Die optische Datenspeicherung eröffnet neue Möglichkeiten

Eine einzige Laserdisk faßt 500 000 Schreibmaschinenseiten

27.04.1990

Seit es Computer gibt, verlangen die Anwender immer mehr Massenspeicher. Nach den Magnetplatten sind jetzt auch optische erhältlich, die man beliebig oft beschreiben, lesen und wieder löschen kann. Die neuen Platten sehen ähnlich aus wie Disketten, aber sie speichern bis zu 2800mal so viele Daten.

Das Ding kommt relativ bescheiden daher: Manche mögen es für eine verbesserte Compact Disk halten, die in einer soliden Plastikhülle steckt. Ganz daneben liegen sie damit nicht: Die glänzende Scheibe ist eine neue Art von Laserdisk, und sie könnte tatsächlich Musik enthalten.

In den meisten Fällen aber werden die Nullen und Einsen, die darauf gespeichert sind, weder Beethoven noch Roxy Music repräsentieren, sondern schlicht und einfach Computerdaten. Und zwar in rauhen Mengen: Hunderte von MB haben da Platz - ein Vielfaches dessen, was man auf den meisten Magnetplatten speichern kann.

Daß optische Medien wie geschaffen sind für die Verarbeitung riesiger Datenmengen, ist schon längst bekannt: Mit einem Laserstrahl läßt sich ein Bit selbst dann noch einwandfrei lesen, wenn es auf der Platte bloß einen Tausendstelmillimeter breit ist. Deshalb kann eine Compact Disk (CD) problemlos eine ganze Stunde in HiFi-Qualität oder den Inhalt sämtlicher Schweizer Telefonbücher speichern.

Die Idee, Disketten und Harddisks durch optische Platten zu ersetzen, ist also nicht neu. Neu ist, daß nach jahrelanger Entwicklungsarbeit endlich eine Technologie gefunden wurde, die die Laserdisks so einfach handhabbar macht wie herkömmliche Disketten.

Diese Technologie beruht auf der sogenannten magneto-optischen Speicherung: Das Laufwerk enthält neben dem Laser eine Magnetspule. Weder der Laser noch die Spule vermögen das Problem allein zu lösen - der Schlüssel liegt in der Kombination beider Hilfsmittel (siehe Kasten).

Der Durchbruch gelang 1987, als Ingenieure der amerikanischen Firma 3M entdeckten, daß man Daten auf einen ultradünnen Magnetfilm beliebig oft speichern und wieder löschen kann, ohne diesen dabei zu zerstören.

Speicherung durch Laser und Magnetspule

Seither ist auf diesem Gebiet der Teufel los: Praktisch alle Hersteller von Massenspeichern - allen voran japanische wie Canon, Olympus, Ricoh, Sharp und Sony - bemühen sich, magneto-optische Disks, zugehörige Laufwerke oder beides auf den Markt zu bringen.

Der neue Computer des amerikanischen Unternehmens "Next" macht nicht nur wegen des legendären Firmengründers Steve Jobs Schlagzeilen, sondern auch deshalb, weil er das erste kommerzielle Gerät mit einem magneto-optischen Massenspeicher (von Canon) ist.

In den USA hat sich vor allem das kalifornische Kleinunternehmen Maxtor hervorgetan, das bisher konventionelle Harddisks produzierte: Seine neuentwickelte löschbare Laserdisk kann ein ganzes GB Daten speichern, rund 50 Prozent mehr als jene der fernöstlichen Konkurrenz. Die Platte hat einen Durchmesser von 5 1/4 Zoll und ist samt Plastikhülle ungefähr so groß wie ein dünnes Taschenbuch - aber sie faßt eine Textmenge, für die man eine halbe Million Schreibmaschinenseiten braucht!

Die meisten Marktbeobachter sind überzeugt, daß die löschbaren optischen Platten ein Speichermedium mit Zukunft sein werden. "Wir erleben alle 20 Jahre einen Wechsel in der Speichertechnologie", erklärt Michael Deese, bei Sony USA an der Entwicklung der Compact Disc beteiligt, im amerikanischen Business-Magazin "Fortune"; "Der Markt ist jetzt gerade reif für die löschbare Laserdisk."

Die ersten Computer speicherten ihre Daten auf riesigen Magnetbändern. Später kamen immer häufiger Magnetplatten zum Einsatz; sie erlaubten wesentlich kürzere Zugriffszeiten. Der Durchbruch für diese Harddisks - manchmal nennt man sie in Anlehnung an das schnelle, mehrschüssige Jagdgewehr auch Winchester-Platten - kam 1973, als IBM-Ingenieure ein System präsentierten, das mehr als 30 Millionen Zeichen (ungefähr 30 MB) speichern konnte.

Magnetplatten sind heute ein preisgünstiges, bequemes und sehr leistungsfähiges Speichermedium. Ihr einziger Nachteil ist, daß man sie (mit Ausnahme jener von Tandon) nicht aus dem Computer nehmen und herumtragen kann.

Laserdisks hingegen lassen sich wie Disketten ohne weiteres aus dem Laufwerk entfernen, und das wird ihnen letztlich wohl auch zum Durchbruch verhelfen. "Der typische Manager", so behauptet Donald Strickland, ein amerikanischer Fachmann auf dem Gebiet der Speichertechnik, hat heute bis zu 60 MB firmenbezogene Daten auf seinem Computer. Um das alles abzuspeichern, braucht es 165 Disketten. Die wird er auf Geschäftsreisen ganz bestimmt nicht herumschleppen, aber vielleicht eine Laserdisk, auf der er sogar zehnmal soviel Platz hat.

Disk im Safe - Aus für Hacker

Die neue Technologie wird auch jene Anwender begeistern, die großen Wert auf Datensicherheit legen: jetzt können sie alle ihre Unterlagen auf optischen Platten abspeichern und diese im Safe einschließen. Mit dem nackten Computer kann auch der raffinierteste Hacker nichts mehr anfangen.

Ein weiterer Vorteil der Laserdisk-Systeme ist ihre Betriebssicherheit: Der bei Magnetplatten so gefürchtete "Head Crash", bei dem der Schreib/Lesekopf Plötzlich die rotierende Harddisk berührt und so in Sekunden riesige Datenmengen zerstört, ist bei optischen Speichern ausgeschlossen, weil sie ganz anders gebaut sind: Der Abstand zwischen Laser und Disk beträgt komfortable 1,5 Millimeter. Bei einer Harddisk hingegen schwebt der Schreib/Lesekopf nur wenige Zehntausendstelmillimeter über der Platte.

Die Laserdisks der ersten Generation haben allerdings auch Grenzen, die potentielle Anwender noch abschrecken könnten. So fassen die modernsten Magnetplatten beinahe so viele Daten wie ihre optische Konkurrenz, können sie aber mindestens dreimal so schnell speichern und wieder abrufen. Auch der Preis spricht für die Harddisk: Optische Speicher kosten zwischen zirka 9000 und 20 000 Mark, die zugehörigen Wechselplatten zwischen 700 und 10 000 Mark, Vergleichbare Magnetplattenlaufwerke sind deutlich preisgünstiger. Natürlich werden Leistungsvermögen und Preise mit jeder neuen Gerätegeneration besser. Aber das gilt eben für beide Technologien gleichermaßen.

Branchenkenner sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das kaum vor Mitte der neunziger Jahre entschieden sein wird. Immerhin schätzen Analysten das Marktvolumen der optischen Speicher, das heute noch sehr klein ist, in zwei Jahren auf stolze 900 Millionen US Dollar. Der gesamte Speichermarkt setzt heute laut "Fortune" rund 25 Milliarden um.

Die neue Technologie soll vor allem bei großen Datenbanken zum Einsatz kommen. Potentielle Anwender sind auch Fluggesellschaften, Banken, Versicherungen oder andere Unternehmen, die ihre Geschäftsdaten laufend mutieren müssen.

Am Anfang werden die optischen Speicher sicher dort zum Zug kommen, wo es weniger auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit ankommt, sondern auf die große Speicherkapazität und die Möglichkeit, Platten mit riesigen Datenmengen bequem auszuwechseln. Ein Beispiel für eine solche Anwendung ist die Verarbeitung komplexer digitalisierter Bilder, wie sie der Landsat-Satellit zur Erde funkt. Jedes Foto deckt ein Gebiet von rund 34 300 Quadratkilometern ab (zum Vergleich: Die Schweiz hat eine Fläche von 41 300 qkm) und benötigt dafür 280 MB - mehr, als auf den meisten Harddisks Platz hat. Mit der neuen Laserdisk kann man endlich ein komplettes Bild an einem einzigen Ort abspeichern.

Ob die Laserdisk auch den PC- und Workstation-Markt erobern wird, wagen die Auguren noch nicht vorherzusagen. Das ist auch schwierig, denn vorläufig warten die meisten Computerhersteller erst einmal die weitere Entwicklung ab. Sie wird - hoffentlich - auch klarmachen, welches System überhaupt in Frage kommt, denn die heute angebotenen Produkte sind untereinander nicht kompatibel.

Immerhin zeigen Branchenführer wie IBM, Hewlett-Packard und andere großes Interesse an der neuen Technologie. Sollten sie diesem Interesse eines Tages auch Taten folgen lassen, würden die magneto-optischen Systeme allerdings sehr rasch zur dominierenden elektronischen Speichertechnologie avancieren.

Das Attribut "elektronisch" steht nicht zufällig da. Fachleute schätzen nämlich, daß heute noch 95 Prozent aller Informationen auf Papier stehen, drei Prozent auf Mikrofilm gebannt und lediglich die restlichen zwei Prozent elektronisch gespeichert sind. Wir leben also diesbezüglich noch immer im Papierzeitalter, Computer hin oder her.

Speicherung auf Papier ist immer noch am sichersten

Vielleicht ist es auch gut, wenn sich das in Zukunft nicht ändert. Eine Studie der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften hat nämlich ergeben, daß Papier und Mikrofilm den anderen Speichermedien in puncto Haltbarkeit haushoch überlegen sind: Während die Daten auf säurefreiem Spezialpapieren sicher Jahrhunderte überdauern, räumt man ihnen auf elektronischen Speichermedien eine wesentlich geringere Lebensdauer ein. Bei den optischen Platten zum Beispiel sind es rund 20 Jahre. Geradezu gefährlich ist die Langzeitspeicherung auf Magnetbändern: Wenn man diese nicht alle zwei bis drei Jahre wieder frisch bespielt, können möglicherweise unschätzbare Daten für immer verloren gehen. Und das will doch in unserem hochgelobten Elektronik-Zeitalter niemand riskieren, oder?