Firmeninternes Fernsehen in Großunternehmen und im Mittelstand

Firmen-TV: Spagat zwischen Hollywood und Schulbank

12.09.1997

Das Thema Business-TV ist nicht neu. Schon in den siebziger Jahren startete Philips ein Programm, um Mitarbeiter via Fernsehen über firmeneigene Belange zu informieren. Damals - die Bezeichnung Business-TV war noch nicht geboren - verschickte der Elektronikkonzern noch Videokassetten über den Postweg an die Filialen. Das Projekt wurde nach einiger Zeit aus zwei Gründen wieder eingestellt: Die Informationen gelangten zu langsam zum Ziel, und die Kosten liefen aus dem Ruder.

Einen Schub hat das Thema nun durch die Digitalisierung und die neuen, etablierten Kompressionsverfahren bekommen, so daß sich Daten und Bilder schneller und günstiger übertragen lassen.

Bei der Einführung der Technik leisten externe Berater Hebammendienste, so daß der Kanal in der Folge ohne System-Know-how auskommt. Steht das System, betreiben die großen Anwender meistens eigene Studios für Fernsehproduktionen. Kleinere Unternehmen aus dem Mittelstand können dagegen weiterhin auf externe Dienstleister zurückgreifen. Außerdem liefern unzählige Satellitennetze ausreichende und bezahlbare Übertragungskapazitäten. Aufhorchen lassen dürfte potentielle Nachahmer vor allem die überwiegend guten Erfahrungen hiesiger Pioniere.

Klare Daten, die den Einsatz das Corporate TV - so eine der Bezeichnungen - rechtfertigen, präsentierte auf einem von Communic veranstalteten Kongreß Michael Broßmann, Leiter Medien, Modellcenter, Infrastruktur bei Mercedes Benz in Stuttgart. Der Schwerpunkt des hausinternen Business-TV-Projekts "Akubis" liegt auf Schulungsmaßnahmen.

Bei der Einführung der Modelle der A-Klasse konnten 4800 Mercedes-Mitarbeiter innerhalb von 16 Tagen mit Hilfe der Akubis-Infrastruktur zu Themen rund um den neuen Wagen geschult werden. "Mit herkömmlichen Methoden hätten wir weit über 200 Tage einplanen müssen", beziffert Broßmann die Zeitersparnis.

Viel Wert legte Mercedes-Benz bei der Gestaltung des Fernsehkanals darauf, daß es sich für jedermann erkennbar um ein Schulungsinstrument und nicht um einen Unterhaltungskanal handelt. Die Teilnehmer werden in Gruppen an den jeweiligen Standorten eingeladen, finden dort vorgefertigte Unterlagen vor und haben zwischen den Sendungen Zeit, das Erlernte zu vertiefen. Von der Zentrale aus vermittelt ein Fachmann die Lerninhalte an die Techniker und Vertriebsmitarbeiter in den Niederlassungen, die während der Sendung Fragen stellen können.

Interaktivität oft nicht genutzt

Interaktivität ist ein wichtiger Bestandteil des Business-TV und wird heute überwiegend über Telefon und ISDN-Leitungen hergestellt. Einige Satelliten-Provider planen auch, einen Rückkanal über den Orbit einzurichten. Auch wenn Interaktivität nicht immer erforderlich ist, wird sie dennoch meistens genutzt, damit die Kommunikation nicht in eine Einbahnstraße läuft.

Unternehmen wie die Deutsche Telekom, die Commerzbank, Karstadt oder BASF betreiben eigene Fernsehkanäle, die keine Interaktivität erfordert, dennoch ist sie häufig installiert. Sie nutzen das Business-TV, um ihre Mitarbeiter zeitgleich und schnell über aktuelle, unternehmensinterne Entwicklungen zu informieren. Außerdem werden definierte Zielgruppen über neue Produkte, Verkaufszahlen und Marketing-Aktionen in Kenntnis gesetzt. Zu festen Sendezeiten werden Nachrichten, Grußworte vom Vorstandsvorsitzenden und Diskussionsrunden ausgestrahlt.

Alternativ dazu arbeiten Hersteller und Anwender daran, Video-Streams via Satellit an die Niederlassungen zu verteilen und dort über die bestehenden Netze auf die PCs zu überspielen. Die Anwender können die Bewegtbilder dann am Rechner zu beliebigen Zeiten abrufen.

Werden etwa Verkaufszahlen oder Schulungen ausgestrahlt, lassen sich Internet und Intranet in den Kommunikationsprozeß einbinden. Dort sind auch Daten zu deponieren, die eine TV-Sendung ergänzen. Als Ersatz für die Satellitenübertragung von Live-Bildern und -Sendungen ist das Netz der Netze derzeit jedoch noch nicht reif genug.

Die angeführten Beispiele zeigen, welcher Unternehmenstyp heute auf Business-TV setzt. Immer sind es große und stark filialisierte Konzerne mit vielen Mitarbeitern. Insgesamt nutzen nur rund ein Dutzend deutsche Großunternehmen Business-TV, in den USA sind es dagegen bereits mehr als 200. Unter den Dienstleistern, die sich im Markt für Corporate-TV tummeln, herrscht keine einhellige Meinung über die künftigen Zielgruppen.

"Nur die 200 großen Unternehmen Deutschlands sind tendenziell interessant", schränkt etwa Wolfgang Schäfer, Geschäftsführer der Dr. Jäger Management-Beratung in Königstein im Taunus und Professor an der Fachhochschule in Wiesbaden, die potentielle Klientel ein. Seinen Einschätzungen zufolge werden ein Viertel dieser Unternehmen im Durchschnitt rund zehn Millionen Mark für das interne Fernsehen ausgeben.

Doch es gibt auch Vertreter, die den Mittelstand adressieren, allerdings weniger zur Mitarbeitermotivation (das wäre für kleine Unternehmen unwirtschaftlich), sondern hauptsächlich zu Schulungszwecken. Aber auch hier rechnet sich der Unterhalt eines eigenen TV-Netzes nur, wenn der Betrieb viele Niederlassungen hat und Mitarbeiter regelmäßig zu Schulungen einlädt. Die Fortbildung über einen Fernseher hilft in solchen Fällen Reise- sowie Übernachtungskosten sparen und minimiert den Arbeitszeitausfall. Damit die Kosten nicht ausufern, können Schulungsräume bedarfsweise angemietet werden. "Es muß auch nicht immer das eigene Studio sein", meint Hans Joachim Turowsky, Geschäftsführer der BTI Business TV International GmbH, Hamburg. "Erst wenn 80 Sendungen und mehr pro Jahr geplant sind, lohnt es sich, eigene Kapazitäten einzurichten."

Beschränkt sich das Programm auf Schulungen, lassen sich Modellrechnungen anstellen, die über das Für und Wider von Business-TV entscheiden. Geht es dagegen um so abstrakte Ziele wie Mitarbeitermotivation oder -information ist die Wirtschaftlichkeit der Installationen nur schwer zu bemessen. Wie etwa soll der Con- troller in den Büchern festhalten, wenn ein Mitarbeiter über das Produktportfolio bestens informiert ist und Kunden effektiver berät? Wie ist die vielbeschworene, mit dem neudeutschen Wort umschriebene "Corporate Identity" zu bewerten?

Doch damit endet der Katalog der unbeantworteten Fragen nicht. Da wäre das Problem, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die Fachleute im Hause verfügen über das erforderliche Know-how, haben aber selten Erfahrungen damit, ihr Wissen vor der Kamera zu präsentieren. Umgekehrt fällt es eingekauften TV-Machern schwer, Fachthemen oder das ihnen fremde Unternehmen und dessen Kultur glaubhaft darzustellen.

Schnell kann das firmeneigene TV auch zur Lachnummer werden, wenn Inhalte nicht professionell und authentisch dargestellt werden. Die Mitarbeiter sind durch öffentliche und private Fernsehsender verwöhnt und werden das interne Programm immer an den Shows von Schreinemakers und Co. messen. "Das kommerzielle Fernsehen hat sich von der Lehre entfernt", kritisiert Turowsky etwa Defizite des Pantoffelkinos bei der Vermittlung von Wissen. Dennoch müsse man Stilbrüche zwischen beiden Formen des TV vermeiden.

Business-TV kostet einiges

Neben solchen Fragen der Umsetzung sind auch organisatorische Details zu klären. Der Fernsehkanal sollte alle Bereiche des Konzerns erreichen. In stark dezentral organisierten Unternehmen, so die Erfahrung von Fachhochschulprofessor Jäger, ist es jedoch schwer, eine für die Gesamtlösung verantwortliche Instanz zu finden. Sind die Niederlassungen und Unternehmensbereiche zudem als selbstbestimmte Einheiten organisiert, müssen Schnittstellen zwischen dem Management inklusive Betriebsrat installiert werden, denn häufig gibt es Vorbehalte gegenüber neuen Kommunikationsformen.

Angesichts dieses Katalogs ungelöster Fragen ist es wenig verwunderlich, daß Business-TV bislang nur selten den Weg in die Unternehmen gefunden hat. Denn trotz neuer Techniken wie Digitalisierung und Kompressionsverfahren sowie ausreichender Satellitenkapazitäten ist Business-TV keine billige Form der Kommunikation.