"Es gibt keinen Hinweis, daß BASF uns verkaufen will"

27.09.1991

Mit Rolf Brillinger, Geschäftsführer der Comparex Informationssysteme GmbH, Mannheim, sprach CW-Redakteurin Beate Kneuse.

Die Zeiten, da Comparex "ein Unternehmen von BASF und Siemens" war - so die bisherige Unterzeile auf Briefbögen und Visitenkarten-, sind vorbei. Der Münchner Elektronikriese ist ausgestiegen, die Ludwigshafener sind nunmehr alleinige Besitzer des Mannheimer PCM-Anbieters. Noch läßt sich nicht absehen, welche Auswirkungen diese neue Konstellation für Comparex haben könnte. Das Management in Mannheim indes übt sich in Gelassenheit - gravierende Veränderungen werden nicht erwartet.

CW: BASF hat nun die Drittel-Beteiligung gekauft, die Siemens bislang an Comparex hielt. Sie befinden sich somit zu 100 Prozent im Besitz des Chemiekonzerns. Welche Auswirkungen wird dies für Ihr Unternehmen haben?

Brillinger: Ich bin sicher, daß sich dadurch für uns nichts Entscheidendes ändert. Zum einen hatte BASF vorher bereits die unternehmerische Führung, zum anderen war ich schon vor Gründung der Comparex bei der BASF für das Geschäft verantwortlich tätig und kenne mich demzufolge bei unserer Muttergesellschaft sehr gut aus.

CW: Dennoch ist es doch so, daß BASF als 100prozentiger Eigentümer nun mit Comparex machen kann, was man will, sprich: beispielsweise das Unternehmen von heute auf morgen verkaufen. Beunruhigt Sie diese Vorstellung nicht?

Brillinger: Nein, überhaupt nicht. Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, daß die BASF uns verkaufen will.

CW: Es wird aber spekuliert, daß Comparex als 100-Prozent-Tochter nun bei BASF nur eine Zwischenstation ist.

Brillinger: Diese Spekulation ist genauso falsch wie alle anderen, die seit zwei, drei Jahren in der Welt sind. Keine einzige davon ist eingetreten.

CW: Von BASF verlautete, die Übernahme der Restanteile an Comparex sei "ein Bekenntnis zu dem Computerunternehmen". Dies sei auch nicht schwer, weil es Comparex gut gehe, das Unternehmen Gewinn mache. Fühlen Sie sich durch eine solche Aussage nicht unter Druck gesetzt, sich nun keine Verluste erlauben zu können? Schließlich bewegen Sie sich in einem Markt, der nicht wächst.

Brillinger: Nein. Als Geschäftsführer ist es schließlich meine Aufgabe, positive Zahlen zu erwirtschaften. BASF ist seit 20 Jahren in dem Geschäft aktiv, und von Beginn an ist es in den schwarzen Zahlen gewesen. Dort werden wir auch weiterhin bleiben. Außerdem glaube ich nicht, daß das gesamte PCM-Geschäft an sich Ergebnisprobleme haben wird. Dennoch muß es uns auch weiterhin gelingen, neue Arbeitsgebiete zu finden. Dazu müssen wir über den PCM-Bereich hinaus aktiv werden.

CW: Ihre Strategie - das haben Sie jetzt angekündigt - soll auch in Richtung Open Systems gehen. Wie lange wird es dauern, bis Sie sich zumindest anteilig als Anbieter offener Systeme präsentieren können?

Brillinger: Ich mache ungern Aussagen zu Einzelheiten, bevor ich nicht weiß, inwieweit sie sich realisieren lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir noch im Stadium der Strategie-Definition.

CW: Aber es steht fest, daß Sie sich vom klassischen PCM-Anbieter wegentwickeln wollen...

Brillinger: Ich würde es nicht ein Wegentwickeln, sondern vielmehr ein Weiterentwickeln nennen. Für uns ist es vorstellbar, irgendwann ein Open-Systems-Anbieter zu sein, bei dem der PCM-Bereich nur noch ein Teil des Geschäftes ist.

CW: Normalerweise dauert es gerade im Open-Systems-Bereich einige Jahre, bis man dort Fuß gefaßt hat. Und es kostet eine Menge Geld...

Brillinger: Ganz sicher. In den Open-Systems-Bereich zu gehen, bedeutet erst einmal wieder Investitionen, gar keine Frage.

CW: Aber auch Partner, denn alleine werden Sie diesen Schritt wohl kaum machen können...

Brillinger: Wie schon gesagt: Im Moment befinden wir uns noch im Stadium der Strategie-Definition. Daß aber strategische Allianzen zum Werkzeug gehören, das man benutzen muß, um auf dem Sektor tätig zu werden, ist ganz klar. Es ist durchaus vorstellbar, daß wir mit Software-Unternehmen kooperieren oder auch mit Netzwerk-Anbietern zusammenarbeiten werden.

CW: Ist die Entscheidung für die offene Systemwelt nicht auch eine Entscheidung gegen Hitachi? Ich meine, wollen Sie damit die Abhängigkeit von Hitachi reduzieren?

Brillinger: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. In die Welt der offenen Systeme zu gehen, das erzwingt der Markt, das erzwingen die Kunden. Unsere Kunden erwarten zunehmend, daß wir ihnen dort Lösungen anbieten - und daran arbeiten wir. Mit unserem Lieferanten hat dies nichts zu tun.

CW: Trotzdem würden Sie sich doch von Hitachi entfernen?

Brillinger: Das kann sein, muß aber nicht zwingend so sein.

CW: Noch ein Wort zur weiterhin bestehenden Vertriebsproblematik in Europa. Eine Lösung zeichnet sich nicht ab, noch immer bieten Comparex und Hitachi Data Systems weitgehend die gleichen Produkte in den gleichen Ländern an. Belastet Sie das? Oder stehen Sie mittlerweile auf dem Standpunkt: Wir leben jetzt schon seit zwei Jahren damit und können auch weiterhin damit leben?

Brillinger: Ja. Ich glaube sogar, unsere Situation war vor zwei Jahren schwieriger als heute. Damals wußten wir noch nicht präzise, welche Auswirkungen diese neue Vertriebsstruktur haben würde ...

CW: Das heißt, wie sich Hitachi Data Systems in Europa etabliert?

Brillinger: Richtig. Wir wußten damals nicht, wie stark wir in der veränderten Situation im Verhältnis zu anderen sind. Jetzt wissen wir es, und insofern leben wir heute wesentlich komfortabler als noch vor zwei Jahren. Das ändert nichts daran, daß ich es persönlich für betriebswirtschaftlich ineffizient halte, zwei Kanäle für nicht gleiche, aber doch ähnliche Produktpaletten zu haben. Diese Situation wird immer suboptimal sein müssen.

CW: Glauben Sie denn noch, daß sich am jetzigen Zustand jemals etwas ändern wird?

Brillinger: Eine gute Frage. Aber ich gehe davon aus, daß nichts auf der Welt - so zumindest die bisherige Erfahrung - ewig ist. Wir werden die weitere Entwicklung in aller Ruhe abwarten. Dazu haben wir als 100prozentige BASF-Tochter auch jede Veranlassung.