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Gravierende Meinungsverschiedenheiten beim zweiten nationalen IT-Gipfel

Fachkräftemangel - Politik und Wirtschaft spielen "Schwarzen Peter"

10.12.2007
Eigentlich wollten Politik und Wirtschaft ihren Schulterschluss demonstrieren, auf dem Weg Deutschlands in die Weltspitze der Hightech-Industrie.

Doch bei einem zentralen Thema des zweiten nationalen "IT-Gipfels", dem Fachkräftemangel, schoben sich Bundesregierung und Wirtschaft gegenseitig den "Schwarzen Peter" zu. Der Branchenforderung nach einer Lockerung des Zuwanderungsrechts für IT-Spezialisten erteilte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Hannover eine Absage. Vorrangig sei es, die heimischen Arbeitskräfte zu qualifizieren. Und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) forderte in deutlichen Worten, die Firmen müssten mehr ausbilden.

Es sei die "vornehmliche Aufgabe" der Wirtschaft, für guten Nachwuchs zu sorgen, sagte Glos. "Wenn wir jetzt alle Tore für Zuwanderung aufmachen würden, würden wir noch lange nicht das auf den Märkten finden, was wir speziell brauchen."

Die Wirtschaft aber schlägt Alarm. In der Hightech-Industrie fehlten rund 45.000 IT-Spezialisten, der Fachkräftemangel wirke wie eine Bremse für das Geschäft der Informations- und Kommunikationstechnologie. Der Branchenverband Bitkom fordert eine "Öffnung nach außen". Die Zuwanderung für IT-Spezialisten aus dem Nicht-EU-Ausland müsse gelockert werden.

Die Unternehmen bildeten längst genug aus, argumentiert der Bitkom. Gesucht aber würden vor allem hochqualifizierte Akademiker, insbesondere für Forschung und Entwicklung. Die Absolventenzahlen etwa bei Ingenieuren jedoch seien eingebrochen, die Abbrecherquote sei viel zu hoch. Notwendig sei ein Umdenken in der Bildungspolitik, sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Das starre Bildungssystem müsse aufgebrochen, der einzelne Schüler mehr gefördert werden, um mehr Begeisterung für Technik zu wecken.

Das alles aber sind langfristige Mammut-Aufgaben. Kurzfristig will die Branche mehr IT-Spezialisten aus dem Nicht-EU-Ausland ins Land holen können. Deutschland dürfe sich nicht "abschotten", forderte Scheer - und verwies auf die Innovationsschmiede Silicon Valley in Kalifornien. Nicht zuletzt IT-Spezialisten und Unternehmensgründer aus Zuwanderungsstaaten stünden für den dortigen Erfolg. Dies alles verpasse Deutschland, wenn die Zuwanderung hochqualifizierter junger Leute nicht gelockert werde. So will die Wirtschaft, dass die derzeit geltende Gehaltsgrenze von 85.000 Euro jährlich für hochqualifizierte Zuwanderer gesenkt wird.

Eine Milliarde Euro Umsatz zusätzlich pro Jahr gehe der Branche wegen des Fachkräftemangels verloren, weil Projekte nicht realisiert werden könnten - auf den ersten Blick nicht viel bei einem erwarteten Gesamtumsatz des Marktes von rund 148 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Hightech-Industrie aber fürchtet, international weiter den Anschluss zu verpassen - bei der Produktion in Deutschland zum Beispiel sei dies bereits der Fall. (dpa/tc)