Uralt-Hardware kann reibungslosen Ablauf nicht mehr gewährleisten:

Flugsicherungssystem mit heißer Nadel genäht

11.08.1989

WASHINGTON/MÜNCHEN (IDG/CW) - Die amerikanische Flugsicherungsbehörde ist erneut ins Gerede gekommen: Eigenmächtig hat sie den Auftrag an Unisys für Erweiterungen ihres überalterten Systems um rund 24 Millionen Dollar aufgestockt - ein kleiner Fisch im Vergleich zu den 3,5 Milliarden, die Big Blue für die Entwicklung eines komplett neuen Systems kassiert. Auch hierzulande laufen Bemühungen, die Flugsicherung auf den neuesten Stand zu bringen.

Ursprünglich hatte die Federal Aviation Administration FAA mit Unisys einen Vertrag über 45 Millionen Dollar abgeschlossen. Dafür sollte der DV-Hersteller in einem auf drei Jahre angelegten Projekt das völlig überholte Flugsicherungssystem im New Yorker Luftraum durch Speichererweiterungen, neue LAN-Verbindungen und zusätzliche Software aufmöbeln. Diese Investition dient lediglich dazu, die schlimmsten Mängel in der DV-Ausrüstung abzustellen - bis Mitte der neunziger Jahre das Advanced Automation System (AAS) von Big Blue fertiggestellt ist.

Ohne die Genehmigung der zuständigen General Services Administration GSA einzuholen, vereinbarte die FAA mit Unisys eine Auftragserweiterung im Wert von 24 Millionen Mark. Die GSA-Beamten reagierten auf diese Kompetenzüberschreitung zunächst mit der Sperrung des Vertrags. Die Flugsicherungsbehörde benötigt die zusätzlichen Geldmittel nach eigenen Angaben jedoch dringend, um einen Projektstopp zu vermeiden, der die Gesamtkosten noch weit mehr in die Höhe treiben würde. Einstweilen haben die GSA-Leute eingelenkt und machen für die nächsten zwei Monate zusätzlich zwei Millionen Dollar locker.

Der Noteinsatz bei der New Yorker Flugsicherung ist nur Vorläufer eines Projekts, bei dem Unisys landesweit die alten Systeme aufpeppeln soll. ln diesem Vertrag soll unter anderem die Installation von über 140 neuen Bildschirmen, 300 Rechnern sowie Software und Speichererweiterungen vereinbart werden.

Auch bei der deutschen Flugsicherung stehen Updates und Neuanschaffungen ins Haus. "Bei vielen Systemen ist ein Austausch dringend erforderlich, meint Heribert Lafferton, Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (BFF). Zahlreiche Rechner hätten mit einem Lebensalter von zehn bis zwölf Jahren eine absolute Obergrenze erreicht und würden deshalb bis Anfang der neunziger Jahre durch neue Systeme ersetzt.

Laut Jürgen Roth, Geschäftsführer der Frankfurter CSID GmbH, tragen die Investitionen in die Hardware jedoch lediglich zur Stabilisierung der derzeitigen Gesamtsituation bei, aber nicht zu ihrer Verbesserung. "Die Probleme liegen doch vor allem in der Software", urteilt Roth. Eine umfassende Software-Modernisierung sei jedoch nicht geplant: "Ergebnisse in diesem Bereich werden daher nur Flickwerk sein." Zur Bewältigung des Passagieraufkommens wird die Runderneuerung der Hardware damit so gut wie nichts beitragen. Derzeit laufen in der Flugsicherung Systeme von Siemens und Unisys - selbst AEG-Rechner sind noch im Einsatz.

Auch an der Datenkommunikation wird gearbeitet. Bis Mitte der neunziger Jahre soll die Informationsübertragung bundesweit auf einen Nenner gebracht werden. Diese Bemühungen täuschen indes leicht über das Chaos in Europa hinweg. "Da die Flugsicherung hoheitlich geregelt ist, kocht jedes Land sein eigenes Süppchen", beklagt Uwe Holzwig, Pressesprecher bei der Pilotenvereinigung "Cockpit" in Frankfurt. Die Flugzeuge würden immer noch per Telefon über die Ländergrenzen "gereicht" .

Zwar gibt es Bestrebungen, eine europäische Einigung zu erzielen, doch "die Verhandlungen zwischen den Nationen verlaufen sehr zäh und haben bislang recht wenig konkrete Ergebnisse gezeigt", urteilt BFF-Spezialist Lafferton. Jedes Land versuche, Aufträge für die einheimische Industrie zu ergattern. "Die Vertreter der einzelnen Länder reden zwar alle miteinander. Aber das ist nur eine Versuchswiese. Am Ende geben nationale Interessen den Ausschlag, weil die Vorhaben aus Steuern finanziert werden", meint auch CSID-Geschäftsführer Roth. Keine Ausnahme macht da die Bundesrepublik, die den bundesdeutschen Konzern AEG mit der Reorganisation der Datenübertragung im Wert von rund 15 Millionen Mark beauftragt hat. Bis die europäischen Nationen sich in der Datenkommunikation auf einen Standard geeinigt haben, wird das Telefon weiterhin wichtigstes Medium bleiben.