Entwicklungschaos kostet Milliarden

01.11.2007
Von Jan-Peter Welsch Welsch
Die Novar GmbH hat ein softwaregestütztes Anforderungs-Management aufgebaut, um wesentliche Gründe für den Misserfolg von Projekten zu eliminieren.

iele IT-Projekte geraten ins Trudeln, dauern länger als gedacht und kosten mehr als veranschlagt. Die Gründe dafür liegen häufig in unzureichend ausgeführten Pflichtenheften: Da werden Funktionen ergänzt, an die anfangs niemand gedacht hatte, und häufig ändern Projektbeteiligte die Anforderungen an die Applikation im Laufe des Entwicklungszyklus. Ein softwaregestütztes Anforderungs-Management, wie es der Brandschutzspezialist Novar eingeführt hat, hilft den Entwicklern dabei, die Requirements vollständig zu erfassen, zu validieren und zu verwalten.

Das Unternehmen

Mit ihren Marken Esser und Ackermann Clino ist die Novar GmbH Marktführer im Bereich Brandmeldetechnik sowie Krankenhaus- und Pflegekommunikation.

Am 31. März 2005 wurde die britische Novar Plc. von dem US-Mischkonzern Honeywell übernommen.

Die Novar-Sparte IBS (Intelligent Building Systems) ist in den Honeywell-Bereich Automation and Control Solutions (ACS) integriert.

Projektsteckbrief

Projektart: Einführung eines Anforderungs-Managements.

Branche: Produktion von Brandmeldetechnik.

Stand heute: in einigen Bereichen seit April 2006 produktiv.

Produkt: Caliber RM von Borland, fünf Concurrent-User- und drei Named-User-Lizenzen.

Dienstleister: Borland.

Ziel: Entwicklungsprozess und Time-to-Market bei der Einführung neuer Produkte im Bereich Brandmeldetechnik optimieren, Entwicklungszeit ohne Qualitätsverlust verkürzen.

Ergebnis: übersichtliche und strukturierte Gestaltung der Anforderungen, effizientere Prozesse, verbesserter Workflow.

Nächster Schritt: Ausweitung des Einsatzes von Caliber RM und Implementierung einer Test-Management-Lösung.

"Zum Werkzeugeinsatz im Requirements-Engineering gibt es kaum eine sinnvolle Alternative", sagt beispielsweise Holger Röder, Informatiker am Institut für Softwaretechnologie der Universität Stuttgart. Das gelte vor allem, wenn eine große Zahl von Anforderungen oder viele Änderungen zu erwarten seien.

Der Brandschutzspezialist Novar GmbH hat den Rat der Fachleute beherzigt. Das zur Honeywell-Gruppe gehörende Unternehmen mit Sitz in Neuss bekämpft den Flammenteufel mit Gefahrenmelde- und Rauchansaugsystemen, Lösungen zur Löschmittelsteuerung und zur Brandfrüherkennung.

Die Entwicklung der Brandschutzmodule ist ein komplexer Vorgang, an dem Produkt-Manager, Analysten und Entwicklungsingenieure mitwirken. Zudem fließen die Anforderungen der Kunden direkt in die Produktentwicklung ein.

Bislang hat Novar bei der Entwicklung neuer Module und Komponenten alle Anforderungen in Word erfasst. Die Projektbeteiligten definierten die Requirements, änderten sie oder ergänzten sie durch Einfügen in die dokumentenbasierte Sammlung. In der Konsequenz konnten die Teammitglieder nicht verfolgen, wer welche Änderung vorgenommen hatte.

Zudem wurden häufig verschiedene Dateiversionen abgespeichert, ohne dass eine Historie ablesbar gewesen wäre. Ebenso wenig ließ sich nachvollziehen, welche Anforderungen von welchen anderen abhingen.

Nicht zuletzt ließen sich die manuell definierten Informationen bisweilen durchaus unterschiedlich interpretieren. Für den Projekt-Manager bei Novar und den Entwickler stellten sich die Anforderungen und deren Bedeutung jeweils anders dar.

Die Eckpfeiler des Projekts

Um den Anforderungs-Management-Prozess zu strukturieren und für alle Projektbeteiligten transparent zu gestalten, entschied sich Novar deshalb, den manuellen Prozess durch eine softwaregestützte Lösung abzulösen. Alle Projektbeteiligten sollten ihre Anforderungen mit einer für alle verständlichen Methodik erfassen, spezifizieren und verwalten können.

Im Wesentlichen zielte Novar mit der Umstellung darauf ab, Zeit und Kosten zu sparen, den Nachbesserungsbedarf in der Entwicklung zu reduzieren sowie den Definitionsprozess von Projektbeginn an punktgenau und übersichtlich zu strukturieren.

Der Kostenfaktor: Wie Untersuchungen belegen, fließen durchschnittlich etwa 40 Prozent eines vorgegebenen Projektbudgets in Nachbesserungen. Anforderungen von Anfang an genau zu erfassen und zu definieren spart also Zeit und Geld.

Weniger Korrekturen: Die frühe Bewertung und Abstimmung der Requirements mit allen Prozessbeteiligten verringert die Zahl späterer Nachbesserungen.

Punktgenaue Erfassung: Alle Projektbeteiligten sowohl von der Fach- als auch von der Entwicklerseite sind direkt in den Prozess eingebunden. Sie definieren die Anforderungen und stimmen sie miteinander ab. Die freigegebenen Requirements sind Basis der weiteren Arbeit.

Verzögerungen oder Nachbesserungen im Entwicklungsprozess wirken sich unmittelbar auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Damit kommt der Einführung der neuen Lösung auch eine geschäftliche Bedeutung zu. Sie trägt dazu bei, dass die Komponenten neuer Feuermeldesysteme pünktlich und fehlerfrei zur Verfügung stehen.

Novar testete mehrere verfügbare Softwarelösungen hinsichtlich der Bedienbarkeit, des Funktionsumfangs und der zu erwartenden Weiterentwicklungen. So prüften die Projektbeteiligten beispielsweise, ob die wichtigsten Funktionen schnell zu erlernen sind, denn der Erfolg neu implementierter Lösungen hängt auch von der Akzeptanz der Mitarbeiter ab. Darüber hinaus sollte das Werkzeug mit anderen eingesetzten Tools interoperabel sein. Nicht an letzter Stelle stand die Forderung nach Flexibilität.

Schließlich entschied sich das Unternehmen für das Borland-Produkt "Caliber RM". Zu dessen Gunsten sprach unter anderem die intuitive Bedienbarkeit.

Vorteile sind bereits sichtbar

Seit einigen Monaten arbeitet Novar in der technischen Erweiterung von Brandmeldezentralen, bei den Konfigurationsprogrammen und für die Neuentwicklung von Feldbus-Komponenten mit dem Tool. Feldbusse sind quasi das Nerven- und Kommunikationssystem des Brandschutzes, das Sensoren, Alarmdetektoren und Stellglieder miteinander verbindet.

Wenn sich dort die Anforderungen während des Entwicklungsprozesses ändern, erstellt Caliber RM nicht nur eine Änderungshistorie, sondern analysiert auch die Abhängigkeiten und deren Auswirkungen auf den Projektverlauf. Die Requirements werden untereinander und mit externen Artefakten, zum Beispiel mit Quellcodes oder UML-Modellen (Unified Modeling Language), verknüpft.

Im Rahmen des Gesamtvorhabens befindet sich das Projekt noch in einem frühen Stadium. Doch zeigt sich bereits heute, dass die Verbindung zwischen der Realisierung und den Anforderungen ein deutliches Plus darstellt.

Von der neuen Transparenz profitiert Novar zweifellos: Die Anforderungen lassen sich nun übersichtlicher und strukturierter gestalten. Das transparente Anforderungs-Management macht die Prozesse nicht nur effektiver, sondern auch verlässlichlicher. (qua)