Siemens plant Netzwerk und liefert vermutlich das Equipment:

Ford steuert europäischen ISDN-Highway an

28.04.1989

MÜNCHEN (pg) - Große ISDN-Pläne schmiedet der Automobilkonzern Ford. Zusammen mit den Kommunikationsplanern der Siemens AG tüfteln die Ford-Experten derzeit an der Struktur eines europaweiten Netzwerks. Ford of Europe will dabei zwei Fliegen mit der ISDN-Klappe schlagen: erstens den Sprachverkehr modernisieren und zweitens CAD/CAM-Files via ISDN transportieren.

"Wir haben das Problem, täglich Tausende elektronischer Zeichnungen durch Europa schicken zu müssen, weil Ford Entwicklungszentren in Deutschland und England sowie Werke in vielen europäischen Ländern hat", skizziert Klaus Schröder, Leiter Installationsplanung, Nachrichtentechnik der Ford AG Deutschland, die Situation des Konzerns. Auf der Suche nach einer Lösung des CAD/CAM-Dilemmas ist man auf die Idee gekommen, die geplanten teuren Einrichtungen für die ISDN-Sprachkommunikation auch für den Transport von CAD/CAM zu nutzen.

Seit Jahren schon tragen sich die Verantwortlichen mit dem Gedanken, ein Netz mit ISDN-Knoten zur Verknüpfung der europäischen Ford-Niederlassungen aufzubauen. 1988 erhält Siemens den Zuschlag bei der Ausschreibung des Angebots. Der deutsche Elektronikriese hatte sich gegen die Mitbewerber AT&T, British Telecom, Cordex, Ericsson, Philips, Northern Telecom und Timeplex durchgesetzt.

Anfang März haben Ford of Europe und Siemens die Realisierung des Projekts in Angriff genommen. Zunächst sind beide Unternehmen nur für den Zeitraum der Projektplanung vertraglich aneinander gebunden. Vertrage über Systembestellungen und Implementationen wurden bislang nicht unterzeichnet. Dazu Hans-Joachim Weiher, Projektleiter Ford of Europe und Mitglied des von Siemens und Ford ins Leben gerufenen "Wide Area Network Teams": "Wir haben als Ziel der ersten Phase definiert, ein Designkonzept für das gesamte Netzwerk auszuarbeiten."

Für die Konzeption des Netzes wurden von den Strategen sechs Monate Zeit veranschlagt. Soviel steht jedoch heute schon fest: Das Herz des europäischen Netzes wird ein deutsch-englischer Ring sein, der den englischen Sitz von Ford of Europe in Warley, das Entwicklungszentrum in Dunton und die Hauptproduktion in Dagenham mit der deutschen Administration, Produktion und Entwicklungszentrale, alle in Köln angesiedelt, verbindet.

In diesen wichtigsten europäischen Ford-Sitzen sollen dann bis Ende 1990 - eine noch nicht festgelegte Anzahl - Hicom-300-Systeme von Siemens installiert und 15 000 Teilnehmer an die digitalen Systeme angeschlossen werden. Die Verbindung der europäischen "Schaltzentralen" wird über gemietete Zwei-Megabit-Leitungen erfolgen, die in der Bundesrepublik von der Bundespost gestellt werden. In England ist noch nicht entschieden, ob British Telecom und Mercury gemeinsam Leitungen anbieten oder ob nur eines der beiden Unternehmen zum Zuge kommt.

Einer Installation von Hicom-Anlagen in England steht derzeit noch die fehlende Zulassung von der britischen PTT im Weg. Projektleiter Weiher zufolge wird das deutsche System jedoch bis Herbst die Freigabe für den englischen Markt bekommen und in den britischen Hauptstandorten implementiert werden können. Der Kreis zwischen England und der Bundesrepublik wäre dann geschlossen, und andere europäische Ford-Werke könnten über Zwei-Megabit- oder 64-Kilobit-Leitungen an den Ring angeknüpft werden.

Über diese Leitungen wird dann auch der CAD-Austausch zwischen den Werken erfolgen. Weiher: "Man muß unterscheiden, ob es sich um einen reinen File-Transfer oder das interaktive Arbeiten an einer Zeichnung handelt. Wir vollen über die 64-Kilobit-Leitungen nur fertige Zeichnungen innerhalb unseres großen Verbundes in Europa an die Werke verteilen. Wenn man eine Zeichnung von 2 Megabyte überträgt, ist das Verkehrsprofil dem eines Telefongesprächs sehr ähnlich."

Mag gegen den CAD-Transfer über 64-Kilobit-Leitungen manches einzuwenden sein, so sprechen nach Meinung von Weiher folgende Punkte deutlich für ein einheitliches Netz: Die Reaktionszeiten, insbesondere bei der Entwicklung, werden erheblich verkürzt; die Techniker sind nur noch mit einer Hard- und Software konfrontiert und zukünftig lassen sich Händler und Lieferanten über Standardprozeduren und -netze einbinden. Schließlich können sämtliche Dienste der Telekommunikation realisiert werden. Damit wird letztendlich auch ISDN der Weg bereitet.