Erste Umsatzsteigerungen nachweisbar

Europas Firmen entdecken WWW als Business-Tool

18.07.1997

Noch vor kurzem galt Europa mit knapp 200000 Internet-Hosts als eine Art Niemandsland im Cyberspace. Doch die Situation hat sich gravierend geändert. Mehr als drei Millionen registrierte WWW-Server sowie rund 27 Millionen Web-Surfer und Abonnenten diverser Online-Dienste zeugen von mehr als nur Aufbruchsstimmung. Längst zeichnen sich große und bekannte Unternehmen wie Barclays, BMW und Deutsche Bank durch ein nachhaltiges Engagement im Internet-Geschäft aus - verbunden mit entsprechenden Investitionen und Langzeit-Planungen. So wurden 1996 in Europa nach konservativen Schätzungen rund 700 Millionen Mark mit kommerziellen Web-Sites umgesetzt; bis zum Jahr 2000 dürften es mehr als 60 Milliarden Ecu sein.

Wer solche Prognosen für Luftschlösser hält, der irrt, meinen die Autoren der Studie "European Business on the Net" und untermauern ihre These mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen. Für immerhin 66 Prozent der befragten Firmen hat sich demnach das WWW inzwischen zu einem wenn auch bescheidenen Business-Tool entwickelt; mehr als ein Fünftel davon können im Zuge ihrer Online-Präsenz bereits jetzt höhere Umsätze generieren. Ausgewertet wurden die im April 1997 eingeholten Auskünfte von 603 Führungskräften, die in rund 200 paritätisch ausgewählten französischen, britischen und deutschen Großunternehmen beschäftigt sind.

Auch in Fällen, wo sich der Nutzen des Internet-Auftritts noch nicht in höheren Einnahmen niederschlägt, fühlen sich die verantwortlichen Unternehmenslenker offensichtlich auf dem richtigen Weg zu sein.

71 Prozent der befragten Manager sind der Aufassung, daß der Web-Auftritt zumindest zu einer Imageverbesserung für das Unternehmen geführt hat. 68 Prozent sehen allein schon in dieser Tatsache einen Return on Investment; rund 35 Prozent wollen in den kommenden zwölf Monaten ihr Budget für Electronic Commerce im Internet deutlich erhöhen.

Richtig ist allerdings nach wie vor auch, daß der Einsatz des Internet als Kommunikations- und Vertriebsmedium für die meisten europäischen Firmen noch Neuland darstellt. Mehr als zwei Drittel der Führungskräfte gaben zu Protokoll, daß das World Wide Web in ihrem Verantwortungsbereich bis jetzt lediglich als Informationsquelle für die Kundschaft und damit bestenfalls als, wie eingangs erwähnt, Katalysator für die herkömmlichen Vertriebswege dient.

Deutsche Manager sind verkappte WWW-Freaks

Nur 37 Prozent der Unternehmen auf dem Alten Kontinent sind derzeit laut Studie eine "Plugged-in-Company" - betreiben also im wahrsten Sinne des Wortes Electronic Commerce mit freigeschaltetem Server sowie der Möglichkeit zur digitalen Bestellung und Abrechnung ihrer Waren oder Dienstleistungen.

Interessant ist auch: Deutschland ist mit Abstand die Internet-Nation Nummer eins in Europa. 74 Prozent (Großbritannien 70 Prozent, Frankreich 55 Prozent) der befragten deutschen Unternehmen verfügen über eine eigene Web-Seite. Auch in Sachen private Internet-Nutzung haben deutsche Manager offensichtlich gegenüber ihren Kollegen im benachbarten Ausland die Nase vorn. 48 Prozent der deutschen Führungskräfte gaben an, zu Hause mit einem PC inklusive Internet-Anschluß zu arbeiten, während lediglich 36 Prozent der britischen und sogar nur 28 Prozent der französischen Wirtschaftselite Interesse an einer privaten Auffahrt zur Datenautobahn zeigten.

Wenn es jedoch um die im Zeichen von Multimedia und Electronic Commerce nicht ganz unwichtige Neuausrichtung der Unternehmensstrategie geht, darf derzeit Großbritannien in die Rolle des europäischen Musterlandes schlüpfen. Nirgendwo sonst auf dem Alten Kontinent scheint sich jedenfalls das Bewußtsein für notwendige Veränderungen mit und im Cyberspace nachhaltiger manifestiert zu haben - sei es bei der Entwicklung neuer Marketing- und Vertriebsformen (siehe Abbildung S. 41) oder beim Re-Engineering von Geschäftsprozessen. 30 Prozent (Deutschland 15 Prozent, Frankreich elf Prozent) der britischen Firmen gaben an, wichtige Parameter ihrer Firmenstrategie im Hinblick auf digitalisierte Märkte geändert zu haben.

Weitgehend einig sind sich Engländer, Franzosen und Deutsche hinsichtlich der Rolle der Politik. 82 Prozent der Unternehmen wünschen sich eine prinzipiell aktivere Rolle des Gesetzgebers - etwa in Form von Bestimmungen, die mehr Schutz vor Pornografie oder Betrug im Internet gewährleisten. Mehr als drei Viertel aller befragten Manager sprachen sich gleichzeitig für eine Bildungspolitik aus, die dem Multimedia-Zeitalter durch Förderung des Internet-Gebrauchs in Schulen und Universitäten Rechnung trägt.