EMC, IBM und Microsoft werben für DMS-Standard

10.09.2008
Anwendungen sollen dank "CMIS" auf beliebige Repositories von Dokumenten-Management-Systemen zugreifen können. Dies verspricht auch der Java-Standard JSR 170. Vor allem konkurriert CMIS aber mit der "Webdav"-Technik.

Die Schwergewichte im Softwaremarkt rücken in seltener Einmütigkeit zusammen, um eine bisher fehlende Spezifikation für Enterprise-Content-Management (ECM) auf den Weg zu bringen. Der unter Federführung von IBM, EMC und Microsoft entwickelte Entwurf für "Content Management Interoperability Services" (CMIS) soll einen einheitlichen Zugriff von Unternehmensanwendungen auf die diversen, oft proprietären Content-Repositories im ECM-Markt gestatten.

Dies würde die Einführung und Integration von ECM-Systemen bei Anwendern erheblich erleichtern und eine Migration vorhandener Repositories nach Fusionen beispielsweise weniger dringlich machen. Ebenso könnten Softwarehäuser davon profitieren, indem sie Lösungen entwickeln, die sich für diverse Verzeichnisse nutzen lassen. Entsprechend bezeichneten Herstellervertreter die Ankündigung als großen Tag für die Anwender.

Basisdienste

Die Spezifikationen sollen nun bei der Standardisierungsorganisation Oasis (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) eingereicht werden. Im Einzelnen steht CMIS für eine Reihe von Web-Services-Spezifikationen, die als Kommunikationsprotokoll sowohl Soap als auch Rest verwenden können. Auf der DMS Expo2 in Köln erklärte Jim Reimer, IBM Distinguished Engineer und Chefarchitekt Content Management, dass es sich um sprachenunabhängige ECM-Basisfunktionen für die Aufgaben Create, Store, Search und Retrieve handle, die sich durch Anwendungen benutzen ließen. Zu den Unterstützern der ersten Stunde zählen SAP, Oracle, Open Text und Alfresco. Es wäre bereits der zweite Standard, den die Industrie für dieses offenbar drängende ECM-Problem auf den Weg bringen will.

So existiert seit einigen Jahren mit dem Java Specification Request 170 (JSR 170) eine Java-Implementierung für den Repository-Zugriff, die mittlerweile auch für andere Sprachen wie .NET oder Perl verfügbar ist. Sie wird unter anderem von Bea Systems (jetzt bei Oracle), IBM, Filenet (jetzt bei IBM), EMC und Sun Microsystems entwickelt. Initiator von JSR 170 ist der Schweizer Content-Management-Spezialist Day Software, der von sich behauptet, mit dem Repository "CRX" die erste vollständige Implementierung auf den Markt gebracht zu haben. Laut David Nüscheler, Chief Technology Officer bei Day Software, hätten mittlerweile über ein Dutzend ECM-Hersteller ihre Produkte entsprechend angepasst.

CMIS schließt Lücke

Zugleich betonte Nüscheler, dass CMIS keine Konkurrenz zum Java-Standard sei, sondern sich die Spezifikationen ergänzten. JSR 170 sei eine Java-Programmierschnittstelle, während CMIS mit seinen Protokollen die bisher vernachlässigte Netzkommunikation zwischen Anwendungen und Repositories adressiere. Der Transport auch zwischen verschiedenen JCR-konformen Repositories war bisher nicht geklärt. Man freue sich deshalb, dass CMIS diese Lücke schließen soll. Auch konnte man in der Java-Welt natürlich nicht Microsoft als Unterstützer gewinnen. CMIS sei ein Subset des Java-API und lasse sich mit dem Java-Standard einfach kombinieren. "Vergleicht man die Spezifikationen von JSR 170 und CMIS miteinander, fällt auf, wie sie sich ähneln. Viele Probleme, die wir in JSR 170 gelöst haben, sind in die neuen Spezifikationen eingeflossen."

Dennoch gab es seit einiger Zeit Kritik an JSR 170. Vor allem von IBM war wie schon bei anderen Gelegenheiten zu hören, dass das Standardisierungsverfahren Java Community Process (JCP) zu schleppend verlaufe. Immer noch arbeite man mit Version 1.0 von JSR 170, und Version 2.0 werde wohl nie fertig, sagte IBM-Ingenieur Reimer.

Nüscheler weist diese Vorwürfe zurück. So liege mit JSR 283 (Nachfolger von JSR 170) Version 2.0 als Public Review vor und werde von Bea Systems, EMC, Filenet, IBM, Sun und Oracle unterstützt. Diese nächste Version des Standards soll dazu beitragen, die Kompatibilität zwischen Content-Anwendungen und Content-Repositories zu verbessern. Themen waren dabei die Verwaltung der Zugriffskontrollen, Workspaces und Knotenarten, die Aufbewahrung von Content sowie übergreifende Aspekte zwischen unterschiedlichen Repositories.

Es habe zudem mit IECM (Interoperable Enterprise Content Management) einen Versuch der Industrie gegeben, entsprechende ECM-Spezifikationen auf den Weg zu bringen, der selbst nach fünf Jahren zu keinem Ergebnis gekommen war. Daran waren dieselben Hersteller beteiligt, die sich nun für CMIS einsetzen und das schleppende Tempo des JCP beklagen.

Was wird aus Webdav?

CMIS sei noch weit weg von einem Standard und einer Version 1.0. Day Software wolle mitarbeiten, sobald die Spezifikationen bei Oasis vorlägen. "Es gibt aber Leute in beiden Lagern, die komischerweise eine Konkurrenz zwischen den Spezifikationen sehen wollen", schildert Nüscheler. Tatsächlich werde CMIS vor allem die bisherige http-Erweiterung für die Datenbereitstellung Webdav in Frage stellen, zumal dieselben Unternehmen samt Microsoft hinter beiden Spezifikationen ständen.

Zudem ist offen, mit welchem Engagement und in welchem Zeitraum Microsoft seine Produkte tatsächlich an CMIS an-passen wird. So hieß es auf der DMS Expo, dass dies Jahre dauern könne. Interessant wird auch zu sehen sein, wie SAP sich verhält, da die Walldorfer bei der Client-Entwicklung im ECM-Portfolio stärker auf Webdav setzen wollten.