Kenntnis der Branche ist das Kapital dieser Jäger:

Executive Searchers steigen per Mikro ins Geschäft ein

03.05.1985

MÜNCHEN - Mit Headhunting per Computer für manche noch Zukunftsmusik - können sich einige Executive-Searchers bereits ihre Nasen vergolden. Denn im immer enger werdenden Personalmarkt gilt es auch, möglichst schnell den Idealen Kandidaten zu finden. Der "elektronisierte Kopfjäger", meint Kommunikationsfachmann Marc Hammeran, hat dabei die besseren Karten.

In einem kürzlich erschienenen Management-Lexikon kann man zum Stichwort "Personalbeschaffung" folgenden Satz lesen: "Ist die Position erklärungsbedürftig oder werden vom Bewerber außergewöhnliche Eigenschaften (Managementbereich) verlangt, so ist die Einschaltung eines Personalberaters üblich" (1). Ohne diesen Satz auf seine Richtigkeit hin prüfen zu wollen, sei doch der Zweifel erhoben, ob die genannten Gründe schon ausreichen, um ein personalsuchendes Unternehmen zur Zusammenarbeit mit einem Personalberater zu bewegen, Generell kommen Berater nur dann zum Zug, wenn eine Organisation eine Leistung benötigt, die sie selbst nicht in gleicher Weise und/oder zu denselben Kosten bieten kann.

Headhunter bilden eine spezielle Art von Personalberater. Sie beraten weniger, sondern suchen effizient, nämlich direkt. Oft nutzen sie die Kenntnis einer bestimmten Branche und können schon sofort bei Anfrage eines Unternehmens geeignete Kandidaten nennen. Wer lange in der EDV-Branche an verantwortlicher Position gearbeitet hat, kennt viele Manager, die dann sein Kapital bilden. Headhunter haben darüber hinaus die Fähigkeit, sehr schnell geeignete Kandidaten zu ermitteln - wenn sie gut arbeiten. Und nur dieser Fall soll hier untersucht werden.

"Executive Searcher" - diese Bezeichnung hören die Kopfjäger lieber - gehen zielgerichtet vor und zögern nicht, jeden Kandidaten anzusprechen, der die gewünschten Anforderungen erfüllen könnte.

Anzeigen spielen bei ihrer Arbeit eine untergeordnete Rolle und sind lediglich als Absicherung oder Flankenschutz von Bedeutung.

Dies erscheint alles in allem als ein höchst effektiver Prozeß. Deshalb müßten Headhunter eigentlich höchst unerwünschte Partner bei der Personalsuche sein. Aber dem Headhunting haftet nicht nur vom Namen her ein schlechtes Image an. Dafür gibt es viele, oft auch irrationale Gründe. Wer dringend Spitzenleute sucht, kommt häufig ohne den Headhunter nicht aus. Wer Spitzenleute halten möchte, fürchtet wiederum diese Jäger und sucht möglichst Stabilität. Das ist selbst in einer so "wechselfreudigen" Branche wie der Computer-Industrie der Fall. So schlägt ein gespaltenes Herz in der Brust der meisten Personalchefs: Sie suchen, aber sie möchten auch behalten. Der Headhunter hilft, jedoch - nicht derselbe, sondern ein Kollege - gefährdet auch den Bestand.

Trotz ihres gestörten Verhältnisses zu diesen Personalberatern werden die meisten Unternehmen kaum ohne deren Dienste auskommen, und wenn auch nur als ultimo ratio: Man ruft sie, wenn die konventionellen Methoden versagen.

Für eine dynamische Wirtschaft unverzichtbar

Nach einer Allensbach-Umfrage werden für die Führungskräftesuche von 22 Prozent aller Unternehmen Personalberater eingeschaltet. Und für die Berufsgruppe PR-Leute schätzt ein Sachkenner, daß etwa 30 Prozent aller hochkarätigen Stellen mittels Headhunter-Hilfe besetzt werden (2). Bei Spitzenpositionen im Linienmanagement dürfte dieser Prozentsatz wahrscheinlich noch höher liegen. Jedenfalls wird ein erheblicher Teil von vakanten Positionen per Personalberater, also Headhunter besetzt.

Wenn ein Unternehmen diese externe Hilfe bei der Suche einschaltet, hat das laut Henneke/Reinike folgende fundamentale Gründe:

- "armselig dargestellte Lösungen im eigenen Haus

- Mangel an Glaubwürdigkeit der Personen im eigenen Haus

- Personelle Probleme wie Antagonismus, politischer Druck und Karrieresucht für bestimmte Positionen, in der eigenen Hierarchie" (3).

Sicher sind auch das wichtige Gründe, sich an einen Personalberater zu wenden. Aber reichen sie schon aus, um den augenscheinlich schweren Schritt zu wagen, einen Headhunter einzusetzen? Dieser soll ja weniger fundamental beraten, sondern möglichst bald den idealen Kandidaten finden soll. "Ideal" aus der Sicht des Unternehmens. Schwer fällt dieser Schritt meist deswegen, weil Headhunter nicht gerade billig sind und den Vorwurf mit sich herumtragen, daß sie Kandidaten aus anderen Unternehmen abwerben. Das tun sie in der Tat. Und genau deshalb sind sie für eine dynamische Wirtschaft unverzichtbar. Denn das "Abwerben" wird ja in verschiedenster Form allenthalben bei der Personalsuche betrieben: Die Sektretärin, die eine nette Kollegin bekommen soll, und deshalb ihre Freundin in der Firma gegenüber fragt, "wirbt ab". Der Manager, der einen tüchtigen Mitarbeiter sucht und einen Kollegen bei seinem früheren Arbeitgeber anspricht; der Rechtsanwalt, der für einen seiner Mandanten einen Vorstandsvorsitzenden sucht und im Rotary-Club einen geeigneten Kandidaten anspricht - sie alle "werben ab".

Jeder kennt ähnliche Headhunter-Fälle. Was soll daran auch schlecht sein? Gegenüber dem professionellen Headhunter haben die geschilderten Personen einen Vorteil: Sie kennen das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle und die Unternehmenskultur des suchenden Unternehmens schon seit längerer Zeit und meist sehr gut.

Einmal Kandidat - immer Kandidat

Der Headhunter ahmt dieses Verhalten nach. Auch er sucht den Kandidaten, der am besten paßt. Nur wählt er aus einer größeren Zahl von potentiellen Interessenten aus. Wie er vorgeht (oder vorgehen könnte) verraten Henneke/Reinike: "Unter dem nicht so abwertenden Begriff wie Kopfjäger, nämlich Executive Searcher, bewegen sich weltweit an die tausend ehemalige Manager und jetzige Berater im Cremefeld der Personalberatung. Sie beschäftigen sich mit der Fluktuation der Führungskräfte, die ab DM 150000 aufwärts bis in unbegrenzte Höhen zu finden sind. Über zwei Dutzend Headhunterfirmen sind in der BRD tätig.

Die meisten davon sind ausländische Einzelkämpfer oder Firmen. Da die gewerbliche Vermittlung von Arbeitskräften dem Gesetz nach nur Sache der Bundesanstalt für Arbeit und der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung ist, haben sie in der Firmierung gewisse Schwierigkeiten, denn deutsche Personalberater dürfen Kandidaten nur indirekt ansprechen. Sämtliche Unterlagen müssen sofort nach Abschluß des Projektes an ihre Klienten beziehungsweise an die Bewerber zurückgegeben werden. Ohne seine Kartei aber wäre der Headhunter verloren. Sein Computer beziehungsweise seine private zentrale Kartei ist sein Kapital. Hier finden sich die wichtigsten Führungskräfte großer und mittlerer Unternehmen wieder, die für einen Wechsel in den nächsten Jahren in Frage kommen. Hier sind auch die vertraulichen Gespräche gespeichert, die zwischen den Vorständen und dem Headhunter im Hinblick auf eine langfristige Nachfolgeplanung oder die Besetzung wichtiger Positionen in der unmittelbaren Zukunft geführt wurden; ebenso die Daten potentieller Kandidaten, die sich noch im Amt beziehungsweise in der Position bei wichtigen Firmen der Konkurrenz oder anderer Branchen befinden, aber nicht daran denken, ihr weiteres Leben bis zur Pensionierung in ihrer jetzigen Firma zu verbringen. Es ist ein ununterbrochenes Puzzlespiel; die Devise lautet, einmal Kandidat immer Kandidat (4).

Aus dem Kontakt wird ein Vertrauensverhältnis

Hinter dieser Beschreibung wird erkennbar, warum zunehmend mehr Firmen Headhunter einschalten. Wobei in der Computerbranche - schon aufgrund des hohen Anteils amerikanischer Unternehmen - die Hemmschwelle ohnedies niedriger liegt:

- Headhunter können schnell sein. Der konventionelle Suchprozeß - Anzeige, Sichten der eingegangenen Bewerbungen, Auswahl der besten Bewerber - ist langwierig und produziert eventuell nur Nieten.

- Der seriöse Headhunter arbeitet wesentlich "lautloser" als eine Anzeigenschaltung. In aller Regel erfährt kaum jemand im Unternehmen, wie eine bestimmte Stelle besetzt wurde. Insbesondere bei Spitzenpositionen ist das unternehmenspolitisch oft von Vorteil.

- Headhunter können gründlicher arbeiten - wenn sie nicht nur "das schnelle Geld" machen wollen. Sie erfüllen damit volkswirtschaftlich die Funktion einer "optimalen Allokation der Management-Ressourcen." Im Idealfall kommt nicht der drittbeste, sondern der beste Mann auf die Vakanz.

- Die persönliche Ansprache hat meist größere Werbekraft als eine Anzeige. Vor allem, wenn der Berater den Angesprochenen schon kennt. Er kann dessen Bedürfnisse ausloten ("Sie wollten doch schon immer mal in München arbeiten"). Er kennt die Schwierigkeiten, die der Angesprochene vielleicht in einer gegenwärtigen Position hat; er kann seine "Werbung" individuell anpassen.

- Der Headhunter ist meist teuer, aber er bietet auch etwas - wenn er gut arbeitet. Kann er eine attraktive Stelle nicht besetzen, dann ist meist "außer Spesen nichts gewesen". Und das beauftragte Unternehmen sollte prüfen, ob die Stelle wirklich so attraktiv ist. Ganz seriöse Headhunter machen das allerdings schon, bevor sie den Suchauftrag überhaupt annehmen.

- Der direkte Kontakt mit Kandidaten von Anfang an wird bei einem längeren Auswahl- und Entscheidungsprozeß im günstigsten Fall zu einem Vertrauensverhältnis zwischen Headhunter und Interessenten führen. Falls rationale Kriterien nicht genügen, um die endgültige Entscheidung zu treffen, kann dieses Vertrauensverhältnis den Ausschlag geben.

Hier wird keinesfalls das hohe Lied des Headhunters gesungen. Als bekannt darf vorausgesetzt werden, daß - wie überall im "Maklergewerbe" - sehr unterschiedliche Qualität angeboten wird. In den klassischen Ausbildungsberufen soll dies allerdings kaum anders sein. Schlechte Headhunter werden ihre Berufskarriere wahrscheinlich mangels Kundschaft bald aufgeben müssen. Im EDV-Bereich läßt sich die Spreu noch besser vom Weizen trennen, wenn Spezialfunktionen zu besetzen sind. Denn ein Headhunter, der einen Systemspezialisten aus dem Mainframe-Bereich als Software-Experten für PCs andienen möchten, disqualifiziert sich selbst. Und auch im Vertrieb geht es nicht mehr so großzügig zu: Wer jahrelang erfolgreich Konsumgüter an den Mann gebracht hat, ist nicht unbedingt eine sichere Verkaufskanone im Systemvertrieb.

Zitierte Literatur

1) Fritz Neske/Martens Wiener (Hrsg.): Management-Lexikon, Band III, S. 1030, Gernsbach 1985

2) Job-Shop für PR-Leute, Werben & Verkaufen, 2. November 1984

3) Joachim H. Hennecke/Wolfgang Reinike: Management der Personalsuche, München 1985, S.8

4) ebenda, S. 55f.