PDL für Design und Dokumentation:

Faulheit des Programmierers berücksichtigt

09.05.1980

AACHEN - "Jeder, der sich im EDV-Geschäft auskennt, weiß um die abgrundtiefen Gletscherspalten, die sich zwischen Design, Programmcode und Dokumentation auftun", umreißt Dr. Ernst Samens, Leiter des Geschäftsbereiches Minicomputer der Sperry Univac, die Situation, die zur Einführung eines Design-Werkzeuges Anlaß gab. Im "Systemhaus Minicomputer" wurde schließlich PDL (Program Design Language) von der Gesellschaft für elektronische Datenverarbeitung (GEI) eingeführt. Über seine Erfahrungen berichtet Samens.

Es sind schon oft Versuche unternommen worden, eine Brücke zur Überwindung der Kluften zu zimmern, doch entweder entstand ein formalistisches Konglomerat, das niemand außer dem Schöpfer so richtig verstanden hat, oder es artete in Zeichenarbeit aus - einer Tätigkeit, die allgemein von den Programmierern nicht sehr geschätzt wird. Das Resultat war entsprechend: in einer stillen Ecke schlummerte das total veraltete Programmdesign, ohne jede Beziehung zum lauffähigen Code, und die Programmdokumentation wurde - wenn

Überhaupt - erst Monate nach der Inbetriebnahme fertig.

Um in dieses Chaos Ordnung zu bringen, wurde Anfang 1979 in Sperry Univacs Systemhaus Aachen PDL eingeführt. Die Sprache, die in Fortran programmiert ist, läßt sich auf jedem System installieren und ist innerhalb eines halben Tages erlernbar. Es gibt nur wenige Begriffe, die in der Designphase anzuwenden sind, ansonsten wird mit Fließtext gearbeitet. Die Lesbarkeit durch den Manager oder, in unserem Fall, den Kunden, ist durch die natürliche deutsche Sprache gewährleistet, in der das Design geschrieben wird.

Das fertig programmierte Design liefert nicht nur die Diskussionsgrundlage für eine Überarbeitung des Pflichtenheftes sowie eine Anleitung für das Coding, sondern dient gleichzeitig als Kommentar zu den einzelnen Schritten des fertigen Programms. Wird an einem bestehenden Programm oder aber in der Erstellungsphase eine Änderung vorgenommen, so ändert der Programmierer gleichzeitig die PDL-Kommentarzeile.

Zur effektiven Unterstützung des "Software Life Cycle" durch PDL wurden im Systemhaus noch zwei -Prozessoren entwickelt:

- der Preprozessor macht aus einem PDL-Entwurf Kommentarzeilen, zwischen die der betreffende Programmcode eingefügt wird;

- der Postprozessor trennt diese PDL-spezifischen Kommentare vom Quellcode (bestehend aus PDL- und Programmcode), diese dienen als Eingangsdaten für die Erstellung der Dokumentation durch den PDL-Prozessor.

Wir kommen damit der natürlichen Faulheit des Programmierers entgegen, der nur noch auf einen File zugreifen muß, um Designprogramm, Dokumentation und Anwendungsprogramm immer auf dem selben Stand zu halten. Bislang mußte er Flußdiagramm, Beschreibung und Code separat ändern.

In den Anfängen gab es von unseren Mitarbeitern her einige Aversion gegen die Einführung des neuen Konzeptes. Sie waren die Arbeit mit Flußdiagrammen gewöhnt und versprachen sich nicht viel von einem Verzicht darauf. Nach etwas mehr als einem Jahr haben unsere Programmierer das System voll akzeptiert. Die Umstellung auf das Tool dauerte etwa drei bis vier Monate.

Die Designphase eine Projektes ist, zumindest in Relation zu Codierung und Test verlängert. Während bisher jeder Abschnitt etwa ein Drittel der Gesamtprojektzeit in Anspruch nahm, benötigt das Design jetzt verhältnismäßig viel mehr Zeit. Das Coding wird jedoch wesentlich vereinfacht und auch das Austesten benötigt wesentlich weniger Zeit. Beides findet seinen Niederschlag in einer Projektkostenersparnis, da die benötigte Maschinenzeit klein gehalten wird.

Als einzige Schwäche empfinde ich die Behandlung der Datenstrukturen durch PDL. Das Tool ist darin etwas schwach auf der Brust. Meines Wissens nach versucht GEI in einer überarbeiteten Version diesem Mangel abzuhelfen.