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Experte: Viele Dotcoms scheiterten am eigenen Wachstum

13.08.2001

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Viele Unternehmen der New Economy sind nach Ansicht des Münchner Organisationssoziologen Stefan Kühl vor allem an ihrem eigenen Wachstum gescheitert. In der Anfangsphase sei das ausgeprägte "Wir-Gefühl" als eingeschworene Gruppe die eigentliche Stärke dieser Firmen gewesen, sagte der Dozent für Industrie-, Arbeits- und Organisationssoziologie an der Universität München gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Bei Startups mit bis zu zehn Beschäftigten waren alle Mitarbeiter über alles informiert. Sie waren an allen Entscheidungsprozessen beteiligt", so Kühl. "Die Internetfirma funktionierte quasi wie eine Wohngemeinschaft." Mit wachsender Mitarbeiterzahl seien die Unternehmen aber gezwungen gewesen, hierarchische Organisationsstrukturen einzuführen. Spätestens dieser Übergang von Gruppenstrukturen zu Organisationen habe dann zum Ende des Mythos der Internetfirma geführt. "Nur solange die Firmen wie

eine Gruppe funktionierten, konnten sie sich als dynamisch und flexibel präsentieren", erläuterte Kühl.

Die darauf basierende schillernde Außendarstellung ihrer Geschäftsideen habe dafür gesorgt, dass viel Kapital in die Unternehmen geflossen sei. Die Firmen hätten sich deshalb vorrangig am Kapitalmarkt ausgerichtet. "Die Unternehmen mussten nicht Gewinn machen. Sie mussten nur den Geldnachfluss organisieren", sagte Kühl. Heute müssten sich die Dotcoms jedoch fast ausschließlich an Kriterien der Rentabilität und des Gewinns messen lassen, um überhaupt noch Geld von Investoren zu erhalten. Seiner Ansicht nach wird es den meisten Unternehmen allerdings nicht gelingen, sich schnell von ihrer bislang kapitalmarktorientierten Strategie auf die geforderte Profitabilität bei Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen umzustellen.