Forcierung der Produktzulassung angestrebt 3Com sucht die Kraftprobe mit EU-Standardisierungsgremien

09.09.1994

BRUESSEL (CW) - Der US-amerikanische Hersteller von Internetworking-Komponenten 3Com will bei der EU ein Musterverfahren auf den Weg bringen, um die europaweite Zulassung von Telecom-Equipment zu beschleunigen.

Die Initiative der US-Company basiert nach einem Bericht des "Wall Street Journal" auf den EU-Richtlinien fuer den Telekommunikationsmarkt. 3Com plant, ein spezielles EU- Mitgliedsland, in diesem Fall die Niederlande, zu einer europaweiten Zulassung eines Produkts zu bewegen. Die kalifornischen Networking-Spezialisten berufen sich dabei auf eine Bestimmung aus dem Jahr 1992, wonach fuer die nationalen Behoerden aller Mitgliedsstaaten die Vergabe des Pruefsiegels "CE" an alle Ausruestungsgegenstaende moeglich ist, die die technischen EU- Standards erfuellen.

"Falls unsere Argumente Gehoer finden, ist es durchaus vorstellbar, dass wichtige Bereiche des Marktes fuer Telecom-Equipment geoeffnet werden", gab sich Thomas Ramsey, juristischer Berater von 3Com von der Bruesseler Niederlassung der US-Anwaltskanzlei Squire, Sanders & Dempsey, optimistisch. 3Com und auch andere Unternehmen verweisen darauf, dass es entgegen allen Bekundungen von EU- Vertretern in Europa immer noch Monate dauert, bis ein neues Produkt getestet und fuer den Verkauf in allen zwoelf Mitgliedsstaaten freigegeben wird. Gleichzeitig aendere sich aber gerade im TK-Markt die eingesetzte Technik so rasch, dass Produkte von vornherein eine nur sehr begrenzte Lebensdauer haetten. "Wenn wir sechs Monate fuer die Zulassung in einem bestimmten Land benoetigen, haben die Produkte ihren Entwicklungsvorsprung bereits eingebuesst", erklaerte Guy Van Buskirk, der fuer die Produktzulassung zustaendige Vertreter von 3Com.

ETSI als Hindernis fuer ein CE-Pruefsiegel

Insider beurteilen die Chancen von 3Com indes eher skeptisch. Bis das in Frankreich ansaessige zustaendige European Telecommunications Standards Institute (ETSI) die gemeinsamen technischen Bestimmungen (Common Technical Regulations) ausgearbeitet habe, koennen, wie das "Wall Street Journal" weiter berichtet, noch zwei Jahre vergehen. Diese Bestimmungen muessen nach allgemein geltender Rechtsauffassung jedoch vorliegen, ehe das CE-Pruefsiegel vergeben werden kann. Bis dahin werden die Kalifornier, die mehr als die Haelfte ihres Umsatzes im Ausland erzielen, nach Ansicht vieler Experten weiterhin fuer jedes ihrer Produkte einzeln die Zulassung in jedem EU-Land beantragen muessen.

Nach offizieller Darstellung von 3Com sollte dies aber die europaweite Zulassung nicht behindern, da diverse EU-Behoerden auch jetzt schon den paneuropaeischen Standard "Normes Europennes de Telecommunications" (NET) akzeptieren. Dieser gilt als Vorlaeufer der Common Technical Regulations. Nach einer EU-Richtlinie von 1986 bilde das NET-Paket ein Set aus gemeinsamen Spezifikationen, die "in allen EU-Mitgliedsstaaten herangezogen werden sollten, um zu entscheiden, ob ein Telekommunikationsprodukt europaeische Standards erfuellt".

In den Niederlanden haben die Kalifornier nun die entsprechende Zulassung eines Routers beantragt, der die Adresse jeder Message liest und diese an den jeweiligen Bestimmungsort dirigiert. 3Com will die Koninklijke PTT Nederland NV dazu draengen, dem Produkt ein CE-Pruefsiegel zu verleihen. Gewisse Hoffnungen koennen sich die 3Com-Verantwortlichen dabei dem Vernehmen nach schon machen. Zumindest wird nicht ausgeschlossen, dass die niederlaendischen Behoerden den Fall an die EU-Kommission weitergeben. Deren Spezialisten sollen, wie Bruesseler Spatzen von den Daechern pfeifen, gar nicht abgeneigt sein, eine NET-Version als Uebergangsloesung zu gestatten, bis das ETSI seine Arbeiten abgeschlossen hat.