Einsatzmöglichkeiten und Grenzen des Verfahrens

Einführung von Image Processing kann schnell und leicht scheitern

29.05.1992

Die inflationäre Zunahme von Papierdokumenten ist nach wie vor das Hauptproblem des Dokumentenmanagements und damit der Archivierung und der Vorgangsbearbeitung. Gleichzeitig sinken die Kosten für optische Speichermedien. Dies hat zum Ergebnis, daß Bild- beziehungsweise Imageverarbeitung immer mehr Anklang bei den Unternehmen findet. Jedoch läßt sich die Imageverarbeitung nicht in allen Bereichen eines Unternehmens oder einer Verwaltung problemlos einführen.

Die Imageverarbeitung wird durch die Informationsarten bestimmt. Man unterscheidet zwei Arten:

- kodierte Informationen (CI), zum Beispiel Texte, Daten,

- unkodierte Daten (NC), wie zum Beispiel Bilder, Bildpunkte, Layout, bewegte Bilder, Sprache.

Beide Arten bestimmen die Struktur der Dokumente; das heißt, es gibt Dokumente, die aus kodierten und Dokumente, die aus unkodierten Informationen bestehen. In der Praxis finden sich überwiegend Mischformen.

Neu-Organisation der Arbeitsabläufe notwendig

Der erfolgreiche Einsatz von Imageverarbeitung ist von folgenden vier Faktoren abhängig: Organisation, Technik, rechtliche Aspekte und richtiges Projektmanagement.

Ein Ziel der Imageverarbeitung ist die Steuerung der Vorgangsbearbeitung. Ohne eine Neu-Organisation der Arbeitsabläufe ist ihr Einsatz problematisch. Mit der Automatisierung stellen sich jedoch einige Fragen:

- Ist der Vorgang strukturierbar? Sind zum Beispiel bei Forschungsarbeiten- bestimmte Vorgänge nur schwer zu strukturieren?

- Ist eine Festlegung und Verwaltung von Prioritäten innerhalb der Vorgänge möglich?

- Ist die Verteilung von Dokumenten auf die Vorgänge aus Sicht des Datenschutzes durchführbar? Was ist dabei zu beachten?

- Ist eine Überwachung aller Vorgänge möglich, damit Warteschlangen verhindert werden können?

- Ist die Speicherung und Verwaltung von Bearbeitungsnotizen in Vorgängen möglich?

- Ist eine strikte Strukturierung nach Akten, Dokumenten, Seiten, Geschäftsvorfall etc. möglich?

- Ist eine Terminüberwachung mit Protokollierung notwendig.

Diese Fragen müssen bei einer Neu-Organisation der Arbeitsabläufe und in intensiven Schulungen der Mitarbeiter ihren Niederschlag finden. Daher ist zu Überlegen, ob der Einsatz von Imageverarbeitung undifferenziert im Gesamtunternehmen Oberhaupt durchführbar und ob er wirtschaftlich ist.

Es ist reine Illusion, die Automatisierung allein mit Hilfe von Imageverarbeitung vornehmen zu wollen. Hier sei als Beispiel die Automatisierung von Posteingängen genannt. Zum einen gibt es datenschutzrechtliche Probleme. Zum anderen müßten beim Posteingang höchst qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt werden, die die gesamten Vorgänge steuern können. Realität ist, daß eher unqualifizierte Mitarbeiter in der Poststelle ihren Arbeitsplatz finden.

Das Scanning ist ein sehr wichtiges Teilsystem, das die Qualität, Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit von Imageverarbeitung stark beeinflußt. Fehlerquoten beim Scanning bestimmen den Erfolg.

Dabei geht es nicht darum, wieviel Prozent an Fehlertoleranz gegeben ist, sondern darum, daß durch jeden Fehler hochbrisante Informationen zerstört werden können. Insoweit, wird die Qualität des Scannings durch die Sorgfalt der Mitarbeiter bestimmt. Dabei spielen nicht nur die Leistung der Hardwarekomponenten, sondern auch die Software und ihre Einbettung in das Gesamtsystem eine große Rolle.

Ebenfalls wichtig sind die OCR/ICR-Verfahren, das heißt die Schriftenerkennungs-Verfahren. Die Probleme mit den Fehlern sind dieselben wie beim Scanning. Zusätzlich ist mit Korrekturmöglichkeiten die Gefahr der Verfälschung verbunden. Bei allen Erfassungsverfahren sollte immer das Mengengerüst darauf geprüft werden, ob ein Outsourcing sinnvoll ist. Jedoch dürfen Datenschutzaspekte dabei nicht vernachlässigt werden.

Kompressions- und Dekompressionsverfahren sollten sich an den Normen der CCITT Gruppe III/IV orientieren.

Das Datenbanksystem entscheidet bei der Verwaltung von Images und bei der Anwendung von Imageprogrammen mit über die Portierbarkeit der Lösungen und die Flexibilität des Zugriffs. Dabei könnten Funktionen der Volltextrecherche den Zugriff auf Texte (zum Beispiel Header) wirksam unterstützen. Hohe Leistungsfähigkeit von Netzen und damit kurze Zugriffszeiten fördern die Akzeptanz von Lösungen. Daher ist eine Anpassung beziehungsweise eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Netze notwendig. Die Anwendungssoftware sollte auf ihre Anpaßbarkeit, Dokumentation, Portabilität und Benutzeroberfläche mit Hilfe eines Pilotprojektes geprüft werden.

Erfolgsfaktor rechtliche Aspekte: Ausgehend von BDSG, HGB, BGB, GOB und sonstigen rechtlichen Vorschriften sollten die Einsatzmöglichkeiten der Imageverarbeitung im Unternehmen genau definiert werden. Dabei könnte ein Datenschutzkonzept, das eine realistische Berücksichtigung aller Interessen vorsieht, wertvolle Hilfe bieten.

Erfolgsfaktor Projektmanagement: Eine differenzierte Vorgehensweise ist notwendig.

Ohne eine kritische Analyse der Dokumente sowie eine differenzierte und strukturierte Vorgehensweise bei der Festlegung der Einsatzmöglichkeiten der Imageverarbeitung innerhalb eines Unternehmens oder einer Verwaltung kann das Projekt "Einführung der Imageverarbeitung im Unternehmen" sehr schnell scheitern. Es gehört allerdings auch der Mut dazu, die Zielsetzung des Projektes laufend zu überprüfen und notfalls zu revidieren.