Sibware und Zenith warteten die Freigabe ihrer Handwerker-Lösung nicht ab:

Etikettenschwindel mit TÜV-geprüfter Software

27.02.1987

MÜNCHEN - Möglicherweise sind seit November 1986 Hunderte von Anwendern dem TÜV-Siegel "Qualifizierte Software" aufgesessen. Monatelang zierte nämlich das Qualitätsemblem zu Unrecht die Werbebroschüren, Handbücher und Disketten für das PC-Programm "ASSI" der Sibware GmbH. Erst jetzt erteilte der TÜV Rheinland der auf Zenith-Rechnern implementierten Handwerker-Lösung seinen Segen. "Dieser Ablauf ist natürlich ein Formfehler, den man juristisch in eine bestimmte Ecke stellen kann" bekennt Wilhelm Pooth, Produkt-Manager der Sibware GmbH, Wesel, den Etikettenschwindel, der offenbar im Rahmen einer voreilig inszenierten Werbekampagne der Zenith Data Systems GmbH von allen Verantwortlichen über Monate hinweg toleriert wurde. "Aber wir nehmen nicht das Attribut der Vonkommenheit für uns in Anspruch", verteidigt sich Pooth, "das Ganze war eben eine unglückliche Verkettung von Mißverständnissen. "

Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Weseler Softwarehaus und dem Hardware-Lieferanten aus Dreieich-Sprendlingen, für dessen Personal Computer das modular aufgebaute Programmpaket "ASSI" für 4995 Mark als Komplett-Lösung vermarktet wird, erscheinen allerdings angesichts der Fakten in zweifelhaftem Licht. Bereits am 6. November 1986 - elf Tage vor dem offiziellen Antrag auf eine Programmprüfung beim TÜV Rheinland - wurden Zenith-Fachhändler von ihrem Lieferanten in diesem Punkt getäuscht: "ASSI trägt das Prüfsiegel TÜV-GS", heißt es wörtlich in dem Schreiben für die Medienplanung 86 des Herstellers. Darin bittet Zenith die Distributoren, sich an der geplanten Werbekampagne zu beteiligen.

Zu diesem Zeitpunkt stand die Absegnung durch den größten Überwachungsverein Deutschlands jedoch noch in den Sternen. Erst am 19. Februar 1987 erfolgte mit dem Genehmigungs-Ausweis Nr. 87101 die offizielle Freigabe für das begehrte Prüfzeichen. Werner Reinkendorff Geschäftsführer der Zenith Data Systems GmbH und Initiator des Reklamefeldzuges, hielt indes bei seiner Aktion ein entsprechendes TÜV-Zertifikat als Beweis für die abgeschlossene Programmprüfung für unnötig. "Das ist nicht meine Sache" blockt der Manager im nachhinein ab. "Mir wurde von Sibware gesagt, das TÜV-Siegel sei da, und so haben wir die Werbung losgeschossen."

Sibware-Geschäftsführer Jürgen Schmitz gibt den Schwarzen Peter postwendend zurück: "Die Kampagne ist damals an uns vorbeigegangen. Zenith hat die Werbung einfach so aufgelegt und das Produkt mit dem Siegel ausgeliefert." Dies sei danach auch mit dem TÜV abgesprochen und sanktioniert worden, weil sich das Prüfergebnis bereits positiv abgezeichnet habe. "Allerdings war mir dabei ein bißchen unbehaglich zumute", erinnert sich Schmitz, "aber da standen wir schon vor vollendeten Tatsachen."

Kein Unbehagen dagegen bei den Händlern: Nach den ungebremsten Anzeigen in der "Deutschen Handwerks-Zeitung" (Auflage rund 340 000) und "Computern im Handwerk" (Auflage rund 98 000) erfreute sich die angeblich gütegesiegelte "ASSI"-Software bei den Kunden steigender Beliebtheit. So hat zum Beispiel Ingeborg Knorr, Geschäftsführerin der CEB Computer Einsatz und Beratungs GmbH, Böblingen, allen Grund zum Jubel: "Das ASSI geht momentan wie verrückt. Früher mußten wir akquirieren und den Handwerkern hinterherlaufen - heute ist es umgekehrt."

Kaum ein Händler, so ergaben die Recherchen der COMPUTERWOCHE, zweifelte an der Richtigkeit der Werbeaussagen. Hans Ulrich Jetter, Geschäftsführer der Messpo GmbH, Stuttgart, steht mit seiner Meinung stellvertretend für viele andere Distributoren: "Das TÜV-Zertifikat habe ich nicht, aber es ist ja in der Programm-Maske und im Handbuch vermerkt. Also müßte beides auch geprüft sein." Das sei beim Handbuch besonders wichtig, kommentiert der Stuttgarter, sowohl für den Anwender als auch für den Händler.

Doch gedruckt wurden die "neuen Ratgeber" bereits im November des vergangenen Jahres. "Eine Neuauflage von Handbüchern mit den TüV-Plaketten braucht immer einen Vorlauf", erläutert dazu Sibware-Manager Pooth, da versucht man es natürlich kaufmännisch abzustimmen." Zwar habe sich die gesamte Prüfung einige Zeit hinausgezögert, aber dafür sei der TW auch auf einige Sachen gestoßen, die nun dem Anwender zugute kämen. Pooth: "Wir geben unseren Kunden einen kostenlosen Update mit allen relevanten Änderungen."