Erfahrungsaustausch über Festpreisaufträge anläßlich des ersten Jahrestags des IPZ:

Externes Programmieren nach internen Vorgaben

13.02.1981

TÜBINGEN - Die Abwicklung von Festpreis - Programmieraufträgen ist eine der Haupteinnahmequellen des neuen Integrata - Programmierzentrums (IPZ) in Tübingen. Resümierte Integrata - Geschäftsführer Dr. Wolfgang Heilmann anläßlich des ersten Jahrestags der IPZ - Gründung und kurz vor der Gesamtabnahme eines großen Festpreis - Auftrags der Adam Opel AG augenzwinkernd: "Dieser Auftrag hat uns das Lehrgeld gekostet."

Heilmann spielte damit auf die fünf bis acht Prozent mehr Programmierzeit an, die das IPZ über die vorgesehenen 9000 Stunden hinaus für die Realisierung von Opels Auftragsbearbeitungspaket "Releasing" benötigte. Doch Schwierigkeiten irgendwelcher Art hat es dadurch nicht gegeben daran ließen die Vertreter des Hauses Opel und der Integrata keinen Zweifel. In Tübingen hatte man sich zusammengesetzt, um Erfahrungen aus dem Releasing-Großauftrag auszutauschen.

Projektleiter Lüder Lose, Chef der zehn IPZ-Beschäftigten, nannte als Klippen, die ein externer Softwareentwickler bei seiner Arbeit regelmäßig zu umschiffen habe: die kundenindividuelle Konfiguration, die Formulierung des Pflichtenhefts, die Einarbeitung in die jeweilige Aufgabe sowie die Kundenferne und die daraus resultierenden Kontakt - Defizite während der Projektarbeit.

Lose legt dar, in welcher Weise das IPZ diese Hemmnisse bewältigt. Sein Maßnahmenkatalog reichte von der Erstellung besonderer Simulations - Unterprogramme zur Angleichung an das beim Kunden gegebene Environment über die Einarbeitung in das anstehende Projekt direkt beim Kunden bis hin zur (relativ günstigen} Beschaffung qualifizierten Personals in der Universitätsstadt Tübingen.

Zu einem positiven Fazit nach der Abwicklung des Programmierauftrags kam Horst Uri, Opel - Abteilungsleiter DV - Systementwicklung. Termin- und Raumnot bei Opel sowie ein gewisser Mangel an TSO - Testbildschirmen, schilderte er, seien auf der einen Seite, ein akzeptables Ausschreibungsergebnis und eine tragfähige Vertrauensbasis auf der anderen Seite ausschlaggebend dafür gewesen, daß der Auftrag extern an Integrata vergeben wurde.

Die organisatorische Implementierung der " Fremdsoftware gestalte sich im eigenen Hause wenig schwierig, unterstrich Uri; denn Opel habe von Anfang an

- die Projektanforderungen denkbar exakt spezifiziert,

- Norm - Programmrahmen und Standards vorgegeben, um die Wartung im eigenen Haus durchführen zu können

- einen bestimmten Mitarbeiter intern mit der Projektverantwortung betraut und

- einen sukzessiven Know - how-Transfer sichergestellt, indem regelmäßige Treffs der Opel - Systemplanung und des betroffenen Fachbereichs mit dem Auftragnehmer stattfanden.

Eine gewisse Projektgröße, meinte Uri, sollte gegeben sein, um einen Auftrag an ein externes Haus vergeben zu können. Vor Auftragserteilung sollten aber auch solche Dinge klargestellt oder vorhanden sein - wie

- eine detaillierte Funktionsbeschreibung,

- ein Mengengerüst,

- Test- und Rechenzentrumsdaten,

- Projekteinteilung in abnehmbare Phasen und

- ein eindeutiges Vertragswerk.

Die Möglichkeit, noch bis zuletzt Softwareänderungen vorzunehmen, hielten sich die Vertragspartner des Releasing - Projekts dadurch offen, daß sie ein Plus - Minus - Konto einrichteten, auf dem Systemerweiterungen mit entsprechend wachsenden Systemvereinfachungen mit verminderten Projektkosten verbucht wurden (eine Einrichtung, die nach Uris unwidersprochener Darstellung Einvernehmen und zügiges, diszipliniertes Handeln erfordert).

Im Frühstadium der einzelnen Projektabschnitte, berichtete Uri, machten die Opel - Systementwickler mit den Kollegen im Fachbereich jeweils ein " Walk - through (unter Pseudocode - Hilfe) durch das betreffende Teilstück und kamen dabei zu derart günstigen Ergebnissen, daß dieses Verfahren jetzt auf europäische General Motors - Ebene ausgedehnt werden soll.

An Vorteilen eines externen Festpreisauftrags zählte Uri auf: Kosten bekannt, keine Projektadministration, Abbau von Belastungsspitzen, kein unzulässiges Body - Leasing, Disziplinierung der Fachabteilungen, neue Ideen und Methoden (Uri: "Blutauffrischung"). Uri nannte aber auch Nachteile. nachträgliche Änderungen im Prinzip problematisch, zeitraubender Postweg der Unterlagen, hohe Telefonkosten, spätes Erkennen - beim Auftraggeber - eventueller Softwarefehler (mit steigender Phasengröße immer gefahrenträchtiger), Kenntnismängel bei den externen, häufig als anonym empfundenen Programmierern, Mißstimmung bei den Programmierern "nur noch Wartung") .

Dieser letzte von Uri aufgezeigte Aspekt spiegele die "Normalisierung des Programmierer - Berufs" wider, meinte Franz Lanz, Abteilungsleiter im Stuttgarter Rechenzentrum Südwest. Es sei an der Zeit, zu erkennen, daß die Zukunft für den einfachen Programmierer fast nur noch Alltagsaufgaben wie die Instandhaltung von Software bereithalte, die Entwicklung neuer Systeme aber zunehmend auf "Software-Stars" übergehe, (die weitgehend in unabhängigen Softwarehäusern beschäftigt seien).

Wartungs - Programmierer

Lanz kam als Vertreter des Rechenzentrums Südwest, das an Integrata Großrechnerleistung per DFÜ liefert nach Tübingen. Die Stuttgarter arbeiten mit zwei 3033 - Anlagen (eine davon fast ausschließlich für Testzwecke) und 20 Milliarden Bytes Plattenkapazität, fahren MVS mit allen Compilern außer Fortran und werden demnächst APL installieren. Weitere Merkmale: CICS und ein "relativ gutes TSO - System mit zufriedenstellenden Antwortzeiten" - so Lanz - die man durch das Abschalten von VM erreicht habe.

Die heutige DV-Ausbildung sei falsch angelegt, bestätigte Heilmann Lanz' Betrachtungen zu den Anforderungen im Programmierer - Beruf; nicht neue Projekte, sondern Betreuungsarbeiten hätten in den Unterrichtsplänen mehr im Vordergrund zu stehen. Er kündigte in diesem Zusammenhang eine Untersuchung über die Organisation der Wartungsarbeiten in deutschen Großbetrieben an, die Integrata zusammen mit dem ADI - Verband und - wie er hofft - unterstützt von BMFT - Geldern demnächst durchführen wird.

Die in der Tübinger Runde illusionslos ausgesprochene Erkenntnis, daß auch in der Softwarewelt fünf Prozent Inspiration und 95 Prozent Transpiration die Arbeit ausmacher (werden), suchte Lose mit einem Beispiel aus der Automobilwirtschaft zu relativieren: Dort könne man trotz aller Variantenvielfalt nun einmal kein Auto mit Walmdach bestellen. Eine gewisse Normierung müsse es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geben, und Wartungsarbeiten seien für den Auto-Benutzer eine längst gewohnte Selbstverständlichkeit.

Zum Abschluß des Gedankenaustauschs über externe Software-Festpreisaufträge regte Uri an, über die Einführung eines Höchstpreis - Vertrags nachzudenken, der als mehrstufiger Festpreisauftrag nach Untersystemen ausgebildet werden könne.

Ein solcher Vertrag, erläuterte Uri, sichere den Auftraggeber finanziell nach oben ab in Fällen, wo ein größeres Projekt noch nicht klar überschaubar sei, andererseits aber keine weitere Zeit verloren werden dürfe. Dieser Vertragstypus komme letztlich auch dem Auftragnehmer zustatten, erlaube er doch erst vielfach die Erteilung eines Auftrags.

Einige Integrata - Zahlen (nach Hermann): 60 Mitarbeiter. zwölf Gesellschafter - neue willkommen -, 500 000 Mark Stammkapital, ein Platz unter den ersten zehn DV - Beratungs- und Softwarehäusern in Deutschland, Umsatz 1980 von vier auf knapp sechs Millionen Mark gestiegen, von diesem Zuwachs eine halbe Million Mark Einnahmen aus dem neuen IPZ.