Etikette digital

19.05.1989

Wer sich der Last unterziehen muß, elektronisch zu konferieren, verschafft sich bisweilen offenbar auch die Lust, seinem Mißvergnügen unchiffrierten Ausdruck zu verleihen. So geschehen und zur Systemverschmutzung avanciert in den feinen IBM-Systemen für Computer Conferencing. Dabei scheinen die blauen Ameisen des Marktführeres weder mit Emotionen - man stelle sich vor - noch mit knallharter Systemkritik hinter dem Berg gehalten zu haben - natürlich im Schutze digitaler Anonymität. Als besonders lästig erwies sich die Weitergabe vertraulicher Informationen über Karriere-Ups and -Downs, Wer sich beim Input unstatthafter Bemerkungen erwischen ließ, hatte mit Strafen in Form von Systementzug für ein Jahr zu rechnen, wird berichtet.

Die elektronische Pinwand, die im Mikrosekunden-Takt Erwünschtes, aber eben auch Unerwünschtes in der IBM-Welt publizierte, soll jetzt mit erklärenden Etiketten versehen werden. Zum Beispiel soll ein Witz deutlich als Witz gekennzeichnet werden, eine Emotion als solche erkennbar sein, Meinung von Information getrennt werden, Angegriffene sollen die Chance erhalten, zu kontern etc. Mit anderen Worten, die Zeiten der schönen Unbefangenheit sind vorüber. Das Stimmungsbarometer, der Flüsterkanal, die Pink Line, der Kummerkasten, das informelle Vorschlagswesen fallen künftig unter die Zensur. Schade. So ein bißchen Anarchie hätte Big Blue doch mit links wegstecken können. Oder?