Es kommt nicht auf die Anzahl der Berufsjahre an In der Projektarbeit zaehlt nur ein weiter Erfahrungshorizont Von Sabine Sonnentag *

02.09.1994

Fachkompetenz und Teamfaehigkeit stehen in der Rangliste von DV- Experten ganz oben, wenn es um die Frage geht, wie der ideale Projektmitarbeiter auszusehen hat. Dies ergab eine Untersuchung von Psychologen an den Universitaeten Giessen und Muenchen.

Der Erfolg von Projekten in der Software-Entwicklung ist von einer Reihe von Faktoren abhaengig. Wesentlich ist dabei die Kompetenz der Teammitglieder. Welches sind hier die entscheidenden Faktoren, die individuelle Spitzenleistungen ermoeglichen? Hierzu wurden im Rahmen der Untersuchung von Projekt IPAS 200 Mitarbeiter aus der Software-Entwicklung befragt. Sie sollten eine Person aus ihrem Team benennen, die sie als sehr qualifiziert ansehen und beschreiben, was diese zu einem sehr guten Software-Entwickler macht.

Wesentliche Grundlage fuer individuelle Spitzenleistungen ist eine hohe Fachkompetenz, das heisst Berufserfahrung, projektspezifische Kenntnisse und fachspezifisches Problemloesen. Es zeigt sich, dass Spitzenkraefte nicht unbedingt eine laengere, sondern vor allem eine breitere Erfahrung haben als ihre Teamkollegen.

Sehr gute Entwickler haben in zahlreichen unterschiedlichen Projekten und mit einer groesseren Anzahl von Programmiersprachen praktisch gearbeitet. Nach der Fachkompetenz ist Teamfaehigkeit das von den Teamkollegen am zweithaeufigsten genannte Merkmal sehr guter Software-Entwickler.

Zur Teamfaehigkeit gehoeren Kommunikations- und Kooperationsfaehigkeit, menschliche Qualitaeten sowie Projektleiterkompetenzen. Darueber hinaus sind Aspekte des Arbeitsstils kennzeichnend fuer Spitzenkraefte in der Software- Entwicklung. Aus Sicht der Teamkollegen gehen Spitzenkraefte vor allem methodisch-systematisch an ihre Arbeit heran.

Sie entwickeln haeufig einen eigenen Stil - ohne dabei aber die im Team geschaffenen Konventionen und Vorgaben zu vernachlaessigen. Sie arbeiten haeufig an der Weiterentwicklung von Standards mit. Der Gebrauch von Tools ist - zumindest aus der Sicht der anderen Projektmitglieder - fuer den Arbeitsstil von Spitzenkraeften nicht ausschlaggebend. Insgesamt zeigt sich, dass gerade das Zusammenwirken von Fachkompetenz, Teamfaehigkeit und Arbeitsstil den Kompetenzvorsprung von Spitzenkraeften gegenueber ihren Teamkollegen ausmacht. Fuer die Personalauswahl folgt daraus, dass gleichzeitig fachliche Kompetenzen, Teamfaehigkeit und methodisch- systematisches Vorgehen als Kriterium zu beruecksichtigen sind, wobei vor allem Breite und Variabilitaet der Erfahrung eine wichige Rolle spielen sollten.

In der Aus- und Weiterbildung von SW-Entwicklern sollten soziale Kompetenzen verstaerkt gefoerdert werden. Projekte, die das waehrend des Studiums vermitteln, weisen in diese Richtung.

In der Weiterbildung ist es wichtig, Teamfaehigkeit mit Bezug auf reale Arbeitsaufgaben zu foerdern und solche Trainings weitestgehend in die taegliche Projektarbeit zu integrieren. Noch detailliertere Aussagen ueber die Kompetenz von Spitzenkraeften wird ein Projekt erbringen, das derzeit am Fachbereich Psychologie der Universitaet Giessen durchgefuehrt wird.

(Schluss folgt)

In dieser Serie wird ueber die arbeitswissenschaftliche Untersuchung von Projekt IPAS (Interdisziplinaeres Projekt zur Untersuchung der Arbeitssituation in der Software-Entwicklung) berichtet, die das Bundesministerium fuer Forschung und Technologie

(BMFT) im Rahmen des Programms Arbeit und Technik foerderte. An insgesamt 200 Arbeitsplaetzen in 29 Software-Entwicklungsprojekten wurden Arbeitsanalysen, Interviews und schriftliche Befragungen durchgefuehrt. Die empirischen Ergebnisse sowie Vorschlaege fuer praktische Konsequenzen zum Human Resource Management sind in Buchform beim Oldenbourg Verlag im Juli 1994 erschienen unter dem Titel "Produktivitaet und Qualitaet in Software-Projekten" (Hrsg. Brodbeck, F.C. und Frese, M., 228 Seiten, 78 Mark).