenen Jahr 251,9 Millionen Mark aufgewendet hat, ist mittlerweile zum zweitgrößten Forschungsetat der Münchner avanciert.Die Mittel zur Vertragsforschung im Rahmen von IT- und TK-Projekten beliefen sich 1997 auf 127,3 Millionen Mark.