Investitionen in die Arbeitsumgebung lohnen sich

Ergonomische Arbeitsplätze fördern Motivation der Mitarbeiter

31.05.1991

Der Umstieg vom Zeichenbrett ins CAD-Zeitalter erfordert einen hohen Aufwand bei der Planung, Organisation und Auswahl des Systems. Auf dem Altar der Technik wird häufig ein Arbeitsumfeld geopfert, das dem Menschen diente: der freie Wechsel zwischen Sitz- und Steharbeitsplatz der schnelle Griff zu Unterlagen und die Möglichkeit, selbst Einfluß auf die Arbeitsplatz-Gestaltung auszuüben. Markus Schmidt* stellt dar, was bei einem ergonomischen CAD-Arbeitsplatz berücksichtigt werden sollte.

Zwar gibt es Normen für die Arbeitsplatz-Gestaltung - doch haben derlei Vorschriften ein Manko: Sie hinken der technischen Entwicklung hinterher und sind deshalb in vielen Fällen nur als Mindestanforderung zu betrachten. Normen sollten beachtet werden, aber in das System sollten über sie hinausgehende Variationsmöglichkeiten integriert sein. Hierzu zählen Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick oft unbedeutend sind, wie Höhenverstellungen und erweiterte Platten-Neigbarkeit.

Neu in der Diskussion um Ergonomie am Arbeitsplatz sind zwei Bereiche, die die heute gültigen Normen nicht unbedingt abdecken. Dazu gehören das Mobiliar, das dem Mitarbeiter noch Freiräume läßt, und die flexible Integration der Technik. Leider herrscht immer noch der Gedanke vor, daß sich der Mensch an die Technik anzupassen hat.

Der Arbeitsplatz ist mehr als nur "Stellfläche" für Rechner, Bildschirm, Tastatur und Maus. Vielmehr sollten das Umfeld mit Besprechungs- und Ablagemöglichkeiten, aber auch Geräuschkulisse, Licht, Luft sowie Klima bei der Planung fortschrittlicher Grafik-Arbeitsplätze berücksichtigt werden.

Die Beachtung des "Drumherum", besonders bei CAD-Plätzen, kann eigentlich nicht früh genug beginnen. Zum einen ist es aus Budget-technischen Gründen schwierig, nach der CAD-Einführung das notwendige Mobiliar genehmigt zu bekommen. Dazu kommt, daß der beste Ergonom Hardwaremängel wie beispielsweise überdimensionierte Tableaus nicht mehr ausbügeln kann.

Um diese Schwierigkeiten zu minimieren, sind Diskussionen mit dem Endabnehmer und Gespräche zwischen Herstellern von Hard- und Software sinnvoll. Kunden, die sich über die technischen Inhalte ihrer neuen CAD-Anwendung informieren, werden so auch mit dem Gedanken der Gestaltung des Arbeitsplatzes frühzeitig in Berührung gebracht. Parallel dazu sehen die Hersteller, wo produkttechnische Veränderungen im Sinne der Ergonomie erforderlich sind.

Die Erfahrung aus der Arbeit mit Computern zeigt, daß die Belastung des Körpers sich vom Bandscheiben- und Arm-/Handbereich in Richtung Nacken-/ Schulterbereich und Augen verschoben hat. Das bedingt heute unter anderem, daß der Positionierung des Bildschirmes neues Gewicht beigemessen wird und entspiegelte Displays notwendig sind.

Ergonomen plädieren für einen tiefer gelegten Bildschirm, um den Winkel zu verkleinern, den das Auge bei stetem Blickwechsel vom Schirm zu Tastatur und Grafiktablett überstreichen muß. Dieser Gedanke wurde bereits in den 70er Jahren aufgegriffen, aber seiner Realisierung stand damals eine Verordnung der Berufsgenossenschaften entgegen, die auch heute noch gilt und vorschreibt: "Bildschirm auf Augenhöhe". Bei neueren CAD-Arbeitsplätzen sieht man schon vereinzelt, daß die hintere Platte im Sinne der "neuen" Ergonomie tiefer gesetzt werden kann und der Bildschirm so geneigt ist, daß er im rechten Winkel zur Blickrichtung steht und auf Höhe des Grafiktabletts positioniert ist.

Bewegungsapparat wird stärker belastet

Bei reinen DTP- und Textverarbeitungsanwendungen gibt es zum Teil schon eine Neigung des tiefergelegten Displays um 30 bis 40 Grad zur Vertikalen. Dies ist für CAD jedoch nicht empfehlenswert, da der Augenabstand leicht zu groß wird das Tableau muß mit einkalkuliert werden. Hier geht die Empfehlung hin zu einer Neigung von 10 bis 15 Grad zur Senkrechten. Die Bildschirmunterkante liegt dabei eben noch im unteren Blickbereich. Als Standardmaß für die vordere Arbeitsplatte des dualen Möbelsystems haben sich 600 Millimeter Tiefe herauskristallisiert, wobei aber auch Übergrößen von 800 und 900 Millimetern lieferbar sind.

Ein weiterer Bereich, der Interesse verdient, führt in der heutigen Diskussion zurück zur ursprünglichen Arbeit des Ingenieurs. Am früher gebräuchlichen Zeichenbrett widmete sich der Konstrukteur einem relativ kleinen Feld in einer großen Fläche. Die Augenmuskulatur sowie die Hand- und Armmuskulatur wurden dadurch wenig beansprucht. Die heutige Arbeit an einem CAD-System mit Maus oder Grafikstift auf einem modernen Tablett stellt nur noch einen räumlich sehr kleinen Arbeitsbereich ohne Variationsmöglichkeiten dar, auf dem sehr kleine und genaue Handbewegungen ausgeführt werden. Der

Bewegungsapparat im Bereich Hand, Arm und Schulter unterliegt dadurch einer höheren Belastung.

Ältere Systeme mit einem Tableau der Größe DIN A2 bis DIN Al nehmen zwar auf diese Strapazierung Rücksicht, bedingen aber gleichzeitig häufig einen zu großen Augenabstand vom Bildschirm. Diesen Wert mildert eine nach vorn verschiebbare hintere Platte für das Display; allerdings ist hier wiederum das "Tieferlegen" problematisch oder unmöglich und der hintere Teil des Tabletts wird abgedeckt, ist nicht erreichbar. Als Konsequenz aus diesem Beispiel sind die Hardwarekonstrukteure aufgefordert, das Zusammenspiel der Systemkomponenten auch unter ergonomischen Gesichtspunkten stärker zu überdenken.

Körperliche Probleme wie Verspannungen oder Kopfschmerzen können bei unergonomischen Arbeitsplätzen, so zeigt die Erfahrung, schon innerhalb von ein bis zwei Wochen auftreten. Für Abhilfe sorgen können hier spezielle Möbelsysteme, die die Bewegungsbedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen.

Synchronmechanik des Drehstuhls, bei dem sich Sitz und Rücken beim entspannenden Zurücklehnen im Winkel öffnen, ist neben permanentem Kontakt und großflächiger Abstützung durch Sitz und Rückenfläche eine Grundvoraussetzung für entspanntes Arbeiten. Abwechselndes Sitzen und Stehen, so wie es dem Konstrukteur früher an seinem Zeichenbrett möglich war, entlasten die Muskulatur und fördern den Kreislauf.

Bei einem Sitz- und Stehplatz, so wie er heute angeboten wird, sollte der Anwender auf eine schnelle, stufenlose Verstellung achten. Elektromotoren haben sich nicht sonderlich bewährt: Einerseits benötigen sie eine zu lange Verstelldauer, zum anderen kann der Elektromotor durch seine Stromnetz-Belastungen in extremen Fällen ein CAD-System zum Abstürzen bringen.

Mechanische Federsysteme besitzen den Vorteil, daß sie von ihrer Vorspannung her präzise auf die Gewichte der Hardwarekomponenten und, der Platte einzustellen sind - der Arbeitsplatz befindet sich so in einer Art justiertem Schwebezustand und bedarf nur noch eines sehr geringen Kraftaufwandes zur Verstellung.

Vordere und hintere Arbeits- und Stellplatte sollten gemeinsam verstellt werden, da sonst jedesmal das Verhältnis der Platten zueinander neu zu justieren ist und eventuell Kabelzerrungen der miteinander verbundenen Rechnerelemente auftreten.

Die Verkabelung der CAD-Komponenten besteht bei gut durchdachten, modernen Möbelsystemen aus einzelnen Baugruppen, die auch nachträglich in das System integriert werden können. Hardwarezukäufe sowie Veränderungen des Mobiliars fallen so nicht mehr groß ins Gewicht. Die Integration der korrekten Steckverbindungen in diese Module versteht sich - eigentlich - von selbst. Dies wird in der Praxis leider noch zuwenig berücksichtigt.

Moderne Ergonomen trennen den grafischen Arbeitsplatz räumlich und funktional von dem informativen und dem kommunikativen Part eines CAD-Arbeitsumfeldes. Der Arbeitsplatz zur Grafikverarbeitung ist zwar mit dem Schreibtisch verbunden, an dem die übliche Bürotätigkeit durchgeführt wird, stellt aber von der Funktion her eine eigenständige Einheit dar. Dazu gesellt sich ein kleinerer Konferenz-Arbeitsplatz zur Besprechung von Ergebnissen und zur Planung im Team.

Hier finden die Gestaltungsvorstellungen des Anwenders breiten Raum, sofern die notwendige Flexibilität des Systems gegeben ist - und außerdem die Möglichkeit besteht, bisher reine Sitz-Arbeitsplätze umzurüsten und individuell anzupassen.

Nicht zu vergessen ist eine leicht zu verändernde Höheneinstellung, wenn an einem grafischen Arbeitsplatz mehrere Mitarbeiter im Wechsel tätig sind. Übergrößen spielen ebenso eine Rolle wie die Berücksichtigung etwaiger Behinderungen der Mitarbeiter, die von möglichst extensiven Höhenverstell-Einrichtungen abzufangen sind.

Rastbare Verstellmöglichkeiten bis auf untere Höhen von zirka 40 Zentimetern für Peripheriegeräte, deren Bedien-Oberfläche dann einer normalen Arbeitshöhe entspricht, sollten in dem gewählten System ebenso durchgängig realisierbar sein wie Höhen bis zu 1,9 Meter für Ablage und Dokumentation im obersten Griffbereich.

Nicht nur von der reinen Optik her ist die Verquickung der angesprochenen Features in einem einzigen Systemprogramm sinnvoll: Zu häufig passen verschiedene Produktlinien rein technisch bei Fragen der Komponenten-Links nicht zusammen und bereiten so Ärger.

Möglichkeiten des Nachrüstens und Umrüstens über einen garantierten Zeitraum von mehreren fahren zählen - bei Mitarbeiterwechsel oder Systemerweiterungen sowie hardwaretechnischen Neuerungen - zu den positiven Aspekten einer durchdachten System. Linie und sind in diesem Sinne Schutz für die getätigte Investition. So geht zum Beispiel der Trend bei CAD-Anwendungen weg vom schweren 50 bis 60 Zentimeter tiefen Kathodenstrahl-Display hin zum leichteren, flacheren Schirm auf einem Schwenkarm. Dennoch müssen heutige Möbelsysteme bei CAD-Anlagen Gesamtgewichte von bis zu 100 Kilo aushalten können. Zusätzlich ist sogar ein kleiner Datenträger-Safe am CAD-Arbeitsplatz notwendig, um sensible Datenträger und Dokumente auch physisch zu schützen.

Der Anwender sollte sich nicht scheuen, bei der Auswahl eines CAD-Systems einen ergonomisch geschulten Berater einzubinden.

Ein guter Grafik-Arbeitsplatz ist nicht nur "Pixel-orientiert". Der ganzheitliche Ansatz in der modernen Ergonomie versucht, Verknüpfungen zwischen den einzelnen Komponenten zu begreifen und in funktionales Design umzusetzen. Die Faktorenvielfalt trägt der veränderten Einstellung zur Arbeit Rechnung.