Die Zukunft der Mikrographie:

Elektro-optische Aufzeichnung als Konkurrenz zum Mikrofilm

06.04.1979

"Wenn Papier nicht durch den Mikrofilm ersetzt werden kann", schreibt Walter Scheffel, Herausgeber des Informationsdienstes "mikrodok" über die Zukunftsaussichten der Mikrographie, "so kann es auch nicht von der EDV ersetzt werden." Eindeutig ist, daß das Zusammenwachsen von EDV und Textverarbeitung auch dem Mikrofilm neue Anwendungen erschließt, "weil"- so Scheffel - "gespeicherte Texte sowohl auf Papier als auch auf konventionelle Mikroformen übertragen werden können". Scheffels Untersuchung über die Situation des COM-Marktes, erschienen in "mikrodok" (Ausgabe 27, Dezember 78/Januar 79), geben wir gekürzt wieder.

Der Ausstoß von Papier, der über Datenverarbeitungsanlagen erfolgt, ist gewaltig. Wie problematisch er ist, zeigt die rasch zunehmende COM-Anwendung. Die Zukunftsvisionen der EDV-Planer beschäftigen sich jedoch nicht mit der Papier- oder Mikrofilm-Ausgabe, sondern mit der totalen Datenspeicherung und dem direkten Zugriff. Die Diskussionen gehen um die Kosten der Speicher und die Speicherkapazität. Auf der technischen Seite sind interessanterweise fast ausschließlich elektro-optische Verfahren in der Diskussion, die als preisgünstige Massenspeicher erwartet werden.

Dieses sehr grob gezeichnete Bild zeigt, daß der Mikrofilm in Frage gestellt wird, weil man in Zukunft die totale digitale Speicherung erwartet.

Versuchen wir nun diese beiden unterschiedlichen Gesichtspunkte zu vereinen, so sehen wir, daß sie nahezu unvereinbar sind. Wenn Papier nicht durch den Mikrofilm ersetzt werden kann, so kann das Papier aus gleichen Gründen mit Sicherheit auch nicht von der EDV ersetzt werden. Wenn andererseits die immer totaler EDV-Lösung kommt, so wird auf der anderen Seite die Frage nacht der Vereinbarkeit von EDV und Papiersystemen immer relevanter.

Versuch einer Voraussage

Von einem weitgehend neutralen Standpunkt ausgehend, wollen wir versuchen, einmal das Bild des Büros oder der Verwaltung im Jahre 2000 zu entwickeln:

Der Bildschirm gehört zum Arbeitsplatz, und der Umgang mit Bildschirmen ist zum Allgemeingut geworden. Er hat Einzug in die Lehrlingsausbildung und die Schulen gehalten. Zu Hause gehört eine Bildschirm-Kommunikation über den Fernsehempfänger zu einer Selbstverständlichkeit. Die Erledigung des Schriftwechsels erfolgt durch Textverarbeitung, wobei eine weitgehende Verbindung von Datenverarbeitung und Textverarbeitung stattgefunden hat, das heißt Bildschirm und Tastatur, sowie Ausgabe-Einheiten sind universell verwendbar, und die Arbeitsplätze sind natürlich nicht mit mehreren verschiedenen Bildschirmen oder Tastaturen oder Ausgabe-Einheiten versehen. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Arbeitskosten so erhöht und die Leitungskosten so ermäßigt, daß es unter bestimmten Voraussetzungen wesentlich kostengünstiger ist, Briefe über Leitungen zu übertragen als über die Briefpost physisch zu verteilen.

Natürlich sind nicht alle Firmen und schon gar nicht alle Privatleute mit den entsprechenden Einrichtungen ausgerüstet, so daß das System automatisch eine Selektion der Ausgabearten erfordert. Briefe, die durch die Briefpost befördert werden, werden ausgedruckt, Briefe und Mitteilungen an Empfänger, die über Leitungen zu erreichen sind, zwischengespeichert und zu festgelegten Zeiten übertragen.

Die dies steuernde automatische zentrale Ausgangsüberwachung ist für den über Leitungen übertragenen Eingang in gleicher Weise verantwortlich. Über Leitungen eingehende Briefe und Informationen werden zentral zwischengespeichert und über das zentrale Informationssystem verteilt.

Speichern dezentral Verwalten zentral

Ich möchte dieses Bild des zweigleisigen Eingangs und Ausgangs nicht zu sehr detaillierten, jedoch auf zwei wesentliche Systembestandteile hinweisen.

Die zu bewältigenden großen Informationsmengen erfordern nahezu zwangsläufig eine dezentrale Speicherung, aber eine zentrale Verwaltung. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Kombination und Integration der verschiedenen Formen ist leicht zu erkennen.

Dies führt uns zu der für uns eigentlich relevanten Frage, nämlich in welcher Form wird die Speicherung der über Leitungen übertragenen ausgehenden und eingehenden Briefe und Informationen erfolgen? Hierzu werden aller Voraussicht nach zwei Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Zunächst ist festzustellen, daß die Informationen durch die Erstellung über EDV-/Textverarbeitungssysteme und durch die Leitungsübertragung zu einem großen Teil in digitaler Form vorliegen. Es besteht daher die Möglichkeit einer digitalen Speicherung, die hinsichtlich Speicherkosten und Kapazität elektro-optischer Form erfolgt, wobei herauszustellen ist, daß eine Veränderung der einmal gespeicherten Informationen auf dem Träger wohl nicht möglich sein wird.

Eine Integration der nicht über Leitungen eingehenden Informationen sowie der aus früherer Zeit benötigten Informationen ist durch deren Digitalisierung möglich. Bei diesem System erfolgt die Speicherung nahezu aller Informationen digital, wobei (hinsichtlich des Speichermediums) in veränderliche Daten und unveränderliche Belege oder Volltexte unterschieden wird. Während die Daten auf veränderlichen Trägern gespeichert werden, werden die Informationen auf unveränderlichen Trägern gespeichert.

Mikrofilme mit digitaler Aufzeichnung

Um das zu verdeutlichen: Die unveränderlichen Träger, auf die elektro-optisch aufgezeichnet und von denen elektro-optisch gelesen wird, sind im Grunde genommen nichts anderes als Mikrofilme mit digitaler Aufzeichnung. Allerdings haben sie durch die Verwendung von Laserstrahlen zur Aufzeichnung und zur Übertragung wenig Ähnlichkeit mit unseren heutigen Mikrofilmformen. Es werden nichtsilberhaltige Materialien verwendet werden, die keiner Entwicklung bedürfen.

Ein zweites System geht für die Belege und Volltexte von einer alphanumerischen Speicherung aus. Hierzu werden COM-ähnliche Geräte verwendet, die, wiederum mit der Laser-Technologie arbeitend, auch auf Nicht-Silbermaterialien aufzeichnen. Über den ebenfalls zentral verwalteten Index wird der interne Empfänger für die über Leitungen eingehenden Mitteilungen festgelegt, die Informationen auf je einer Mikroform ausgegeben und die so zentral erstellten Mikroformen dann auf die einzelnen Empfänger verteilt, wobei zugleich Indexinformationen mitgeliefert oder übertragen werden. Der Zugriff bei den Empfängern erfolgt über einen dezentral verwalteten Index, wobei natürlich Mikroformen und EDV-Informationen über das gleiche Gerät ausgewertet werden, wenn auch über verschiedene innerhalb des Systems befindliche Wiedergabewege.

Dieses zukünftige - hier kurz dargestellte - Büro eines Großbetriebes ist natürlich nur eine Version der möglichen Formen; viele Aspekte blieben unerwähnt.

COM - zwingend notwendiger Systembestandteil

Diese Version wurde gewählt, um deutlich zu machen, daß zu diesem Zeitpunkt die Mikrofilm-Technologie, wenn wir davon ausgehen, daß sie die permanente elektro-optische Speicherung beinhaltet (unabhängig davon, ob sie für alphanumerische oder digitale Daten angewendet wird), ein zwingend notwendiger Systembestandteil ist.

Wenn die verschiedenen Annahmen, denen dieses Bild zugrunde liegt, richtig sind, so hat sich die Mikrofilm-Technologie weiterentwickelt und geändert. Sie ist in ihrer Bedeutung gewachsen, sie ist jedoch kein eigenständiges Verfahren mehr, sondern ein voll integriertes Verfahren.

Bleiben wir im Jahre 2000, so ist zur Vervollständigung des Bildes hinzuzufügen, daß neben diesem Großunternehmen eine Vielzahl von Klein- und Mittelunternehmen die EDV und die Textverarbeitung nutzen. Für sie besteht die Möglichkeit der digitalen Speicherung von Volltexten sowie der eigenen alphanumerischen Speicherung bei hoher Speicherdichte, aus Gründen der Gerätekosten, nur über den Service. Wegen der Auswerte-Gerätekosten scheidet eine Anwendung in vielen Fällen aus. Hier werden Mikrofilmformen und -arten, die den heutigen in vielen Punkten entsprechen, Anwendung finden, und zwar in größerem Maße als bisher, da es natürlich möglich sein wird sowohl die digital als auch alphanumerisch gespeicherten Volltexte, die sich auf Speichermedien hoher Kapazität befinden, sowohl auf Papier als auch auf "konventionelle" Mikroformen zu übertragen.