Revival im Rechenzentrum?/Jede Art von DV-Abteilung steht im Wettbewerb

Es geht nicht um Wiedergeburt, sondern um richtige Positionierung

22.01.1999
Die Frage, ob eine zentrale oder eine verteilte Datenverarbeitung besser ist, stellt sich für Hanjörg Schöne eigentlich nicht. Vielmehr gehe es darum, verteilt und zentral organisierte Infrastrukturen miteinander zu verbinden, interoperabel zu machen.

Der Trend, die Führung der unternehmensweiten DV-Infrastruktur einer Organisation, die aus der zentralen Datenverarbeitung hervorging, also den Managern der Rechenzentren, zu überlassen, ist eindeutig. Diese werden dadurch vor ganz neue Aufgaben gestellt.

Die Zentrale muß lernen, mit neuen DV-Plattformen umzu- gehen, die bislang von Abteilungen oder Geschäftszweigen betreut wurden. Überdies sind komplizierte Fragen des System- Managements zu klären. Das bedeutet mehr Verantwortung im operativen Bereich. Von einer Wiedergeburt des Rechenzentrums oder einer Rückkehr zu alten Lösungen kann man aber nicht sprechen.

Rechenzentren oder zentrale DV-Abteilungen haben zwar an Aufgaben hinzugewonnen, aber nicht gleichzeitig an Macht und Entscheidungsbefugnis. Die Rechenzentren mit ihren neuen Aufgabengebieten sind interne Dienstleistungseinheiten der Unternehmen. Sie setzen operativ um.

Ein Verständnis der Feinstrukturen ist nötig

Die Entscheidung über neue Anwendungen - davon abhängig auch über neue Hardwareplattformen und ob zentral oder dezentral strukturiert wird - fällt meist in den sogenannten Business Units der Unternehmen. Sie verfügen über ausreichend Sachverstand, die zentrale DV-Abteilung wirkt allenfalls als Berater bezüglich technischer Machbarkeit mit.

Ein einheitliches Bild ergibt sich dabei aber nicht. Für Lösungsanbieter ist es deshalb wichtig, die teilweise komplizierten Entscheidungsprozesse und die Aufgabenverteilung zwischen DV-Abteilung und Business Unit beim Kunden genau zu verstehen. Die Entscheidungen unterliegen mannigfachen äußeren Einflüssen. In zunehmendem Maße spielen große Beratungsunternehmen eine Rolle. Rät ein Consulter zur Veränderung geschäftlicher Prozesse, so hat dies heute unmittelbare Auswirkungen auf die DV- Strategie und alle damit zusammenhängenden Fragen.

RZs sind nicht mehr Herrschaftsterritorien

Das RZ als interner Dienstleister steht im Wettbewerb zu externen Service-Anbietern und muß sich mit diesen ständig bezüglich Preis- Leistungs-Verhältnis, Verfügbarkeit, Skalierbarkeit, Integration, Time to Market etc. messen lassen. Die Spielregeln in diesem Wettbewerb sind von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Manche DV-Abteilungen werden als Cost-Center geführt, manche als Profit-Center, wieder andere wurden sogar ausgegliedert, oft als Joint-venture mit anderen Firmen. Die Grenzen sind fließend und nicht mehr an die der Firma gebunden.

Von einer Rückkehr zu den alten Zeiten, in denen das Rechenzentrum unangefochten - und in manchen Fällen unkontrolliert - alle Fragen der Datenverarbeitung im Unternehmen bestimmt hat, kann also keine Rede sein. Unwichtig ist das RZ deshalb noch lange nicht: Das Funktionieren der komplexen unternehmensweiten DV-Infrastruktur bleibt von entscheidender Bedeutung für den geschäftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Hansjörg Schöne ist Technical Marketing Manager bei Amdahl in München.