Unternehmensweite Umstrukturierung ist ein Thema

Europäische Großanwender knausern bei ihren IT-Budgets

14.02.1992

MÜNCHEN (hv) - Die Bereitschaft, Geld für Informationstechnologie auszugeben, hat in Europa merklich nachgelassen. Zu diesem Ergebnis kommt das Londoner Beratungsunternehmens CSC Index. Der wichtigste Grund für diese Zurückhaltung liegt in der weltweiten wirtschaftlichen Rezession. Umstrukturierung heißt das Zauberwort, von dem sich Unternehmen neue Impulse erhoffen.

Überwiegend deutsche, französische und britische Großunternehmen, insgesamt 122 an der Zahl, standen den Marktforschern voll CSC Index Rede und Antwort. Dabei zeigte sich, daß die meisten Befragten insbesondere die rezessionsgeplagten Engländer - in diesem Jahr den Gürtel deutlich enger geschnallt haben: War das IT-Budget in den Jahren 1988 bis 1991 durchschnittlich noch um jeweils zehn Prozent gestiegen, so wird in diesem Jahr nur noch ein Zuwachs von etwa fünf Prozent erwartet.

Nach Ausführungen von Lothar Schmidt, Director of Research bei der Münchner Niederlassung der CSC-Index-Tochtergesellschaft Butler Cox GmbH, liegt die Investitionsbereitschaft der deutschen Großunternehmen mit einer durchschnittlichen Budgeterhöhung von etwa sieben Prozent leicht über dein Durchschnitt. Eine Ausnahme stelle in allen Ländern die Finanzbranche dar, die 1992 etwa zehn Prozent mehr für Informationstechnologie ausgeben werde. Die Marktforscher voll CSC Index fragten nicht nur nach den Budgets, sondern auch nach den wichtigsten Aufgaben, die sich den IF-Verantwortlichen in diesem Jahr stehen.

Dabei zeigte sich, daß das alte Problem, die Informationsverarbeitung sinnvoll in die übergeordneten Unternehmensprozesse zu integrieren, in vielen Fällen auch heute noch nicht gelöst ist. IT-Chefs selten ihre Aufgabe daher in erster Linie darin sicherzustellen, daß die Ziele der Informationstechnologie die des Unternehmens insgesamt unterstützen.

Der zweitwichtigste Vorsatz lautet folgerichtig, eine IT-Strategie für Systeme und Anwendungen festzuschreiben, die mit der Unternehmensstrategie insgesamt übereinstimmt. CSC Index zieht aus diesen Ergebnissen den Schluß: "Die Führungskräfte des oberen Managements haben erkannt, daß die Unternehmensstruktur ganzheitlich beleuchtet, durch Informationstechnologie unterstützt und gegebenenfalls umstrukturiert werden muß."

Es reiche nicht aus, einzelne Unternehmensbereiche auf ihre Effizienz hin zu überprüfen, sie müßten im Zusammenhang mit der Effektivität insgesamt analysiert werden.

Mißtrauen gegenüber dem Management

Viele IT-Manager, so ein weiteres Ergebnis der nicht -repräsentativen Befragung, sind nur unzureichend über die Planung der Geschäftsbereiche informiert, für die sie arbeiten. So beklagen 42 Prozent der Befragten, zuwenig in die Aktivitäten anderer Geschäfts- und Fachbereiche einbezogen zu sein. Wie den Fachabteilungen wird in vielen Fällen auch dem gesamten Management Mißtrauen entgegengebracht: Die Mehrheit der IT-Verantwortlichen ist nicht der Ansicht, daß ihr Management die Aufgaben der Informationsverarbeitung wirklich beurteilen kann.

Etwa 50 Prozent der Befragten gaben an, wesentliche Umstrukturierungsaktivitäten eingeleitet zu haben. Dabei spiele der Einsatz von IT und entsprechenden Systemen eine Schlüsselrolle. In erster Linie gehe es darum, Durchlaufzeiten zu verkürzen und Kosten einzusparen. Von den verbleibenden 50 Prozent planen zwei Drittel, im Verlauf der kommenden zwei Jahre ebenfalls umzustrukturieren.

Die Umfrage gibt auch Hinweise darauf, in welchen Bereichen 1992 vorrangig in Informationstechnologie investiert wird. Großgeschrieben werden in Deutschland vor allem der Kundenservice - sowohl die Betreuung als auch Beratung -, die Bereiche Verkauf und Vertrieb sowie das gesamte Finanz- und Rechnungswesen. Dieses spielt vor allem wegen des großen Interesses auf der britischen Insel eine dominierende Rolle in Europa. Weiter unten auf der Rangliste folgen unter anderem Produktion/Betrieb, Systementwicklung und Auftragsbearbeitung.