Erst Unidata, dazu ICL, vielleicht auch einen amerikanischenPartner und dann rund 12 Prozent vom Weltmarkt

07.02.1975

Dr. Gerhard Maurer und Konrad Müller-Christiansen sprachen mit Bundesforschungsminister Hans Matthöfer

- Über Unidata wird in Europa zur Zeit wieder auf höchster Ebene gesprochen. Wie steht die Bundesregierung heute zu der industriellen Verbindung von Philips Siemens und CII?

Unsere Haltung ist unverändert positiv. Wir sind nach wie vor der Ansicht, daß die europäischen Hersteller der mittleren und großen DV-Anlagen sich zusammenschließen müssen und sollen, wenn sie auf dem Weltrmarkt überleben wollen. Darüber bestand auch in meinen bisherigen Gesprächen mit meinem französischen Kollegen Michel d'Ornano immer Übereinstimmung.

- Welche Aufgaben soll und kann Unidata übernehmen?

In der Gründungsabsicht ist festgehalten, daß Unidata eine leistungs- und wettbewerbsfähige Alternative zu der großen amerikanischen Firma auf diesem Gebiet sein soll. Nur so können die europäischen Staaten sich eine autonome Rolle auf dem Gebiet dieser Schlüsseltechnologie sichern.

- Was wird den deutschen Steuerzahler Unidata kosten?

Das ist sehr schwer zu sagen, weil mehrere Länder partizipieren und weil auch die Beteiligten Opfer bringen müssen. Die Verluste von Siemens in diesem Jahr in der DV sind sicher wesentlich größer als was der Bund für Unidata leistet. In Mark und Pfennig ausgedrückt sind das etwa 130 Millionen.

- Warum beschäftigen sich die Regierungen mit dem Problem Unidata und warum überlassen sie die Initiativen nicht vielmehr den europäischen Firmen?

Dazu muß man die Größenordnungen sehen. Die Umsätze von Unidata und ICL, der größten europäischen DV-Firma, zusammen ergeben etwa zwei Drittel des Gewinns - nicht des Jahresumsatzes - von IBM. Man erkennt unschwer, daß Unidata und ICL sich gegenüber diesem Giganten in der Position befinden, nicht aus eigener Kraft durchhalten zu können.

Wir als Regierung stehen vor der Frage, ob wir zusehen wollen, daß die gesamten europäischen Interessen vom Markt gefegt werden; ob wir auf dem Gebiet der DV zu einer amerikanischen Kolonie werden wollen. Und da bin ich als Forschungsminister der Bundesregierung der Meinung: Nein! Wir sollten als Europäer in dieser wichtigen Schlüsseltechnologie präsent sein. Wir sollten hier über eigene Kapazitäten verfügen. Das liegt in unserem langfristigen Interesse.

- Noch steht ICL vor der Tür von Unidata. Glauben Sie, daß sich die Situation bald ändern wird?

Ob bald, weiß ich nicht. Im Moment wird die Lage von ICL wohl anders gesehen als von uns. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, daß der Zwang der Entwicklung ICL dazu bringen wird, sich nach potenten europäischen Partnern umzusehen und sich mit ihnen zusammenzuschließen.

- Die Regierungen greifen doch relativ stark in die Entwicklung von Unidata ein. Besteht dadurch nicht die Gefahr, daß nationale Querelen den Weg des multinationalen Unternehmens blockieren?

Diese Gefahr müssen wir ohne Zweifel im Auge behalten. Doch haben wir es hier mit einem Unternehmen zu tun. Und deshalb sind wir auch der Meinung, daß Unidata ein leistungsfähiges, das Unternehmen als Einheit führendes Management erhalten muß. Das ist das nächste Ziel.

- Wie wollen Sie vom Triumvirat zu effizientem, einheitlichem Management kommen?

Das wäre im Grunde nicht unsere Aufgabe. Wir sind mit Siemens der Meinung, daß Unidata ein strafferes Management benötigt als es die augenblickliche Konstruktion erlaubt. Als Bundesregierung wollen wir uns aber nicht zu sehr einmischen und vor allem keine Verantwortung übernehmen, wo wir keine Zuständigkeit beanspruchen. Siemens hat bereits Vorschläge für das Management gemacht. Aber auch CII und Philips verfügen über Erfahrungen mit internationalem Management. Ich glaube, daß die drei Partner schon in der Lage sein müßten, ein solches Unternehmen mit einer leistungsfähigen Managementstruktur auszustatten.

- Wie lange wollen Sie zuschauen und sehen, daß das nicht geschieht?

Erstens muß man sehen, daß der Übergang zu neuen Produktreihen für CII eine ganz beachtliche finanzielle Belastung bedeutet. Ich vermute, daß CII mit der französischen Regierung die Frage klären muß, wie diese Belastungen am besten getragen werden können. Dann hat es eine ganze Reihe von Spekulationen über die weitere Entwicklung von Unidata und CII gegeben. Wir glauben, daß diese Spekulationen wahrscheinlich CII nicht genutzt, sondern die Kunden verunsichert haben.

- Wie groß muß der Umsatz sein, damit die gemeinsame Firma sich trägt?

Wir meinen, daß sich der Anteil von Unidata am Umsatz des Weltmarktes - 1973 betrug er am Liefervolumen gemessen 4,7 Prozent - verdoppeln bis verdreifachen müßte. Unidata muß sich so entwickeln, daß es längerfristig aus eigener Kraft die Konkurrenzsituation mit IBM aushält. Im Zusammenhang mit der amerikanischen Trust-Situation wird es nämlich immer Lebensmöglichkeiten für Konkurrenten geben.

- Halten Sie dieses Ziel für erreichbar, ohne daß Unidata auf den amerikanischen Markt geht?

Ich möchte gar nicht ausschließen, daß Unidata auch auf den amerikanischen, japanischen oder australischen Markt geht. Ich würde auch nicht ausschließen, daß sich Unidata eventuell nach Verbindung mit ICL - mit einem potenten amerikanischen Partner irgendwie zusammentut. Wir wollen ja eine autonome und keine autochtone Technologie, das heißt eine ausschließlich bei uns entwickelte Technologie. Wir wollen ja ruhig auch amerikanisches Know-how. Wir wären kurzsichtig, wollte man das ausschließen. Unidata und ICL in einem schlagkräftigen Unternehmen vereint und dann noch ein potenter amerikanischer Partner als Know-how-Lieferant, das wäre eine ideale industrielle Kombination.

- Wann könnte dieses Ziel erreicht sein?

Noch lange nicht. Es wird noch viel Arbeit kosten. Und ich habe als Politiker gelernt, mit solchen Aussagen vorsichtig zu sein. Wenn man eine gute Strategie hat - und ich glaube, daß unsere Strategie gut ist - fleißig und mit Energie arbeitet und fest auf seinem Ziel beharrt, dann - auch das habe ich in der Politik schon erlebt - sind irgendwann überraschend Entwicklungen eingetreten, die einem zum Erfolg verholfen haben.

- Glauben Sie, daß Ihre Kollegen in den anderen europäischen Hauptstädten mit Ihnen am gleichen Strang ziehen werden?

Ich glaube, daß meine Kollegen in Paris und London - und auf die kommt es letzten Endes vor allem an - über unsere langfristigen Vorstellungen nicht im Unklaren sind. Von Abstimmung zu sprechen, wäre jedoch übertrieben. Bei den Gesprächen habe ich erfahren, daß es auch andere Strategien - vor allem in Großbritannien - gibt. Dort scheint die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen zu sein. In Frankreich hingegen ist der Prozeß der Abstimmung bereits in vollem Gange.