Universitäten verlangen Zulassungsbeschränkungen

Erste Absagen für den Numerus clausus in Informatik

08.06.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Numerus clausus (NC) im Fachbereich Informatik ist für viele Universitäten das letzte Mittel, um den Ansturm auf das Studienfach einzudämmen. Schon jetzt leidet das Niveau vieler Hochschulen an überfüllten Hörsälen und der geringen Anzahl an Professoren. Doch bei Bund und Ländern gelten andere Kriterien: Sie wollen IT-Absolventen um jeden Preis.

Seitdem führende Verteter aus Politik und Wirtschaft für das Studienfach Informatik geworben hatten, verdoppelte sich die Anzahl der Studienbewerber an den Universitäten. Doch die vorhandenen Kapazitäten reichen bei weitem nicht aus, um die zugelassenen Studenten gut auszubilden.

So habe das von Bund und Ländern finanzierte Notprogramm für die Informatikausbildung in Höhe von 100 Millionen Mark nur geringe Wirkung gezeigt, erklärte kürzlich der Fakultätentag. Um aus dem Fonds Mittel zu erhalten, musste beispielsweise die Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität einen neuen Masterstudiengang einrichten, da laufende Studiengänge nicht unterstützt werden können. "Bis zum Jahr 2004 bekommen wir im Rahmen des Programms eine befristetete Professur in Höhe von 490 000 Mark, das ist alles", klagt die Referentin des Dekans, Carola Lehmann. Die Hochschule habe im letzten Jahr sehr gute Kritiken erhalten, mit der derzeitigen Überschreitung an Kapazitäten, werde es jedoch schwer fallen, dieses Niveau zu stabilisieren.

Ähnlich besorgte Gesichter gibt es an der Universität Bonn. Dort musste man im letzten Wintersemester eine Auslastung von 240 Prozent verzeichnen. Deshalb beantragte die Hochschule eine Zulassungsbeschränkung beim Ministerium in Düsseldorf. Doch die Landesministerin Gabriele Behler ließ bei einem öffentlichen Auftritt keinen Zweifel darüber aufkommen, wer die Grenzen absteckt: Für ganz Nordrhein-Westfalen werde es keinen NC geben.

An der Universität Dortmund erhielt man bereits Mitte Mai die Botschaft. Mit der knappen Begründung, dass das öffentliche Interesse einen freien Hochschulzugang verlange und eine Zulassungsbeschränkung kontraproduktiv wäre, lehnte das Ministerium den Antrag auf einen NC ab. "Auf bis zu 1000 Studienanfänger kommen nur 350 Plätze", gibt der Dekanatsmitarbeiter der Universität, Hans Decker, zu bedenken. Nun sei möglicherweise mit einer erhöhten Abbrecherquote und noch längeren Studienzeiten zu rechnen.

Auch die Universitäten Koblenz, Mannheim, Rostock und Hamburg wollen die Zulassung zum Fachbereich Informatik weiter einschränken. Nur an den drei Berliner Hochschulen scheint die Lage weniger bedrohlich. "Wir sind der Ansicht, dass hier im Wesentlichen alle Bewerber aufgenommen wurden", meint Referatsleiter Studienverwaltung Wolfgang Röcke von der Freien Universität Berlin. Danach hätten sich im letzten Semester etwa 1000 Kandidaten auf 500 Stellen in der Hauptstadt beworben. Man muss jedoch davon ausgehen, erklärt er, dass sich viele an zwei oder sogar drei Hochschulen beworben haben.

Die Freie Universität verfügt über eine jährliche Kapazität von maximal 150 Plätzen. Bei ihr hatten sich 360 Bewerber für den begehrten Studiengang angemeldet, was nach Meinung von Röcke unterm Strich bedeutet, dass die künftigen Studenten zwar möglicherweise nicht an die Uni ihrer Wahl gekommen sind, aber dennoch ein Informatikstudium aufnehmen konnten. Die trotz knapp ausreichenden Kapazitäten beim Ministerium erneut beantragte Zulassungsbeschränkung diene vielmehr dazu, die hohe Abbrecherquote zu senken. "Der rein mathematische Studieninhalt wird oft unterschätzt, mit einem NC bekommen wir die Leute, die wirklich wollen", erklärt Röcke.

Für den Dekan der Fakultät Elektrotechnik und Informatik an der Technischen Universität, Adam Wolisz, zeichnet sich allerdings noch ein weiteres Problem ab. Im Zuge der Sparmaßnahmen wird in das so notwendige Equipment nur minimal investiert. "Wenn wir unsere Ausstattung nicht über Drittmittel und Forschungsprojekte bekommen würden, müsste ich meine Kollegen bitten, ihren Computer von zu Hause mitzubringen." Die Industrie hierzulande verstehe immer noch nicht, dass auch sie von der Weitergabe an technischen Mitteln profitieren könne, meint Wolisz. In den USA würden die Universitäten kaum einmal Computer kaufen. Die amerikanischen Unternehmen dagegen seien froh, dass die Studenten an ihren Prototypen oder Vorversionen arbeiten.