EU-Erweiterung/Kommt die große Arbeitsplatzverlagerung in den Osten?

EU-Osterweiterung - Chance oder Risiko?

30.04.2004
Am 1. Mai 2004 wird die Europäische Union um zehn Mitglieder erweitert. Politikern ist deshalb - zumindest offiziell - zum Feiern zumute. Millionen Menschen in Westeuropa aber fürchten, dass die neuen EU-Mitglieder eher für eine billige Arbeitsplatzkonkurrenz sorgen werden. Jobverlagerungen im großen Stil sind seit Wochen das Thema in vielen Medien. Doch wer die wahren Verlierer und Gewinner sein werden, ist längst nicht ausgemacht.CW-Bericht, Jan-Bernd Meyer

Hoch gekocht ist das Thema Arbeitsplatzverlagerung schon länger. Spätestens seit US-Unternehmen Indien als Billiglohnland entdeckt haben, ist die Problematik virulent. Das so genannte Offshoring ist mittlerweile im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf angekommen. Der Kandidat der Demokraten, John Kerry, setzt sich nicht nur für ein Steuerrecht ein, das solche US-Firmen fiskaltechnisch schlechter stellen soll, die Arbeitsplätze in Drittländer verlagern. Er verglich zudem Unternehmer, die Jobs in andere Länder verlegen, mit Benedict Arnold. Der gilt als Landesverräter, weil er 1780 im Unabhängigkeitskrieg zu den Briten übergelaufen war, nur um dort einen Offiziersposten zu besetzen.

Diese Töne kennt man spätestens seit Mitte März auch in Deutschland. Bundeskanzler Gerhard Schröder war es, der durch seinen Regierungssprecher Bela Anda kundtun ließ, was er von Forderungen wie denen des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK), Ludwig Georg Braun, hält. Braun hatte angeblich empfohlen, deutsche Unternehmen sollten die EU-Osterweiterung nutzen, wenn schon die Politik nicht tätig werde. Kommentar Schröder: "Vaterlandslos." Später wollte Braun die kolportierte Aussage so nicht gemacht haben.

Als dann noch bekannt wurde, dass Siemens darüber nachdenkt, Tausende von Arbeitsplätzen nach Ungarn und in andere osteuropäische Länder auszulagern - insgesamt sollen laut Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer rund 10000 Arbeitsplätze dieser Offshoring-Welle zum Opfer fallen - , legte Schröder in einem Rundfunkinterview nach: "Es gibt Menschen, die es sich allzu leicht machen und zu Lasten des Landes, in dem sie Wohlstand erworben haben, Arbeitsplätze verlagern."

Forsches Vorgehen

Vor allem das forsche Vorgehen von Siemens-Chef Heinrich von Pierer vergrätzte Politiker und Gewerkschafter und stellte den Elektronikkonzern in der Öffentlichkeit in ein ungünstiges Licht. Denn von Pierer hatte - abgesehen von den Job-Transfers in den Osten - nicht nur verlangt, die Arbeitszeit müsse von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich hochgesetzt werden. Nur so könne dem Kostendruck und dem ungünstigen Lohngefälle mit osteuropäischen Ländern begegnet werden. Der bayerische Firmenboss ging mit seinen Forderungen noch weiter: Weihnachts- und Urlaubsgeld müssten ganz oder teilweise gestrichen werden. Der Samstag sollte zudem als zuschlagsfreier Arbeitstag wieder eingeführt werden.

Insbesondere der IG-Metall-Vizevorsitzender Berthold Huber kritisierte die Job-Auslagerungspläne von Siemens heftig. In Anbetracht der Tatsache, dass allein in den nordrhein-westfälischen Werken Kamp-Lintfort und Bocholt 2000 von 4500 Arbeitsplätzen möglicherweise nach Ungarn verlagert werden, kritisierte der Gewerkschafter, Siemens erhalte vom Land Nordrhein-Westfalen seit 1991 für seine NRW-Standorte Fördermittel bis 2006. Für die in Ungarn zu schaffenden Arbeitsplätze flössen wieder Fördergelder - diesmal von der EU. Diese würden bis zu 25 bis 37 Prozent der gesamten Investitionskosten betragen.

Hubers Ingrimm wurde noch gesteigert durch die Option, dass der Konzern die Kosten für die Verlagerung gar "als betriebliche Aufwendung abschreiben könnte". Im Klartext bedeute dies, dass die Steuerzahler die Transferierung ihrer Arbeitsplätze auch noch mit ihren eigenen Steuern finanzieren. O-Ton des IG-Metallers: "Das mag streng juristisch betrachtet zwar alles absolut korrekt sein. Ich nenne das Missbrauch von Steuergeldern."

Wem nutzt die EU-Osterweiterung?

Nicht minder emotional wird darüber gestritten, wem die EU-Osterweiterung tatsächlich nutzt. Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms hatte auf der CeBIT 2004 im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE gesagt, seit zwei bis drei Jahren gingen in Deutschland über alle Industriebereiche gerechnet Monat für Monat rund 40000 Arbeitsplätze durch Verlagerung in Niedriglohnländer verloren. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wurde vom SPD-Organ "Vorwärts" mit der Aussage zitiert, pro Jahr würden in Deutschland rund 600000 Jobs ins Ausland verlagert.

130 000 Arbeitsplätze perdu

A.T. Kearney kam in einer Studie zu dem Ergebnis, hierzulande würden in den kommenden Jahren 130000 Arbeitsplätze allein im Bereich Software und IT-Services wegfallen und dafür im Ausland neu geschaffen werden.

Internationale Offshoring-Anbieter wie etwa die indischen Unternehmen Tata Consultancy Services (TCS), Wipro und Infosys würden damit werben, deutsche Firmen könnten insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen, wenn sie Arbeitsplätze ins Ausland verschieben.

Die EDS-Tochter rechnete vor, deutsche Unternehmen wären imstande, durch die Auslagerung von IT-Tätigkeiten in Niedriglohnländer ihre Kosten um 30 bis 50 Prozent zu senken. Deshalb werde der Offshore-Anteil an deutschen IT-Budgets und Arbeitsplätzen in den nächsten drei Jahren von unter fünf auf rund 20 Prozent anwachsen. Wirtschaft, Ausbildungsinstitute und Politik müssten mit geeigneten Maßnahmen gegensteuern, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten.

Anders sieht das allerdings Volkhart Vincentz vom Münchner Osteuropa-Institut. Er legt sehr viel konservativere Zahlen vor und kalkuliert, dass pro Jahr in Deutschland maximal rund 35000 Arbeitsplätze durch Offshoring-Engagements verloren gehen. Sein Kollege Hermann Clement, Direktor des Osteuropa-Instituts, sagt, der Boom habe sich bereits mit den Privatisierungswellen in Ungarn, Tschechien und Polen in seiner Hochphase befunden: "Jetzt kann nur noch eine kleine Nachwelle kommen." Die EU-Osterweiterung zum 1. Mai sei eher ein formaler Akt, stimmt auch Peter Havlik, Vizechef des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsforschung (WIIW), zu.

Mittelstand wandert aus

Damit könnten sie Recht haben: Eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CPER) sagt aus, dass deutsche Firmen zwischen 1990 und 2001 durch Produktionsverlagerungen bereits 460000 Arbeitsplätze in Osteuropa geschaffen haben. In Deutschland seien dadurch 90000 Jobs verloren gegangen.

Noch kein Ende der Welle erkennt dagegen Ulrich Dietsch, Geschäftsführer des Ost- und Mitteleuropa Vereins. Er glaubt, dass nach dem 1. Mai 2004 vermehrt kleine und mittelständische Firmen den Zug gen Osten wagen. In dieser Sicht wird Dietsch bestärkt durch eine Untersuchung, die die Unternehmensberatung Droege & Comp. gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie unter 980 deutschen Managern veranstaltete. Danach wollen rund 46 Prozent der Firmen ihre Produktion ganz oder teilweise nach Osteuropa oder Asien verlagern. Fraunhofer-Direktor Günther Schuh sprach dabei von einem "branchenübergreifenden Trend".

Dilemma der Diskussion

Diese Zahlenvergleiche dokumentieren das Dilemma der Diskussion: Genaue Berechnungen zu den netto zu befürchtenden Arbeitsplatzverlusten durch Offshoring-Strategien von Unternehmen in Deutschland (und übrigens auch den anderen hoch industrialisierten Ländern der Welt, die mit genau dem gleichen Problem konfrontiert sind) kann man offensichtlich kaum anstellen. Dieter Duwendag, Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, sagte, es gebe keine Möglichkeit, die Zahl der Arbeitslosen, der verlagerten und der weggefallenen Jobs exakt miteinander zu verrechnen. Hier würden zu viele Faktoren wie Konjunkturlage, strukturelle Maßnahmen, Job-Exporte etc. wirken. Besser quantifizieren ließe sich, isoliert betrachtet, die Freisetzung, so der Wirtschaftswissenschaftler in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Danach dürften seit 1990 durch Arbeitsplatzverlagerungen im Jahresdurchschnitt annähernd 100000 Jobs verloren gegangen sein und insgesamt mit rund einer Million zur heutigen Arbeitslosigkeit von rund 4,6 Millionen beigetragen haben.

Kosten - und sonst gar nichts?

Die Motivation, Tätigkeiten in andere Länder zu verlagern, scheint dabei nahe liegend: Fast immer lautet das Argument: Personalkostenreduzierung. Auch Siemens hatte die Überlegungen, Arbeitsplätze nach Ungarn zu transferieren, gerechtfertigt mit Berechnungen, wonach im Vergleich zu Ungarn der Arbeitskostenunterschied bis zu 30 Prozent betragen könne. IG-Metall-Mann Wolfgang Müller wehrt sich gegen entsprechenden Druck auf die hiesigen Beschäftigten. Es sei völlig illusorisch, solche Gehaltsdifferenzen auszugleichen, indem die Personalkosten hierzulande um 30 bis 40 Prozent reduziert würden.

Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung hatte in der Studie "Auslandsproduktion - Chance oder Risiko für den Produktionsstandort Deutschland?" in einer repräsentativen Umfrage unter Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes die Motive ermittelt, deretwegen Firmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. An der Spitze der genannten Gründe standen mit 65 Prozent die Kosten der Produktionsfaktoren. Allerdings folgte mit 60 Prozent aller Nennungen schon das Thema Markterschließung. Jeder dritte Befragte (34 Prozent) nannte zudem die Notwendigkeit, in der direkten Nähe von Großkunden zu agieren. Und 21 Prozent wollten Steuer-, Abgaben- und Subventionsvorteile nutzen.

Lohnkosten sind nicht zu hoch

Gewerkschaften wird dabei ein Verweis auf den Leiter der Abteilung Weltwirtschaft beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Tilman Brück, wenig nützen. Brück hatte gegenüber einer Nachrichtenagentur Ende März 2004 geäußert, die deutschen Lohnkosten seien durchaus wettbewerbsfähig: "Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern sind bei uns die Lohnkosten nicht unbedingt zu hoch." Ein deutscher Arbeiter verdiene zwar oft einen deutlich höheren Stundenlohn als ein Kollege im Ausland. Dafür produziere er aber viel mehr. "Ein reiner Stundenlohnvergleich zwischen Deutschland und den EU-Beitrittsländern oder etwa China ist nicht aussagekräftig", so der Wirtschaftsforscher. Bildung und Forschung seien wesentlich wichtiger als die Senkung der Lohnkosten.

Produktivität wirklich gesteigert?

Und auch Havlik vom WIIW sieht die Lohndiskussion entspannt. Durch die Kooperation und die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Osteuropa würden auch hierzulande Jobs geschaffen. So hat er es zumindest in Österreich feststellen können. Diese positiven Effekte würden die Arbeitsplatzverlagerungen übertreffen.

Anders hatte da der Präsident des Ifo-Instituts in München argumentiert. Bezüglich der angeblich höheren Produktivität in Deutschland meldet Hans-Werner Sinn Bedenken an. Diese sei in Deutschland zwischen 1982 und 2002 zwar tatsächlich jährlich um 1,9 Prozent gewachsen. Mit 0,8 Prozent fast die Hälfte davon sei aber der Tatsache geschuldet, dass wegen der hohen Löhne sehr viele Firmen einfach keine Luft mehr hatten und in Konkurs gingen, ihr Geschäft aufgaben oder auswanderten. Die Bereinigung der Statistik von "unproduktiven" Firmen verbessere rechnerisch die Gesamtproduktivität, ohne dass allein deshalb die noch existierenden Unternehmen besser würden.

Und was machen die Firmen?

Die Ende 1997 von Gartner- und Cap-Gemini-Managern gegründete Softwareschmiede Iquest GmbH & Co. KG dürfte beispielhaft für einen Trend sein, der auch in Deutschland kommen wird. Iquest beschäftigt an der Firmenzentrale in Frankfurt am Main nur fünf Mitarbeiter inklusive der Chefetage. In den Softwareentwicklungszentren im rumänischen Cluj (Klausenburg - 1997 eröffnet) sowie Brasov (Kronstadt - Ende 2002 etabliert) arbeiten hingegen insgesamt 100 Softwareexperten. Daneben unterhält Iquest IT-Beratungsstandorte in Budapest und Bukarest. Haupttätigkeiten sind die Applikationsentwicklung und -integration, das Testen sowie die Wartung und Pflege der Produkte.

Iquest sieht sich eindeutig als Offshore-Anbieter für die Anwendungsentwicklung, so Sprecherin Barbara Brody. Das Unternehmen weist nach ihren Angaben ein organisches Wachstum von 30 Prozent pro Jahr auf - und es wirbt gegenüber Kunden mit einem Kostenvorteil, der wegen der geringen Personallöhne in Rumänien bei 50 bis 70 Prozent liegt. Wer das für übertrieben hält, sollte sich Brian Valentine, Senior Vice President von Microsoft, anhören: "Outsourcing ist nicht nur für einfache, unkritische Projekte geeignet. In Indien bekommt Microsoft dieselbe Qualität für 50 bis 60 Prozent der Kosten wie in den USA." Polen, die Tschechische Republik, Ungarn und Rumänien - wiewohl Letzteres noch kein Beitrittsland ist - sind dabei für Deutschland, was Indien für die USA ist.

Iquest verfolgt - weil auf der grünen Wiese gebaut - konsequent eine Geschäftsstrategie, die alteingesessene Unternehmen erst langsam nachholen. Während die Frankfurter sich bis auf eine winzige Rumpfmannschaft gar nicht erst in Deutschland etablieren, beginnen andere Konzerne, Arbeitsbereiche nach Osten zu verlagern - und damit in Deutschland Arbeitsplätze zu vernichten.

Dieser Trend ist, wie Fraunhofer-Direktor Schuh feststellte, "branchenübergreifend". So will Epcos, Hersteller von Elektronikbauteilen, 250 Arbeitsplätze in Heidenheim auflösen und diese Tätigkeiten in Portugal und Ungarn wieder aufnehmen. Beim Fahrzeugrohbau des MAN-Werks in Salzgitter fielen 700 Arbeitsplätze der Verlagerung nach Posen zum Opfer. Anfang März 2004 schockte das deutsche Traditionsunternehmen Pfaff Industrie Maschinen AG seine Belegschaft in Kaiserslautern mit der Ankündigung, die Produktion in der Pfalz einzustellen und einige Baureihen in China fertigen zu lassen.

Von den momentan 850 Arbeitsplätzen sollten mittelfristig 425 abgebaut und bis 2006 weitere 150 Mitarbeiter entlassen werden. Infineon lässt seine Buchhaltung in Portugal erledigen, die Deutsche Bank Software in Indien programmieren. 250 Arbeitsstellen des globalen Einkaufs des größten deutschen Finanzinstituts sollen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi zudem von Frankfurt nach Prag verlagert werden.

Das Problem der Arbeitsplatzvernichtung gewinnt darüber hinaus an Bedeutung, weil schon heute nicht mehr nur Jobs in der Massenproduktion gefährdet sind, sondern auch solche von hoch qualifizierten Mitarbeitern. So stellte die IG Metall im Zuge der Diskussionen mit Siemens fest, erstmals seien in großem Umfang auch qualifizierte Tätigkeiten in der Entwicklung und der Konzernzentrale betroffen, die bisher als relativ sicher galten. Eine Einsicht, der Stephan Wimmer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHT) zustimmt: "Heute wandern auch hoch qualifizierte Jobs von Softwareentwicklern und -Ingenieuren ab." Ins gleiche Horn bläst Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: "Vermehrt erreicht die Verlagerung von Arbeitsplätzen auch mittlere Einkommensschichten."

Riesige Steuergeschenke

Schließlich werden die neuen EU-Mitglieder auch weiterhin in den Genuss von Subventionen kommen. Staatssekretär Jürgen Chrobog vom Auswärtigen Amt sagte auf der CeBIT 2004: "Die Beitrittsstaaten erhalten schon bisher erhebliche Fördermittel. Für die Zeit nach dem Beitritt ist vorgesehen, dass die Zuwendungen um ein Vielfaches gesteigert werden. Ich erwähne dies vor allem deswegen, weil sich damit auch Chancen für deutsche Firmen verbinden." Mittel- und Osteuropa werde, so Chrobog, "bereits intensiv von deutschen Unternehmen als Produktionsstätte im IT-Bereich genutzt".

Zudem werben die osteuropäischen Staaten selbst mit riesigen Steuergeschenken an die westeuropäischen Investoren. Als Volkswagen seine Fertigung für den Geländewagen "Touareg" im tschechischen Bratislava ansiedelte (auf den gleichen Fertigungsstraßen wird übrigens auch Porsches Konkurrenzmodell "Cayenne" zusammengebaut), belohnte unser Nachbar das mit einer Steuerbefreiung für zehn Jahre - was Porsche-Chef Wendelin Wiedeking gewohnt direkt mit "Steuerdumping" kommentierte. Übrigens würde auch Siemens bei der geplanten Verlagerung der Arbeitsplätze von Bottrop und Kamp-Lintfort von der ungarischen Regierung bis 2011 steuerfrei gestellt. Die Slowakei und Polen etwa erheben auf Unternehmensgewinne einen Steuersatz von 19 Prozent, Ungarn von 18 und Litauen gar nur von 15 Prozent. Unternehmen müssen hierzulande hingegen 39 Prozent der Profite als Steuern abführen.

"Als Bürger mache ich mir große Sorgen"

Wie immer sich die EU-Osterweiterung mit den ihr innewohnenden Chancen und Risiken für hiesige Unternehmen entwickeln wird, das Kostenargument wird viele Firmen in die neuen Mitgliedstaaten locken. Damit begeben sie sich in ein Dilemma, das Intel-Chef Craig Barrett in einem Interview mit der im Silicon Valley erscheinenden Zeitung "San Jose Mercury News" auf den Punkt brachte: "Als Konzernchef kann ich nicht anders handeln (als Arbeitsplätze wegen der geringen Löhne auszulagern, Anm.d.Red.). Aber als US-Staatsbürger mache ich mir große Sorgen." Diese Sorgen werden den Deutschen nicht erspart bleiben.

Hier lesen Sie ...

- was Bundeskanzler Gerhard Schröder von den Plänen der Unternehmen hält, Arbeitsplätze in den Osten zu verlagern,

- warum die Unternehmen glauben, sich im Osten etablieren zu müssen,

- wie sich Wirtschaftswissenschaftler zum Nearshoring von Jobs äußern

- und warum die Diskussionen zur Verlagerung von Arbeitsplätzen nicht so einfach sind, wie es in der Öffentlichkeit von diversen Interessengruppen dargestellt wird.

Abb: Arbeitslosenzahlen in den zehn neuen EU-Mitgliedsländern

In einigen Beitrittsländern liegen die Arbeitslosenzahlen erheblich über denen in den angestammten EU-Nationen. Polen fällt besonders negativ aus dem Rahmen. Quelle: Eurostat Stand: Januar 2004