Entscheider blieben der Mammut-Show fern

24.03.1989

HANNOVER/MÜNCHEN (CW) - Während der Vorstand der Deutschen Messe AG in seiner CeBlT-Bilanz wieder einmal in Rekordzahlen schwelgt, äußern Aussteller und Wirtschaftsverbände verklausulierte Kritik. Zufrieden zeigte sich die Industrie vor allem mit dem Mittelstandsgeschäft. Doch die DV-Chefs von Großfirmen, so Aussteller Hewlett-Packard, schickten lieber ihre Mitarbeiter ins Messe-Gedränge.

Ungeachtet der Aussagen von Ausstellern, die beispielsweise die "großen Entscheidungsträger" vermißten, behauptete Hubert Lange, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG, rund 70 Prozent aller Besucher seien direkt für die Anschaffungsentscheidung in ihren Unternehmen verantwortlich. Hingegen will der Bund deutscher Unternehmensberater BDU e.V. das glatte Gegenteil festgestellt haben. Das Ausmaß, das die Messe inzwischen erreicht hat, halte viele Entscheidungsträger von einem Besuch ab, konstatiert der BDU.

Nicht nur der Beraterverband übt Kritik. Auch der "Bundesverband

Vertriebsunternehmen Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik e.V." (BVB) - eine Interessenvertretung der DV-lmportfirmen, in der die IBM tonangebend ist - wünscht sich für das nächste Jahr einen Zuwachs an qualifizierten Fachbesuchern und Entscheidungsträgern.

Außerdem setzt der BVB im Gegensatz zur Messe AG die Priorität nicht auf quantitatives Wachstum. Zunächst müsse die Messe "transparenter" gemacht und ihre Infrastruktur verbessert werden.

Beim Zahlenspiel um den Anteil ausländischer Interessenten an den CeBlT-Besuchern teilen die Aussteller ebenfalls nicht die Rekordeuphorie der Messe AG. Zwar rühmen die Hannoveraner den "internationalen Charakter" der Messe, doch besonders aus Sicht der Software-Anbieter haben sich die optimistischen Prognosen nicht erfüllt. Ihre Stände wurden von ausländischen Gästen kaum besser frequentiert als 1988. Zudem vermißten die Software-Unternehmen - insbesondere am Samstag und Sonntag - die qualifizierten Besucher, auf die sie trotz aller Unkenrufe gehofft hatten.

Innerhalb der deutschen Besuchergruppe stellte der BDU in einer Analyse zum Messeschluß fest, daß das Nord-Süd-Gefälle deutlich zugenommen habe. Die nahen Anfahrtswege lockten viele Besucher aus Nord- und Westdeutschland. Doch aus den High-Tech-Hochburgen des Südens fanden relativ wenige Softwarekunden den Weg an die Leine.

Selbst die Messe AG scheint trotz der halben Million Besucher - vom Pennäler über den Handwerker bis zum Programmierer - nicht hundertprozentig zufrieden zu sein: Die "quantitativen Zielvorstellungen" seien "auch mit Blick auf die Zukunft erfüllt" worden. Inzwischen sprächen die diese Messe tragenden Verbände aber von einer "inneren Stärkung" der CeBlT. Der BDU etwa will die Hannovaner Großveranstaltung in den nächsten Jahren als Forum für Kontakte zwischen Hardware- und Software-Anbietern etablieren.