Elektronische Systeme ermöglichen mehr Transparenz

Flexible Arbeitszeitmodelle motivieren die Mitarbeiter

14.07.2000
MÜNCHEN (CW) - Tarifverträge, die einheitliche Arbeitszeiten für ganze Branchen festlegen, werden bald der Vergangenheit angehören - diese Prognose stellt Michael Pfeffer, Vorstand der Timesys AG, Düsseldorf. An ihre Stelle treten flexible Arbeitszeiten, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerechter werden.

In acht Thesen illustriert Pfeffer die fortschreitende Flexibilisierung, zu der nicht zuletzt innovative, elektronische Zeit-Management-Systeme beitragen.

Individualisierung: Die zunehmende Zeitorientierung von Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Gesetzen wird sich fortsetzen. Im Extremfall geht diese Entwicklung dahin, dass jede Führungskraft mit ihren Mitarbeitern individuelle Arbeitszeiten vereinbaren wird. Zu den zentralen Aufgaben des Personal-Managements gehört dann das Messen dieser Zeiten mit Blick auf eine angemessene Vergütung sowie die Planung des Personaleinsatzes. Hier ist ein Ausgleich zwischen maximaler Zeitsouveränität sowie optimaler Bedarfsdeckung notwendig. Dieser entsteht durch die genaue Absprache mit der Führungskraft und innerhalb des Arbeitsteams sowie mit Hilfe elektronischer Systeme.

Flexibilisierung: Flexible Arbeitszeiten gelten derzeit - nach einer Studie des Kölner ISO-Instituts zur Erforschung sozialer Chancen - für 85 Prozent der Beschäftigten in Deutschland. Vor zehn Jahren hatte der Anteil der Mitarbeiter, für die die tarifliche Regelarbeitszeit galt, noch bei 76 Prozent gelegen. Und es ist wenig mehr als 30 Jahre her, dass die Bölkow GmbH, Ottobrunn bei München, als erstes deutsches Unternehmen überhaupt die gleitende Arbeitszeit einführte.

Immer mehr Unternehmen erkennen, dass es betriebswirtschaftlich und personalpolitisch außerordentlich sinnvoll ist, flexible Arbeitszeitregelungen zu entwickeln und einzuführen. Auch die Beschäftigten haben die Vorteile der Flexibilisierung für sich entdeckt. Eine Studie zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen fand heraus: Jeder Dritte der knapp 13000 Befragten würde zumindest hin und wieder zu Hause arbeiten, jeder Fünfte gern flexible Arrangements mit dem Betrieb treffen und jeder Achte blockartig zwischen Vollarbeit und Freizeit wechseln.

Gegenwärtig gibt es einen Trend, bei dem Flexzeit-Modelle ohne Kernzeit die feste Gleitzeit ersetzen: Es ist dem Einzelnen oder dem Team überlassen, in gegenseitigem Einvernehmen die Arbeitszeit festzulegen.

Komplexität: Von 1989 bis 1999 hat sich nach Beobachtung des ISO-Instituts die Teilzeitarbeit in Deutschland von 15 auf 20 Prozent erhöht. Doch die Flexibilisierungswünsche der Arbeitnehmer liegen immer noch über dem Angebot: 25 Prozent aller Beschäftigten wünschen sich bei entsprechender Verdiensteinbuße eine wöchentliche Arbeitszeit unter 35 Stunden.

Auch frühere Vorurteile gegenüber dieser Beschäftigungsform - sie sei nur etwas für Frauen oder weniger Qualifizierte - haben heute kein Gewicht mehr. Eine Studie der McGill University in Montreal/Kanada, bei der die Karrieren von 87 Managern in 45 Unternehmen über zwei Jahre hinweg verfolgt wurden, weist nach, dass 35 Prozent trotz Teilzeit befördert wurden. Auch die Neuregelung der Familienpause wird dazu beitragen, Teilzeitarbeit für Männer und in höheren Positionen beliebter zu machen.

Lebensarbeitszeit: In den letzten 20 Jahren lässt sich ein Wandel weg von hochstandardisierten und stabilen Lebensverläufen hin zu flexibleren, diskontinuierlicheren und in stärkerem Maße individualisierten Lebenslaufmustern beobachten. Diese Pluralisierung der Lebensformen hat mit zeitlicher Verzögerung auch die Biografien des Arbeitslebens verändert. War es früher üblich, mit der Ausbildung in ein Unternehmen einzutreten und dort bis zur Rente zu bleiben, streben mittlerweile weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber diese Dauerhaftigkeit unbedingt an.

Stattdessen bestimmen Begriffe wie "Zeitsouveränität" und "Zeitwohlstand" die Diskussion. Gemeint ist damit, dass die Arbeitszeiten auch über längere Zeiträume hinweg stärker mit den Bedürfnissen der Menschen in bestimmten Lebensphasen in Einklang gebracht werden sollen - mit der Konsequenz, die Arbeitszeit ungleichmäßig über das Berufsleben zu verteilen.

Diese flexiblen Lebensarbeitszeitmodelle ermöglichen nicht nur zeitweilige Unterbrechungen oder Reduzierungen in bestimmten Lebensabschnitten - etwa für die Kindererziehung, den Langzeiturlaub oder für den Hausbau. Hier ist es möglich, die Differenz zwischen vereinbarter und tatsächlicher Arbeitszeit auf einem Zeitsparkonto zu verbuchen und ohne Einkommenseinbußen zu regulieren.

Kontierung: 37 Prozent der Beschäftigten haben mittlerweile Arbeitszeitkonten: vom klassischen Gleitzeit- über das Ampelmodell bis hin zum Überlauf- oder Lebenszeitmodell. Ihnen gemeinsam ist, dass die Zeit wie bei einem Girokonto angespart oder kreditiert und durch den Arbeitnehmer selbständig eingesetzt werden kann.

Je nach Modell variieren der Umfang und die Fristen beziehungsweise die Umrechnung der Zeitguthaben. Bei fortschrittlichen Modellen erhöhen Mehrarbeitszeit, Sonderschichten, nicht beanspruchter Urlaub sowie in Zeit umgerechnete Gehaltszuwächse den Kontostand. Eine begrenzte Teilzeitbeschäftigung oder eine längere Pause im Berufsleben hingegen reduzieren den Kontostand. So wird das Arbeitszeitkonto mehr und mehr zum eigentlichen Vergütungsfaktor. Hierzu tragen auch gesetzliche Neuregelungen wie die Insolvenzversicherung von Zeitguthaben oder die Verzinsung und Vererbbarkeit von Ansparguthaben bei.

Flexible Zeitgestaltung: Modernes Zeit-Management ist ein Informationsinstrument und dient in erster Linie der Abrechnung, Information und Personalplanung. Es ist in moderne Client-Server-Infrastrukturen eingebunden und für jeden Berechtigten zugänglich. Elektronisches Zeit-Management und die weitgehend selbständige Aufgabenerledigung bei freier Arbeitszeitgestaltung schließen sich nicht aus. Mitarbeiter und Führungskraft vereinbaren in einem definierten Zeitraum Aufgaben oder legen Projektziele fest. Die Mitarbeiter können dann an einem Info-Terminal ihre Daten eingeben. Die jeweilige Führungskraft prüft, ergänzt und gibt sie dann durch elektronische Signatur frei.

Zeit statt Geld: Erstmals lag 1999 der Anteil der durch Freizeit abgegoltenen Überstunden über der bezahlten Mehrarbeit. Mit Hilfe von Zeitkonten ist es besser möglich, saisonale oder auftragsbezogene Schwankungen bei Beibehaltung einer stabilen Beschäftigung sowie gleichmäßiger Bezüge auszugleichen. Doch die Kompensation von Mehrarbeit ist nur der erste Schritt. Die Entkoppelung von Zeiteinsatz und sofortigem finanziellem Ausgleich schafft Spielräume für neue Formen der sozialen Sicherung und der Beteiligung von Arbeitnehmern am Betriebsvermögen. Konkretes Beispiel hierfür ist dasZeitwertpapier der Volkswagen AG.

Elektronisierung: Lange Zeit hielt die Stechuhr die täglichen Arbeitszeiten der Beschäftigten fest - entsprechend umständlich war das Führen der Arbeitszeitkonten. Diese Aufgabe haben inzwischen elektronische Zeit-Management-Systeme übernommen: Sie leiten die an einem Terminal per Transponder oder Chipkarte erfassten Arbeitszeiten an ein Computersystem weiter, wo sie verwaltet werden. Dieser Fortschritt spart den Betrieben nicht nur Kosten - auch die Mitarbeiter empfinden die elektronische Erfassung und jederzeit aktuelle und am PC einsehbare Verwaltung ihrer Arbeitszeit als gerechter und fühlen sich motivierter.