Komplexität der Planung beschert erhebliche Probleme

Externe Beratung erleichtert dem Mittelstand die CIM-Realisierung

09.10.1992

Nach der Euphorie Mitte der 80er Jahre ist es still um CIM geworden. Doch nun nimmt das Interesse an rechnergestützten Synchronisationsstrategien für Ablauforganisation und Informationsverarbeitung wieder zu. Der mittelständische Fertigungsbetrieb ist aber nach wie vor mit der zur Einführung von CIM-Techniken notwendigen übergreifenden Beherrschung des Gesamtsystems Mensch-Organisation-Technik überfordert. Externe Beratung kann hier Abhilfe schaffen.

Eine grundlegende Änderung des Verständnisses von CIM sehen führende Marktbeobachter heute als die wesentliche Ursache für die neue Akzeptanz von CIM. Während zu den Geburtszeiten in den 80er Jahren das Augenmerk noch insbesondere auf der durchgängigen Automation durch Technik lag, steht jetzt die Straffung und Systematisierung innerbetrieblicher Informations- und Kommunikationsbeziehungen im Mittelpunkt. Konsequenz: Rationalisierungsanstrengungen verlagern sich vom Technikeinsatz auf die Gestaltung von Arbeitsorganisation und einhalten.

Bezeichnenderweise hat die Durchsetzung des Prinzips "Organisation vor Automation" aber weniger mit dem CIM-Markt selbst zu tun als mit Entwicklungen in zwei anderen Bereichen. Zum einen ließ sich die Frage der für CIM-Konzepte einzusetzenden Hardware- und Software-Komponenten durch Herausbildung von Standards und durch die Realisierung offener Systeme erheblich entschärfen. Für den Anwender besteht dadurch heute eine wesentlich größere Auswahlmöglichkeit unter vergleichbaren, verfügbaren und relativ leicht kombinierbaren Teilprodukten, was sich nicht zuletzt in schnellerer Einführung und erheblichen Anpassungs- und Preisvorteilen zu Buche schlägt.

Zum anderen hat die Realität des fernöstlichen Wettbewerbsvorsprungs klassische Produktionsformen und -schwerpunkte verlagert (siehe die generelle Neubewertung von Logistik und Just in time) oder gar neue Produktionsphilosophien geschaffen (hier insbesondere Lean Production). Dies verstärkt die innere Motivation zu einer fundamentalen Reorganisation bestehender Strukturen dramatisch, während der frühere Begründungszwang für die Einführung neuer und den Benutzer ängstigender Automationstechnologien an Bedeutung verliert.

Unabhängig von der damit entscheidend verbesserten Durchführbarkeit von CIM-Projekten leiden diese allerdings weiterhin unter einem ganzheitlichen Nutzenergebnis. Das größte Problem dabei ist, daß sich die Anforderungen für eine erfolgreiche Realisierung von CIM-Konzepten mehr und mehr auf den Prozeß der Planung und Einführung verlagern. Dieser muß sachlich wie zeitlich wesentlich aufwendiger gestaltet werden, als es bei herkömmlichen, technisch-organisatorischen Umstellungen notwendig war, um die größere Zahl von miteinander abzustimmenden Schritten abzuwickeln.

Die erste Aufgabe ist dabei die kritische Überprüfung, ob die gewachsenen Organisations- und Produktionsstrukturen der künftigen Markt- und Produktstrategie des Unternehmens noch angemessen sind. Dazu müssen diese Strategien natürlich mittels eindeutiger Zieldefinition geklärt und präzisiert sein, einschließlich einer klaren Beschreibung der fundamentalen Problemzonen.

An den Ergebnissen der vorangegangenen Analysen haben sich im zweiten Schritt die Planungen der zukünftigen Ablaufstrukturen zu orientieren. Über die Konzeption der funktionalen Betriebsorganisation hinaus wird dabei eine detaillierte Beschreibung von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen bis hinein in die konkreten Arbeitsinhalte, den Tätigkeitsumfang und die Qualifikationsanfordeungen des einzelnen Beschäftigten erforderlich sein.

Ausgehend von den grundlegenden Organisationsentscheidungen folgt schließlich die Realisierung des eigentlichen Techniksystem mit der Erstellung von Pflichtenheften, der Hardware- beziehungsweise Software-Auswahl und der Vorbereitung der zur CIM-Einführung erforderlichen technischen, organisatorischen sowie personalwirtschaftlichen Maßnahmen. Gleichzeitig sollte die notwendige Qualifizierung auf allen Ebenen so rechtzeitig beginnen, daß wesentliche Kompetenzen schon bei der Einführung zur Verfügung stehen und auch Such- sowie Lernprozesse oder Kurskorrekturen während der Implementationsphase noch möglich sind.

Schwierigkeiten sind vorhersehbar

Vor diesem Hintergrund läßt sich kaum von der Hand weisen, daß vor allem kleine und mittlere Anwendungsbetriebe durch die Komplexität der Planungsanforderungen vor erheblichen Schwierigkeiten stehen. Einfachster und immer noch sehr häufig anzutreffender Hinderungsgrund für die Einführung von CIM-Konzepten ist dabei das Fehlen einer ausgebildeten DV- und Organisationsstelle.

Doch selbst wenn eine solche Stelle inzwischen eingerichtet ist, lassen Alltagsbelastung und Ausbildungsstand der innerbetrieblichen DV-Experten meist wenig Spielraum für eine umfassende CIM-Realisierung. Allein im technischen Bereich ist dafür eine hohe Spezialkompetenz nötig, die sich - nicht zuletzt aufgrund der schnellen Marktentwicklung und der Viel zahl der benötigten Bausteine - nur durch permanente Konzentration auf dieses Thema erreichen läßt. Dies gilt erst recht für die praktische Erfahrung in der organisatorischen Durchführung von CIM-Projekten.

Um die gerade beschriebene Kompetenzschwäche zu beheben, bieten sich - zumindest theoretisch - zwei Möglichkeiten an: Die eine ist die Einrichtung, einer eigenen CIM-Stabsstelle, die sich beispielsweise aus bereits einige Jahre mit dem Unternehmen vertrauten DV-Mitarbeitern und neueingestellten Fachkräften mit CIM-Erfahrung zusammensetzen könnte. Die andere ist das Hinzuziehen externer, auf die Realisierung von CIM-Projekten spezialisierter Berater.

Interne oder externe Kompetenz

Der entscheidende Vorteil einer rein internen Lösung scheint dabei auf den ersten Blick in der größeren Anbieterneutralität zu liegen. Die eigenen Mitarbeiter, so die Meinung vieler potentieller CIM-Anwender, seien unabhängiger gegenüber den Anbieterinteressen, die ihren Erfolg vor allem in der Summe der umgesetzten Hardware- und Softwarekomponenten beimessen würden. Außerdem könne auch nur die langjährige innerbetriebliche Praxis eine genaue Kenntnis der spezifischen internen Strukturen gewährleisten, wie sie für eine individuelle Anpassung der CIM-Lösung erforderlich sei.

Insbesondere das Neutralitätsargument sorgte in der Vergangenheit mit Recht für Mißtrauen, weil sich in der Beraterszene einige wenige Scharlatane tummeln konnten. Mit der wachsen den Etablierung des CIM-Marktes wird man allerdings der überwiegenden Zahl der hier aktiven Berater die gleiche Seriosität unterstellen müssen, die im Bereich - der Rechts-, Steuer- oder Unternehmensberatung längst akzeptiert ist. Anders ausgedrückt: Wer mit der gleichen Sorgfalt an die Beraterauswahl geht, die er bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters für selbstverständlich hält, sollte heute Mißgriffe vermeiden können.

Auch die immer wieder bemängelte fehlende spezifische Betriebskenntnis des externen Beraters stellt bei näherem Hinsehen kein so großes Problem dar: Eine Betriebsorganisation in Betrieben ähnlicher Größenordnung aus ähnlichen Branchen funktioniert nach vergleichbaren Grundschemata. Noch vorhandene Unterschiede in gewissen Funktionen, die sich hier meist aus historischen Prozessen entwickelt haben, beeinflussen die generellen CIM-Ziele, Organisationskonzepte beziehungsweise technischen, Strukturen kaum. Außerdem lassen sie sich mit Hilfe des entsprechenden Moderations-Know-hows bereits in der Planungsphase auffangen. Die geringen Organisationsunterschiede rechtfertigen somit eine Abkehr vom Prinzip der StandardIösung mit vorsichtigen Erweiterungen hin zu unüberschaubaren, zeit- und kostenaufwendigen Einzellösungen nicht.

Kann die interne CIM-Stabsstelle im Vergleich zum Berater bereits bei der Planung und Einführung von CIM-Projekten keine wesentlichen Vorteile für sich verbuchen, so werden unter Berücksichtigung von Durchsetzungsaspekten die Vorteile einer externen Unterstützung deutlich.

Nahezu alle bisherigen CIM-Projekte zeigen nämlich, daß ein entscheidender Knackpunkt für den Erfolg in der Überwindung des unternehmensinternen Beharrungsvermögens gegenüber der notwendigen organisatorischen Aufkrustung besteht. Hier nimmt der Berater eine bessere Position ein, weil er sich von bestehenden Hierarchien oder anderen Beziehungen in der Regel nicht beeinflussen läßt.

Aus der zwangsläufig ausschließlichen Konzentration der CIM-Stabsstelle auf die innerbetrieblichen Bedingungen erwächst zusätzlich die Gefahr einer gewissen Betriebsblindheit. Langjährige Gewohnheiten und fehlende Erfahrungen beziehungsweise Vergleichsmöglichkeiten führen dazu, daß die objektiv notwendigen Organisationseinschnitte in einem weniger dringenden Licht erscheinen. Eine Kombination von interner und externer CIM-Kompetenz scheint daher sinnvoll, soll die umfangreiche CIM-Restrukturierung nicht zum insulären Reförmchen verkommen.