Entwicklung der bioelektronischen Schaltungslogik noch in der Sackgasse:

Elektronensprung über Sigmabrücke verhindern

21.05.1982

Wenn von Schaltungen geredet wird, die 500mal kleiner sein sollen als

die derzeitigen Gatterschaltungen mit ihren rund vier Mikrometern Struk-

turbreite, dann riecht das nach Science-fiction. Für eine Gruppe von amerikanischen Wissenschaftlern ist das jedoch keineswegs der

Sie haben nämlich entdeckt, daß einzelne Moleküle, aber auch Bakterien im Laboratorium entwickelt beziehungsweise gezüchtet werden können, so daß ihre Funktion der Gatterschaltung mit ihrer Mikrometerstruktur entspricht. Theoretisch könnten ihre Forschungen dazu führen, daß die Milliarden Moleküle und Atome, die ein heutiges Schaltungship bilden, durch ein einziges, im Labor erzeugtes Molekül ersetzt werden. Ihre systematische Gruppierung könnte zu einem handlichen Computer führen, dessen Leistung die heutiger Supercomputer übertrifft.

Das neue Gebiet der bioelektronischen Technologie ist zwar erst im Entstehen, doch haben eine Reihe von Unternehmen und die amerikanische Regierung bereits mit solchen Forschungsprojekten begonnen. Die IBM arbeitet schon seit 1975 an vorläufigen Forschungsvorhaben. Und von mindestens einem Unternehmen ist bekannt, daß es sich ausschlieslich mit der Anwendung der Genetik

und Biologie auf die Entwicklung molekular-elektronischer Mikroschaltungen beschäftigt.

ln diesem Zusammenhang gibt es aber Probleme, die den ersten funktionsfähigen "Reagenzglascomputer" mehr zu einem Produkt der Science-fiction als zu einem der Science-facts machen. Vor allem stehen heutige experimentelle Untersuchungen auf dem Gebiet der Molekularbiologie ganz unter dem Zeichen des "Hit or miss", wo Rückschläge und Sackgassen nach den Worten von Prof. Robert M. Metzger von der University of Mississippi an der Tagesordnung sind. Seiner Ansicht nach besteht keine Garantie, daß das Molekül sich so verhält, "wie wir es wünschen, wenig wir es erst einmal hergestellt haben".

Metzger experimentiert zur Zeit, unterstützt von Dr. Charles Panetta, mit verschiedenen chemischen Verbindungen an der Erzeugung eines stromführenden synthetischen Moleküls. Dieses ließe sich so konstruieren, daß es als Elektrondonator oder Elektronakzeptor dienen könnte. Die Trennung der Donator- sind Akzeptorschichten würde nach Metzger durch dünne Metallschichten erfolgen.

Der Ein/ Aus-Betrieb entsprechend der Bitzustände von Rechenschaltungen könnte durch Umschaltung von einem Molekül zu einem anderen über eine chemisch isolierende Sigmabrücke geschehen. Leider ist aber die Herstellung einer solchen Brücke viel schwieriger als der Entwicklung einer Theorie auf Papier.

Während die Donator- und Akzeptormoleküle wohl Elektrizität zu leiten vermögen, kann man sich zur Zeit noch nicht vorstellen, wie man die Elektronen vom plötzlichen Sprung über die Brücke abhalten könnte. Und selbst wenn eine Brücke mit Erfolg geschaffen werden könnte, bliebe die Frage, ob der Leitweg schnell genug ist sind so funktioniert, wie man es sich vorstellt - als sehr schneller, sehr kleiner und sehr leistungsfähiger Gleichrichter.

Sollte die Entwicklung solcher Mono-Schichten von Erfolg gekrönt sein, dann könnten Schaltungen gebaut werden, die 500mal kleiner wären als jede Silizium- oder Germaniumschaltung, stellte Metzger fest. Für die Mikrominiaturisierung würden sich demnach phantastische Aussichten ergeben.

*Tim Scannel gehört zum Redaktionsstab der COMPUTERWORLD.

Ans der COMPUTERWORLD Nr. 16 vom 19. April 82 übersetzt von Hans J. Hölzgen, Böblingen.