Terminal-Nutzung ist keine Prestige-, sondern eine Altersfrage:

Enduser im Kampf mit überlieferten Denkweisen

03.05.1985

MÜNCHEN (mer) - Zum Teil niederschmetternde Erkenntnisse über den Markt für Endbenutzersysteme liefert eine Studie der GMO - Gesellschaft für moderne Organisationsverfahren mbH & Co., Hamburg. So messen etwa die Fachabteilungen einer engen Host-Anbindung keine große Priorität bei - vielmehr sehen sie darin eine Gefahr für ihre Eigenständigkeit.

Die GMO-Analyse stützt sich auf eine Reihe von Interviews bei Großunternehmen verschiedener Branchen. Die Gesprächspartner kamen aus den Vorstandsetagen oder dem mittleren Management; in wenigen Fällen antworteten auch der DV-Leiter.

Strategische Einsatzaspekte untergeordnet

Unzufrieden mit der Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens auf dem Gebiet der internen Informationsbereitstellung ist nach den Erhebungen der Hamburger insbesondere das Management. Es mißt aber diesem Bereich für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens große Bedeutung bei.

Dabei wird im wesentlichen noch an die operationale Ebene für Sachbearbeiter gedacht, erst in zweiter Linie folgt die taktische Lösung. Systeme zur Unterstützung der strategischen Ebene werden dagegen selten verlangt.

Informationen fehlen im allgemeinen sowohl für das Management als auch für die Mitarbeiter. Die dadurch entstehende Behinderung des Arbeitsablaufs wird für die Mitarbeiter jedoch höher eingestuft (mittel bis stark).

Das Standardberichtswesen wird vom Inhalt her akzeptiert, die Aufbereitung jedoch häufig kritisiert. Es fehlen Kenngrößen, kompakte Darstellungen und Grafik. Eine Minderheit ist generell mit den vorhandenen Lösungen unzufrieden.

Die Möglichkeit, Ad-hoc-Alternativrechnungen durchführen zu können, stuft etwa die Hälfte der Befragten als sehr wichtig, die andere Hälfte als weniger wichtig ein. Die Durchdringung mit diesen Funktionen ist jedoch in den wenigsten Unternehmen überhaupt gegeben.

Fast ebenso ist die Bereitschaft verteilt, ein solches Alternativrechnungs-Modell selber am Bildschirm zu bedienen. Allerdings setzen die Manager voraus, daß es einfach zu bedienen ist.

Die Frage der Bildschirm-Abstinenz von Managern ist kein Hindernis für den weiteren Einsatz von Endbenutzersystemen, wie die GMO feststellte. Erstens liegt der Hauptbedarf auf Sachbearbeiterebene und zweitens ist es aus der Sicht der Befragten interessanterweise keine Prestige-, sondern eine Altersfrage, ob man die Bildschirmtastatur selbst bedient.

Im Gegensatz zu der großen Bedeutung einer generell guten Informationsverarbeitung wird die Bedeutung von Endbenutzersystemen für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens geringer eingestuft. Nur noch die Hälfte der Befragten sieht einen engen Zusammenhang.

Die Planung für zentrale Endbenutzersysteme ist abhängig von den Anforderungen der Fachabteilungen, die aber überwiegend Mikro-orientierte eigene Planungen durchführen. Mengenmäßig werden Angaben von 30 bis 600 Arbeitsplätzen für das Gesamtunternehmen gemacht. Allerdings überwiegt die Unsicherheit, da es häufig keine verabschiedeten Pläne zum Auf- beziehungsweise Ausbau der Endbenutzerunterstützung gibt.

Management will an Systemen sparen

Beim Anwendungstyp verweist die Mehrzahl der Befragten auf eingesetzte "Applikationen mit wiederkehrender Einsatzfrequenz und nennenswertem Pflegeaufwand" und nicht auf die typischen "Endbenutzer-Wegwerfanwendungen".

Die Antworten zur Frage über das Wachstum der Anwender von Endbenutzersystemen in den nächsten fünf Jahren spiegelt eine große Unsicherheit wieder. Die Schätzungen sind hier eher zurückhaltend als euphorisch und beziehen sich meistens auf die erwarteten Mikrocomputer-Stückzahlen im Unternehmen.

Die Fachseite finanziert diese Anwendungen aus ihrem normalen

Budget. Von der Mikro-orientierten Denkweise der Fachseite sind auch die Budgetvorstellungen geprägt, so daß 50 000 Mark pro System (Hardware und Software) eine zusätzliche Schallmauer darstellen.

Anders sind die Budgetvorstellungen der DV-Seite ausgeprägt. Für die DV-Seite ist es durchaus vorstellbar, daß sich eine Software-Investition mit entsprechender Ausbildung im Wert von etwa einer halben Million Mark armortisiert. Allerdings findet die Vorstellung, unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Einsatzschwerpunkten in der Größenordnung von über 150000 Mark je System finanzieren zu müssen, nur noch wenig Zustimmung.

Als größter Inhibitor gilt der zu geringe Kenntnisstand der Endbenutzer, gefolgt von zu geringer Qualität der Endbenutzersysteme. Auch das Kosten-/Nutzen-Verhältnis wird noch erwähnt, während die übrigen Gründe wie geringe Aufgeschlossenheit der DV-Abteilung, Hardware-Restriktionen oder Aversion gegen Bildschirmbenutzung nicht ins Gewicht fallen. Beim Kriterium "Qualität von Endbenutzersystemen" wird nicht die Funktionalität, sondern die Benutzerfreundlichkeit bemängelt.

Nach den Untersuchungen der GMO verfügen die Fachabteilungen nur über wenig Produktkenntnisse. Sie beschränken sich auf einige Mikro-Hardware-Lieferanten und vereinzelte Softwarepakete für Powerzwerge.

Fachseite empfindet Host-Anbindung oft als Einschränkung

Die Bedarfswünsche bewegen sich entsprechend in diesem Rahmen. Es wird an die Verbesserung der Effizienz des einzelnen Arbeitsplatzes gedacht. Die Möglichkeit, ganze Informationssysteme, zum Beispiel im Finanzbereich, mit Hilfe der Endbenutzertechnik zu realisieren, gehört nicht zum allgemeinen Gedankengut.

Die Begriffe "nicht prozedural" und "multidimensional" (siehe Bergiffslexikon) werden überwiegend nicht verstanden und können in ihrer Bedeutung nicht eingeschätzt werden, so ein Ergebnis der Studie.

Einer leicht handhabbaren, auf einen bestimmten Einsatzzweck ausgerichteten Software werden größere Erfolgsaussichten eingeräumt als einem flexiblen "Supertool". Allerdings wird die Alternative "leichte Handhabbarkeit" versus "Flexibilität" in einigen Fällen auch zurückgewiesen. Eine gute Software muß am Anfang leicht bedienbar, mit zunehmender Erfahrung aber flexibel sein.

Eine weit größere Bedeutung als dem schnellen Abbau des Anwendungsrückstaus, mißt die Fachseite der Eigenständigkeit ihrer Abteilungen zu. Folgerichtig steht auch eine enge Host-Anbindung nicht gerade hoch im Kurs. Sie wird eher als Gefahr für die Eigenständigkeit gewertet. Mit sehr präzisen Fragen über Leistungsmerkmale von Softwarepaketen sind die Befragten jedoch überfordert.

Bezogen auf Systeme wie "W/Wizard" oder "FCS-EPS" sind auch die Kenntnisse der DV-Abteilung nicht überwältigend, aber doch wesentlich größer als auf der Fachseite. Insbesondere ist das Grundverständnis und die Vorstellungskraft über den potentiellen Nutzen stärker ausgeprägt.

Die DV-Seite ist mehr an Systemen interessiert, die gesamtunternehmerische Verbesserungen bringen als an Lösungen, die auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogen sind. Sie zieht vor allem Systeme mit Host/PC-Kommunikation (vertikale Integration) ins Kalkül.

Die DV-Seite sieht das Problem der Datenbereitstellung als weitgehend ungelöst und kurzfristig auch nicht lösbar an. Host-basierende Endbenutzersysteme weisen nach Meinung der Befragten einen ähnlichen Komplexitätsgrad auf wie sonstige Anwendungssysteme. Eine Euphorie kommt seitens der "Profis" daher nicht auf.

Die Begriffe "nicht prozedural" und "multidimensional" sind zwar nicht immer geläufig, werden aber auf Erklärungen hin verstanden und für wichtig erachtet. Die Preisvorstellungen sind Host-orientiert, die Kategorie 100 000 bis 300 000 Mark wird als realistisch eingestuft.

Nach Meinung der GMO dürfte die größte Hürde die begrenzte Innovationskapazität eines jeden Unternehmens sein. Im Wettbewerb um diese begrenzte Kapazität wird seitens der Fachseite wenig Druck ausgeübt in Richtung komplexerer Endbenutzersysteme wie System "W/Wizard" oder "FCS-EPS". Vielmehr ist die Fachseite mit der Einführung von Mikros schon voll ausgelastet. Auch die DV-Seite führt ohne Not solche komplexen Systeme nicht ein - die Abteilung sieht sich bereits jetzt durch Überlastung als "Flaschenhals".

Sehr stark wird die Abhängigkeit von bestehenden Anwendungen beziehungsweise Datenbanken betont. Als eine der zukünftigen Erfordernisse wird die Datenbereinigung genannt. Das Problem besteht nicht nur im Vorhandensein von Daten, sondern in ihrer Konsistenz und adäquaten Bereitstellung.

Zum Abbau der "Hemmschuhe" fordern die Anwender im wesentlichen bessere Information und Schulung. Implizit wird damit die unzureichende Situation beim Aufbau von Benutzer-Service-Zentren beschrieben, deren Aufgabe es ja wäre die Endbenutzer besser und gezielt zu informieren.

Kaum jemand hält es allerdings für eine gute Strategie, abzuwarten und auf bessere Systeme zu spekulieren. Fast ausnahmslos wird erkannt, daß es darauf ankommt, frühzeitig eigene Erfahrungen zu sammeln.

Glossar

Abfragesprache

Eine der natürlichen Sprache (meist Englisch) möglichst nahe kommende Computersprache zur Selektion von bestimmten gewünschten Informationen aus einer Datenbank.

Benutzerservice

Eine zentrale Einrichtung - meist der DV-Abteilung - mit folgender Aufgabenstellung:

- Bereithalten verschiedener Endbenutzersysteme als Angebot für die Fachabteilung,

- Unterstützung bei der Auswahl des richtigen Endbenutzersystems für den jeweiligen Anwendungsfall, gegebenenfalls Einschaltung professioneller Systemanalytiker,

- Training der Endbenutzer, unkompliziert, kurzfristig,

- Unterstützung beim laufenden Betrieb, Problemfindung.

Decision Support System

Eine - nicht sehr klar zu fassende - Klasse von Endbenutzersystemen mit der Aufgabenstellung, Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Gemeinsames Merkmal ist, daß alle diese Systeme in ihrem Nukleus mit Tabellen arbeiten, deren Spalten zeitliche Perioden darstellen (Modelle). Sie werden für Planungen aller Art (Finanz, Marketing, Vertrieb) mit komplexen Konsolidierungsmöglichkeiten angeboten.

Endbenutzer

Derjenige Benutzer von Informationen, der diese zur Erledigung seiner Aufgaben im Unternehmen benötigt.

Endbenutzersystem

Ein Softwaresystem, mit dem der "Endbenutzer" wichtige Probleme seines Arbeitsbereiches selbständig (das heißt ohne Einschaltung der DV-Abteilung) lösen kann. Typische Beispiele: Tabellenkalkulationsprogramme, Textverarbeitung.

Das Arbeiten mit Endbenutzersystemen wird auch häufig als "Individuelle Datenverarbeitung" oder "Personal Computing" bezeichnet.

Entscheidung, operativ

Beispiel: Dispositive Entscheidungen der Mitarbeiter oder Materialzuordnung, Einsatzplanung etc.

Merkmale: Kurzer Entscheidungshorizont von Tagen oder Wochen, schnelle Antwortzeiten, hohe Genauigkeit und Detaillierung, feste Struktur.

Entscheidung, taktisch

Beispiel: Einstellungspolitik, Mitarbeiterbedarf, Ressourcen-/Budget-Anforderungen festlegen, das heißt optimale Rahmenbedingungen für das operative Geschäft festlegen.

Merkmale: Entscheidungshorizont ein bis zwei Jahre, mittlere Antwortzeiten, Durchschnittsbildung und mittlere Genauigkeit, keine feste Struktur vorgebbar.

Entscheidung. strategisch

Beispiel: Produkt-Portofolio festlegen, neue Märkte angehen.

Merkmale: Entscheidungshorizont zwei bis fünf Jahre, kein Antwortzeitproblem, geringe Detaillierung und Genauigkeit, keine Struktur, hohe Unsicherheit.

Multidimensional

Die Möglichkeit, mehrere Teilmodelle (zum Beispiel nach Produkt, Region, Geschäftsstelle) nach den verschiedensten Gesichtspunkten auszuwerten und zu konsolidieren.

Nicht prozedural

Eine Formulierungsart der Problemlösung auf dem Computer, bei der das gewünschte Ergebnis/die Funktion, aber nicht der Lösungsweg (Prozedur) dorthin beschrieben wird.