Externe und interne Ausbilder werben um die Gunst des PC-Anwenders

Firmen stuetzen sich auf das DV-Know-how im Fachbereich

18.02.1994

PCs und Standardprogramme fuehren zu einem steigenden Schulungsbedarf der Anwender, der meist von externen Anbietern gedeckt wird. Die Ausbilder, ob vom hauseigenen Benutzerservice oder vom Schulungsunternehmen, bekommen dabei vom DV-Management wohlgelittene Konkurrenz: Freaks aus den Fachabteilungen uebernehmen das Kollegentraining.

Die PC-Welle sowie der damit verbundene Einsatz von Standardsoftware erhoehen in den Unternehmen den Bedarf an DV- Weiterbildung fuer die Endbenutzer. Anwendersoftware fuehrt deshalb eine Rangliste der am haeufigsten gewuenschten Kursthemen an, die die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) im Rahmen des EU- Programms Force (Formation Continue en Europe) zusammen mit der Muenchner Sinus GmbH, Gesellschaft fuer Sozialforschung und Marktforschung als Ergebnis einer Untersuchung erstellte. Die starke Nachfrage nach Know-how-Ausbau in bezug auf Applikationen soll der Studie zufolge mindestens bis 1995 anhalten.

Parallel zu dieser Entwicklung hat sich das Prozedere der Benutzerausbildung in den Unternehmen veraendert. Bei den meist Host-orientierten Individualapplikationen werden die Anwender in der Regel von den Programmierern ausgebildet. Die Schulung in PC- Software und anderen Standardprogrammen koennen dagegen ausser internen Fachleuten auch externe Spezialisten durchfuehren. Dieses Spektrum an Moeglichkeiten nutzen die Unternehmen aus. Rund 45 Prozent der Befragten nehmen laut SNI fuer die Schulung in Anwendungssoftware externe Unternehmen in Anspruch, rund 24 Prozent verlassen sich auf eigene Mitarbeiter, und weitere 23 Prozent greifen der europaweiten Untersuchung zufolge sowohl auf interne als auch auf externe Ressourcen zurueck.

Welche Unterrichtsmethoden eingesetzt werden, haengt von den zur Verfuegung stehenden Mitteln und der Anzahl der zu schulenden Teilnehmer ab, beobachtet Horst Wollmann, der als Berater bei der Integrata AG taetig ist und oft mit diesem Thema konfrontiert wird (siehe Seite 39).

Zum einen lassen sich die Anwender mit Hilfe des Benutzerservice unterweisen. Zum anderen koennen externe Schulungsunternehmen im Betrieb oder, bei fehlender Infrastruktur, in den Raeumen des Instituts die Ausbildung uebernehmen. Das Angebot umfasst meist firmenspezifische und allgemeine Kurse.

Erstes Ziel ist immer die Inhouse-Schulung

Die Westfaelische Hypothekenbank (Westhyp), Dortmund, legt aus Kapazitaets- und Kostengruenden die PC-Schulung in externe Haende, wobei abhaengig von der zu erlernenden Software entweder Firmenschulungen durchgefuehrt oder Standardkurse besucht werden. "Unser erstes Ziel ist es, ein Firmenseminar zu veranstalten - aus Kostengruenden, und weil man auf die Belange des Unternehmens eingehen kann. Andernfalls suchen wir einen Anbieter, der ein passendes Standardseminar anbietet", erklaert Michael Krichel, stellvertretender Abteilungsdirektor der Abteilung Org./DV. Auf die Anforderungen des Unternehmens zugeschnittene Schulungen rechnen sich laut Krichel bereits ab vier Teilnehmern. Die Gruppengroesse liegt bei dem Finanzdienstleister deshalb in der Regel zwischen vier und zehn Benutzern.

Am freien Markt fuer die Vermittlung von DV-Know-how bedient sich auch Dietrich Lueben, Leiter Buerokommunikation (BK) beim ADAC e.V. in Muenchen, allerdings nur bei als zweitrangig beurteilten PC- Anwendungen wie einer Tabellenkalkulation. Fuer die Benutzung wichtiger Programme wie Textverarbeitung oder Datenbanken erhalten die Anwender das noetige Ruestzeug im hauseigenen Schulungsraum. Lueben greift sowohl auf den ADAC-Benutzerservice als auch auf externe Anbieter zurueck. "Wir haben im Haus eine Abteilung Schulung und Information, die externe Schulungen organisiert. Es besteht ein Rahmenvertrag mit einem Schulungsanbieter ueber eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr", erklaert der BK-Spezialist. "Darueber hinaus sehen wir uns frei am Markt um."

Die Auswahl an Schulungsanbietern ist gross. Hochglanzbroschueren reichen fuer Herbert Bieker, DV-Leiter der Aachener Tuchfabrik Josef Koenigsberger GmbH, als Entscheidungsgrundlage allerdings nicht aus, wenn er eine Schulung ausnahmsweise nicht beim Produktlieferanten einkauft. "Es muss sich schon um ein renommiertes Unternehmen handeln", sagt Bieker. In der Regel greifen die Kunden auf Anbieter zurueck, mit denen sie bereits positive Erfahrungen gesammelt haben. Unisono fuehren die DV- Verantwortlichen als wichtigen Punkt die Praesenz vor Ort an. "Reisekosten spielen eine Rolle", begruendet Westhyp-Mann Krichel. Eine Ausnahme bilden fachspezifische Kurse fuer DV-Profis. Hier genehmigen die Unternehmen bei Bedarf auch die Reise zu einem entfernten Veranstaltungsort.

Ausbilder muss Probleme des Anwenders begreifen

Trotz offenkundigen Kostenbewusstseins wird das Kursmenue fuer die PC-Anwender keineswegs von Kuechenmeister Schmalhans zusammengestellt. So sind sich die Verantwortlichen in den Unternehmen der SNI-Umfrage zufolge bewusst, dass Weiterbildung notwendig ist, auch wenn sie Geld kostet. 48 Prozent der befragten Unternehmen rechnen sogar mit etwas steigenden Ausgaben, begruendet in der hoeheren Benutzerzahl. "Bei uns wird noch nicht gestrichen, weder am Budget noch an den Schulungen", erklaert Krichel.

Fuer die Schulung durch den Benutzerservice sprechen laut BK-Chef Lueben viele Gruende, wobei Kosten-Nutzen-Betrachtungen aus seiner Sicht nicht ausschlaggebend sind. "Es gibt Faktoren, die nicht mit Geld aufzuwiegen sind", argumentiert der DV-Fachmann. "Arbeitsorganisatorische Probleme der Fachbereiche werden erkennbar, die Benutzer ansonsten nicht artikulieren." Ausserdem verstaerke sich der Kontakt zwischen den Mitarbeitern des Benutzerservice und den Usern. Lueben: "Der Benutzerservice ist haeufig technologieorientiert. Die Mitarbeiter muessen aber die Probleme der Anwender begreifen."

Multiplikatoren bleiben weiterhin in der Minderheit

Diese Vorteile schlagen sich aus seiner Sicht nicht unbedingt in hoeheren Ausgaben nieder - im Gegenteil. Bei einem extern veranstalteten dreitaegigen Kurs, der aus 20 Teilnehmern besteht, entstehen Leerzeiten, wenn der Trainer auf einzelne Problemfaelle eingeht. "Wir schaffen das gleiche Lernziel in zwei Tagen. Das reduziert die Gesamtkosten. Ausserdem betragen die Ausfallzeiten der Mitarbeiter einen Tag weniger", verdeutlicht Lueben. Voraussetzung fuer die Ausbildung durch eigene Mitarbeiter ist allerdings eine personell ausreichend ausgestattete Benutzerservice-Abteilung.

Der Benutzerservice stellt jedoch nicht die einzige Moeglichkeit dar, Inhouse-Ressourcen zur Anwenderschulung zu nutzen. PC-kundige Mitarbeiter aus den Fachbereichen uebernehmen zunehmend einen wichtigen Part. Der ADAC setzt zum Beispiel in den Geschaeftsstellen auf dort taetige Mitarbeiter, die in einer Nebenfunktion ihre Kollegen im Umgang mit der DV unterrichten. Solche Multiplikatoren tragen zur Schonung des Weiterbildungsbudgets bei. "Ich setze voraus, dass geschulte Mitarbeiter ihr Wissen an andere weitergeben", erklaert DV-Manager Bieker. Er forciert diesen Know-how-Transfer sogar. "Wenn jemand einen Kurs besucht hat, wird er gezielt jemandem beiseite gestellt, der diese Faehigkeiten auch benoetigt. Sonst steigen die Schulungskosten ins Unermessliche."

Vermitteln Fachkollegen den Nutzern die erforderlichen DV- Kenntnisse, sind die Kosten fuer das Unternehmen allerdings schwerer erfassbar als bei einer offiziellen Ausbildung. Ausserdem besteht die Gefahr, dass die freiwilligen DV-Trainer ihre eigentliche Taetigkeit vernachlaessigen. "Ein Unternehmen hat diese informellen Kontakte jedoch nicht unter Kontrolle", weiss Willi Wittstadt von der Esslinger Hengstenberg KG. Der DV-Leiter ist sich der damit verbundenen Probleme zwar bewusst, steht der Tutorfunktion aber positiv gegenueber. "Wenn dadurch der eine oder andere Kurs flachfaellt und derjenige nicht seine eigentliche Arbeit liegenlaesst, spricht nichts dagegen, dass ein Freak einem Kollegen erklaert, wie etwas funktioniert."

Wie bei externen Trainern sind allerdings auch beim Benutzerservice und bei den Multiplikatoren didaktische Faehigkeiten erforderlich. Hier fehlt bei den Unternehmen offenbar noch das Bewusstsein. Die EU-Studie kommt zu dem Schluss, dass die 497 Befragten der Ausbildung von Multiplikatoren nur einen geringen Stellenwert einraeumen, der sich auch bis 1995 nicht verbessert.