Fast vergessenes Mainframe-Monopol

27.04.1995

Dieter Eckbauer

Die IBM will wieder ein Unternehmen sein, das die IT-Branche beherrscht. Big-Blue-Chef Louis Gerstner sieht sich als Kapitaen, der einen leckgeschlagenen Riesenfrachter aus rauhen Gewaessern herausmanoevriert hat. Die Richtung stimme: Man sei Technologiefuehrer in nahezu allen Sparten, bei Prozessoren, bei Software, bei Netzwerken - eben keine der vielen "single-product companies", die zwar durchaus ueber "heisse Produkte" verfuegten, aber wahrscheinlich nach fuenf Jahren wie Meteoriten vergluehen wuerden. Gerstner verkniff es sich, Namen von Konkurrenten zu nennen; Compaq, Microsoft und einige andere PC-Rebellen wird er wohl im Hinterkopf gehabt haben.

Die Boerse reagierte auf die Bekanntgabe der neuesten IBM-Zahlen geradezu euphorisch (Seite 11). Gerstner und sein Finanzchef York kokettierten dagegen mit dem Understatement kampferprobter Sanierer: Man solle ihnen nicht zu frueh gratulieren, noch sei das endgueltige Comeback nicht gelungen. Das war so geschickt beifallheischend formuliert, dass fuer Aussenstehende nun kein Zweifel mehr am nachhaltigen IBM-Erfolg bestehen kann. So wird in Analystenkreisen bereits spekuliert, fuer welche Zwecke die IBM in ihre wieder gut gefuellte Kriegskasse greifen wird. Mit Kritik an seiner Firmenpolitik muss Gerstner momentan nicht rechnen.

Einige Einwaende sind gleichwohl unerlaesslich. Es ist leicht dahingesagt, die fuer viele unerwarteten Mainframe-Erfolge haetten IBM herausgerissen. Als abwertend gemeintes Statement ist diese Aussage fehl am Platze. Gerstner weiss selber, wo der Mainframe- Bartel den Most holt. Client-Server-Schmaeh laesst sich damit schon gar nicht begruenden, auch wenn die Versuchung gross ist. Weitsichtige IT-Chefs werden ihr widerstehen. Was stoert aufmerksame Beobachter dann an der Remake-Idylle, die Gerstner umgibt? Haben die IT-Chefs bei den grossen IBM-Kunden einen Meinungswandel zugunsten der Mainframes vollzogen? Oder ist das bestenfalls ein frommer Wunsch der IBM-Marketiers?

Ein interessanter Aspekt, der einer gewissen Ironie nicht entbehrt, koennte bei der Beurteilung der aktuellen IBM-Situation leicht uebersehen werden: Als es die Kartellbehoerde der US- Regierung in den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre darauf anlegte, Big Blue monopolistische Praktiken nachzuweisen, stiess sie bei ihren Nachforschungen gegen eine Gummiwand. Jetzt besitzt die IBM ein lupenreines Mainframe-Monopol, doch das scheint niemanden zu stoeren. Die MVS-Abhaengigkeit wird von den Grossanwendern hingenommen, fuer die Marktbeobachter handelt es sich um ein Nischenphaenomen. Na schoen, aber die IBM verdient gut daran, das muss man auch sehen. Fragt sich nur, wie lange noch.

Damit waeren wir beim Wenn und Aber, das Gerstner zu denken geben sollte. Bei den Boxen - und Multiprozessoren, sprich: Mainframes, bilden da im Prinzip keine Ausnahme - besteht eine Preistendenz in Richtung Hardware zum Nulltarif; das muss der "big-iron company" zu schaffen machen. Die IBM ist und bleibt doch eine Hardwarefirma, nicht wahr, Herr Gerstner?