Auf der Suche nach der optimalen und preisgünstigsten Lösung:

Erst Anwendungsanalyse - dann gezielte LAN-Entscheidung

06.07.1984

Der Begriff Lokales Netzwerk (LAN) ist für viele die vermeintliche Lösung zu allen Datenkommunikationsproblemen in der morgigen Bürolandschaft - möglicherweise aber nicht immer die kostengünstigste: Ein US-Marktforscher stellte vor einiger Zeit in Europa fest, daß von den

meisten eingesetzten LANs bei zwei Dritteln auch billigere Lösungen ausgereicht hätten. Da es bisher aber noch keine standardisierten Lösungen gibt, muß jeder Entscheidung eine gezielte Anwendungsuntersuchung vorangehen.

Vom Standpunkt der Anwendung sind zunächst verschiedene Fragen zu klären: Welche Informationsformen - Daten, Text, Grafik, Sprache und Bewegtbild - sollen übertragen werden?

Während die ersten dieser Informationsformen heute schon ohne Schwierigkeiten integriert in Datenform übertragen werden können, ist das bei der Sprache etwas anderes. Viele LANs vermeiden daher bewußt Lösungen mit gleichzeitiger Sprachübertragung; die sich ergebenden Probleme löst man bei derartigen Anlagen lieber getrennt.

Neben den verschiedenen Informationsformen muß man auch noch die folgenden zwei besonders wichtigen Anwendungsunterschiede berücksichtigen:

- Vermitteln und Managen von Informationen

- Vermitteln und Übertragen von Informationen, insbesondere in Datenform.

Während im ersten Fall die Anschlüsse der Ports oder Terminals auf Verlangen der Bedienungsperson durchgeführt werden, handelt es sich im zweiten Fall um das Herstellen von Verbindungen von Computern unter sich und mit Terminals. Im ersten Fall ergeben sich weniger Fehlermöglichkeiten, da die Anlage von Menschenhand bedient wird, und auch keine speziellen Forderungen nach Protokollen zur Fehlerkontrolle. Im zweiten Fall dagegen sind Fehlerkontrollprotokolle unbedingt notwendig. Typische Anwendungen für den ersten Fall sind zum Beispiel

Textautomation, Anschlüsse von Personal Computern ergeben für den zweiten Fall die typischen Computervernetzungen .

Wenn diese erste Frage geklärt ist, ergibt sich für den Anwender gleich die nächste: Wie groß ist die zu übertragende Bitrate? Sie ergibt sich aus den Informationsformen, die zu übertragen sind und aus den gestellten Aufgaben. Hierbei kann man praktisch den gesamten Datenstrom in folgende Anwendungsgruppen unterscheiden (ohne zu vergessen daß dezentrale Intelligenz die Bitrate verringert):

- Kategorie I für niedrige Bitraten (bis 19,2KBit/s)

Hierunter fällt der Übertragungsverkehr von intelligenten Terminals für einen gewissen Umfang an Daten- und Textverkehr.

- Kategorie II für Bitraten bis 65 KBit/s

Diese Kapazität erledigt die meisten Anforderungen an Text- und Datenverkehr und in gewissem Umfang auch Grafikanwendungen. Bei gleichzeitiger digitaler Sprachübertragung lassen sich auch noch viele der eben erwähnten Übertragungsprobleme lösen.

- Kategorie III bis 10 MBit/s

Hier lassen sich die meisten Daten- und Sprachübertragungen und auch Bildübertragungen lösen.

- Kategorie IV > 10 MBit/s

Diese Kategorie kommt vor allem bei Forderungen nach Videoübertragung und für große Unternehmen in Frage, soll jedoch hier nicht betrachtet werden.

Es ist unbedingt notwendig, sich vor einer Entscheidung für ein lokales Netzwerk, eindeutig mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Aber ebenso wichtig, gerade im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten, ist die Frage: Wie groß ist die Fläche beziehungsweise wie groß sind die Entfernungen zwischen den Terminals und dem zentralen Computer? Diese Frage, die für die praktische Lösung sehr wichtig ist, bestimmt das Übertragungsmedium:

- verdrillter Draht (zweidrähtig, vierdrähtig und abgeschirmt),

- Koaxialkabel oder

- Glasfaser.

Am Beispiel des einfach verdrillten Drahtes soll uns die Bedeutung klargemacht werden. Die maximale Bitrate beträgt

- 1 MBit/s für Entfernungen bis zwei Kilometer und mehr

- 64 KBit/s bis fünf Kilometer und mehr

- 19,2 KBit/s bis neun Kilometer und mehr

- und bei 2,4 KBit/s beträgt die Entfernung über 15 Kilometer.

Man sieht deutlich, daß das teurere Koaxialkabel sich nur bei großen Entfernungen und sehr hohen Bitraten lohnt. Wenn diese Fragen hinreichend und genau geklärt sind, kann man sich mit den Lösungsmethoden und vor allem auch damit befassen, ob ein LAN benötigt wird oder ob sich andere Möglichkeiten ergeben.

Die Bitratenalternativen zeigen folgende Möglichkeiten auf:

- Kategorie I bis 19,2 KBit/s

- "Data over voice" in Nebenstellenanlagen; unabhängig von der Sprachübertragung und Vermittlung werden über Modems Daten übertragen. Ein Beispiel ist der Superset 4 von Mitel, bei dem das Modem im Telefon integriert ist.

- Portselektoren; diese Geräte stellen Terminal-und/oder Portverbindungen mit Computern her. Vorteil der beiden Lösungen sind geringe Kosten.

- Kategorie II bis 64 KBit/s

Je nachdem, wie groß die Entfernungen zwischen den Terminals sind, braucht man ein Übertragungsmedium oder auch nicht. Im letzteren Fall reicht ein Kommunikationsschalter, von dem aus die Verbindungen hergestellt werden.

Erst bei größeren Entfernungen ist ein lokales Netzwerk erforderlich und je nach Entfernung mit dem Medium verdrillter Draht oder Koaxialkabel.

- Kategorie III bis 10 MBit/s

Auch hier reicht für kleinere Entfernungen noch ein Kommunikationsschalter, der in sich wie ein LAN ohne Übertragungsmedium aufgebaut ist. Durch Protokollkonversionsmöglichkeiten aller Art und beispielsweise durch interne Basisbandtechnologie und Zugriffsverfahren von Token Passing wie beim Datus-Kommunikationsschalter lassen sich LAN-Probleme bei begrenzter Fläche leicht lösen. Aber auch andere Technologien und Zugriffsverfahren kommen vor.

*Dr. Carl Friedrich Schuh ist als Unternehmensberater in Nürnberg tätig.