Erste Details ueber ein objektorientiertes Unix veroeffentlicht USL bringt Microkernel- und SMP-Versionen von Unix SVR4.2

18.06.1993

MUENCHEN (ls) - Aus dem Multiprozessor-Betriebssystem Unix System V, Release 4.2 MP, gehen zwei neue Linien des offenen Systems hervor: das symmetrische Multiprozessor-Unix SVR4.2 SMP sowie die Microkernel-Version SVR4.2 MK. Ausserdem hat Unix System Laboratories (USL) Details eines Projekts fuer ein objektorientiertes Unix bekanntgegeben.

Der noch junge Unix-Ableger SVR4.2 MP koennte bald nur noch in kleineren Multiprozessor-Umgebungen zu finden sein. Wie Morris Schwartz, Marketing-Director der USL Europe, einraeumte, sei dieses im Fruehjahr letzten Jahres vorgelegte System eine 13 Millionen Dollar teure Eilentwicklung gewesen, die auf Druck einiger Unix- Anbieter zustande gekommen sei. Das Ergebnis war insofern unbefriedigend, als das System nicht voll multithreaded war.

Dieses Defizit ist mit SVR4.2 SMP nun behoben; Kernel und Komponenten sind voll multithreaded. Das SMP-Release unterstuetzt sowohl symmetrische als auch asymmetrische MP-Umgebungen. Nach USL-Angaben gehen weniger als zehn Prozent der Leistung eines zusaetzlichen Prozessors in der Gesamtkonfiguration verloren. SVR4.2 SMP entspricht allen in der Unix-Welt gaengigen Standards und ist zulassungsfaehig fuer das Sicherheitslevel C2. USL liefert fuer das System auch spezielle Entwicklungs- und Test-Tools.

Gleichzeitig hat USL unter dem Titel SVR4.2 MK die erste Microkernel-Variante des Unix-Klassikers angekuendigt. Erwartungsgemaess basiert dieses System groesstenteils auf Entwicklungen des franzoesichen Unternehmens Chorus Syst=emes. Mehrere weitere DV-Firmen, namentlich Unisys, haben zur Weiterentwicklung des Chorus-Kernels beigetragen. Eine Zusammenarbeit gab es auch mit der Carnegy Mellon University, um in den Chorus-Kernel Elemente zu integrieren, die die Interoperabilitaet mit deren Mach-Kernel sicherstellen.

Unix SVR4.2 MK ist modular aufgebaut. Es besteht aus mehreren, voneinander unabhaengigen Servern, die auf einem Nukleus aufsetzen und jeweils fuer Teilaufgaben im Betriebssystem zustaendig sind. Diese verteilten Server sind der Boot-Server sowie Streams-, File- , Consistency- und Lock-Manager. Trotz der neuen Struktur ist es nach USL-Angaben nicht notwendig, Anwendungen von SVR3.2, 4.0 oder 4.2 (Unixware) fuer eine Migration zum Microkernel zu rekompilieren.

Die "naechste Generation von Unix SVR4.2" wird einem USL-Dokument zufolge objektorientiert sein. Mit diesem Unix, an dem unter dem Codenamen Unix SVR4.2 OO die USL inzwischen mit einer Projektgruppe arbeitet, ist nach Aussagen von Europa-Manager Morris Schwartz "sicher nicht mehr 1993 und auch nicht 1994" zu rechnen. Das Erscheinen des Produkts fuer 1995 zu erwarten sei realistisch.

Die Verzoegerung habe unter anderem die Ursache, dass die Einigung der Industrie auf Standards fuer die Objektorientierung trotz der Aktivitaeten der Object Management Group (OMG) nicht weit genug vorangeschritten sei. Laut Schwartz unternimmt USL daher zur Zeit keine Einzelgaenger-Initiative, sondern bezieht eine "abwartende Haltung".

SVR4.2 OO soll das Microkernel-System SVR4.2 MK laut USL-Papier "in evolutionaerer Weise verfeinern". Das objektorientierte Unix soll ein General-purpose-System fuer Umgebungen aller Groessenordnungen und Hardwarevoraussetzungen werden. Es soll unter anderem ueber Standard-Interfaces fuer verschiedene Microkernel- Architekturen und objektorientierte Umgebungen verfuegen und dadurch die Entwicklungszeiten fuer Applikationen verkuerzen. Besonderes Interesse bekundet Schwartz an einer Kooperation mit Microsoft in Sachen Objektstandards.