Europa geht mit gutem Beispiel voran

Falotti will Ingres auch in den USA konkurrenzfähig machen

27.11.1992

CANNES (qua) - Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Präsident und Chief Executive Officer der ASK Group hat Pier Carlo Falotti jetzt auch die Leitung der ASK-Tochter Ingres übernommen. Eigen Aussagen zufolge will Falotti solange Ingres-Präsident bleiben, bis er durchgesetzt hat, was er sich vorgenommen hat: den Datenbank-Spezialisten auch in den USA zu einem ernsthaften Mitbewerber den Branchenprimus Oracle zu machen.

"In den USA nehmen die Analysten Ingres nicht mehr erst", spottete Rob Albers, Vice President European Operations beim Ingres-Konkurrenten Sybase, anläßlich einer Produktankündigung in München. Diese Aussage reflektiert allerdings nur einen Teil der Wahrheit: Während Ingres auf dem europäischen Markt für Workstation-basierte Datenbank-Management-Systeme nur knapp hinter Oracle liegt, belegt jenseits des Atlantiks Sybase unangefochten den zweiten Platz. Kehrseite der Medaille ist, daß Sybase 1991 nur jeden vierten der 159 Millionen Dollar Gesamtumsatz außerhalb der Vereinigten Staaten generierte, Ingres hingegen seine Vorjahreseinnahmen von 188 Millionen Dollar zu rund zwei Dritteln aus dem Exportgeschäft bezog.

Daß Ingres in den USA weniger erfolgreich operiert als in Europa, führt Falotti insbesondere darauf zurück, daß das Unternehmen mit Sitz in Alameda, Kalifornien, auf dem Heimatmarkt Fehler gemacht habe. Anläßlich einer Presseveranstaltung im südfranzösischen Cannes unterzog der frischgebackene Ingres-Präsident auch die Belegschaft der Softwareschmiede einer kritischen Würdigung: Er habe in den USA "enthusiastische", aber nichtsdestoweniger "naive" Mitarbeiter vorgefunden. In Europa konnte Ingres, so Falotti sinngemäß, Leute einstellen, die mehr von dem Produkt und seiner Vermarktung verstehen.

Mit einem deutlichen Signal hat der ehemalige Europa-Chef der Digital Equipment Corp. jetzt zur AufhoIjagd auf dem US-Markt geblasen. Michael Laven, seit 1990 im Rang eines Vice-Präsidenten für das Europa-Geschäft des DBMS-Anbieters verantwortlich, erhielt einen Ruf nach Alameda, von wo aus der studierte Anthropologe und Erzieher als Senior Vice President of Worldwide. Field Operations agieren soll. Wer das Ruder in Europa übernehmen wird, ist bislang noch nicht spruchreif.

Wie Laven ausführt, läßt sich das relativ gute Europa-Geschäft nicht zuletzt auf die Vertriebspartnerschaften mit Herstellern wie ICL, Olivetti und Siemens-Nixdorf zurückführen. Auch Falotti bezeichnet ein "Netz von Partnerunternehmen" als einen der kritischen Faktoren für den Erfolg im gegenwärtigen Softwaremarkt. In seiner Eigenschaft als ASK-Präsident zog er daraus die Konsequenz, eine Stabsstelle für strategische Allianzen und Unternehmensverbindungen einzurichten.

Als einen weiteren Erfolgsfaktor nennt Falotti die "Service Attitude" eines Unternehmens, also seine Fähigkeit, sich als Dienstleister zu begreifen und nach außen darzustellen. "Als typisches Ingenieur-Unternehmen haben wir hier noch eine Menge Arbeit vor uns", lautet die Selbsteinschätzung des Ingres-Chefs.

Konzernübergreifende Technologiezentrale

Last, but not least sieht Falotti den künftigen Erfolg des Unternehmens auch davon abhängen, ob die seit zwei Jahren zur ASK-Familie gehörende DBMS-Company von dem damals erhofften Synergie-Effekt profitieren kann. Immerhin hat er bereits eine konzernübergreifende Technologiezentrale installiert, die den Know-how-Transfer zwischen Ingres und dem Fertigungssoftware-Spezialisten ASK Computer Systems sowie - mit Einschränkungen - dem AS/400-Softwarehaus Data 3 fördern soll.