Erinnerungen an Commodore

06.05.1994

Dieter Eckbauer

Der Kolumnist erinnert sich an die Zeit, in der die deutsche Commodore-Filiale die Balltreter des FC Bayern sponserte, das war Mitte der 80er Jahre, und der PC-Pionier schien den Niederungen des Massenmarktes entrueckt zu sein. Jedes Kind kannte die C64- Home- und Hobbycomputer - Commodore sollte als Nobelmarke fuer berufliche Anwender, fuer Manager etabliert werden. Der Aufstieg in die Business-Klasse misslang. Und wenn auch der Absturz zunaechst vermieden werden konnte, so verlor die Commodore-Maschine von da ab doch kontinuierlich an Hoehe. Zuletzt schrumpfte der Quartalsumsatz auf die 70-Millionen-Dollar-Marke - jetzt befindet sich das Unternehmen in Liquidation, ein Investor wird gesucht (Seite 1).

Die Frage nach der Zukunft soll uns hier nicht beschaeftigen, so sehr sie die Anwender interessiert. Der Aufstieg und Fall von Commodore ist schon historisch. Commodore steht fuer eine DV-Aera, in der sich der State-of-the-art der Computeranwendung in Unternehmen immer mehr vom eigentlichen Benutzer wegbewegte, in der sich die Schere zwischen dem, was technisch am Arbeitsplatz moeglich war, und dem, was die zentrale DV-Organisation zuliess, immer weiter oeffnete. Die DV-Doktrin hiess Master-Slave, (Daten- )Endstation war das dumme Terminal. So wurde der PC, der in einer Subkultur aufwuchs, zum Symbol fuer den Wunsch nach einer benutzernahen DV.

Commodore war an der PC-Revolution massgeblich beteiligt. Das ist nicht uebertrieben: Kein anderer PC-Hersteller hat so viel fuer die Popularisierung des Computers getan - nicht einmal Apple. Dass ein Commodore-Einstiegsmodell einmal als "Volkscomputer" Furore machen sollte, auf diese Markenbezeichnung jedoch verzichtet wurde, weil Commodore eine negative Reaktion der amerikanischen Verbraucher wegen der Affinitaet zu "deutschem Gut" befuerchtete, gehoert eher zu den Kuriositaeten der PC- Geschichte.

Ironie des Schicksals: Der Entwickler des legendaeren "PET"- Computers wurde von einer Lawine ueberrollt, die er einmal selbst losgetreten hatte. Frueher als alle anderen PC-Hersteller erkannte Commodore, dass der wichtigste Desktop-Markt die Unternehmen sind. Jetzt schliesst sich der Kreis: Die PC-Industrie der neuen Intels, Compaqs, Microsofts und Novells erobert das "Enterprise". Die Revolution frisst ihre Commodore-Kinder.

Der Anfang vom Ende liegt weiter zurueck, als die meisten PC- Chroniken ausweisen. "Commodore zwischen Heim und Host" schrieb die CW am 1.Oktober 1982. Wir sahen den damaligen PC-Primus angesichts zunehmender Konkurrenz bedroht: "Mainframer, Mini- Macher, MDT-Lieferanten und Terminalanbieter haben erkannt, dass sich Commodore und Kompagnons (Tandy, Apple etc.) am Bueroarbeitsplatz breitmachen wollen." Es wird Commodore kaum troesten, dass auch IBM, Digital Equipment, Wang und NCR - um nur einige der damaligen Gegner zu nennen - nicht unbeschadet aus der Sache herausgekommen sind. Gewonnen haben andere. The show must go on.