Eine Bürgerinitiative der Praktiker für den Datenschutz

19.09.1975

In der Diskussion um den Datenschutz wird zu wenig beachtet, daß die lnteressenlage der an der Ausweitung der Automation Interessierten, Beteiligten bzw, der von ihr Betroffenen, unterschiedlich ist. Es fehlt vielfach für die Bewertung des Gesamtproblems noch die Gesamtschau und ein gemeinsamer Bezugspunkt.

Allgemein wird die Diskussion in der Öffentlichkeit noch dadurch erschwert, daß unklare Vorstellungen über die technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Datenverarbeitung bestehen. Das Heraufstilisieren zum "Elektronengehirn" ist ebenso irreführend wie die Darstellung des technischen Hilfsmittels Computer als mächtigen großen Bruder. Die Mystifizierung der Technik läßt gar nicht das Bewußtsein dafür aufkommen, daß letzten Endes Menschen für ihren Einsatz verantwortlich sind.

Die unterschiedliche Interessenlage der an der Entwicklung der Automation Interessierten, Beteiligten bzw. der von ihr Betroffenen, führt zu einer unterschiedlichen Einstellung zur Frage des Datenschutzes. Wir brauchen dementsprechend modifizierte Ansprachen und Motivationen für die verschiedenen Gruppen, um sie von der Notwendigkeit des Datenschutzes zu überzeugen, sie für das Gesamtproblem das rechte Maß finden zu lassen und sie zu eigenen Aktivitäten zu veranlassen.

Vergebens sucht man die Gruppe, die über ihren eigeaber umfassend, und man kann es nicht nur aus den nen Teilbereich hinausgeht und das Problem nicht nur von der eigenen Theorie und der eigenen Sicht der Dinge angeht. Auf den Tagungen der Juristen, der Informatiker, der Mediziner und der Politologen bauen die Fachleute jeweils ihre eigenen Wertvorstellungen auf, ohne daß die Erkenntnisse und Überlegungen anderer Disziplinen in geeigneter Weise dargestellt werden können. Das Problem der Informationsgesellschaft und des Datenschutzes ist Teilbereichen einzelner Diszipliner erfassen.

Wir müssen diese unterschiedlichen Interessenlagen herausarbeiten und bewerten, um deutlich zu machen, inwieweit jeweils eine Interessenabwägung notwendig sein wird.

Des weiteren kommt es darauf an, ein Datenschutzbewußtsein zu schaffen ähnlich dem Umweltschutzbewußtsein. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die Interessenlagen der verschiedenen Gruppen in ihren Gemeinsamkeiten und Differenzierungen herauszuarbeiten und die Gruppen entsprechend zu motivieren.

Es scheint mir auch vor dringlich, die Reserve und Skepsis der Praktiker abzubauen. Wir müssen den Datenverarbeitern in allen Sparten und auf allen Ebenen die Einsicht dafür vermitteln, warum und in welchem Ausmaß die rechtliche Normierung und Einordnung der Datenverarbeitung notwendig ist. Das ist vor allem deshalb vordringlich, weil wir auf die Einsicht und die Loyalität der Fachleute angewiesen bleiben werden.

Ehe der Gesetzgeber handeln kann, werden die Fachleute und Technokraten immer wieder als erste auf die Probleme stoßen, die die technischen oder organisatorischen Lösungen der Zukunft mit sich bringen können. Wenn wir den Fortschritt also rechtzeitig steuern wollen, brauchen wir nicht nur Gesetze, sondern es kommt darauf an, auch diese Technokraten in die Verantwortung einzubeziehen und ihnen die notwendigen Vorstellungen und die richtige Einstellung zu den rechtlichen und gesellschaftlichen Problemen zu vermitteln, die der Einsatz der Computer nun einmal von jedem erfordert.

Auch wenn die Schranken grundsätzlich vom Staat gesetzt werden müssen, muß den Datenverarbeitern , ihre persönliche Verantwortung, für die Auswirkungen ihrer Technik und ihrer Arbeiten deutlich gemacht werden.

Es geht hierbei letzten Endes um die staatsbürgerliche Verantwortung jedes einzelnen auch an seinem Arbeitsplatz und im Berufsleben. Dazu wäre in den Betrieben ein spezielles betriebliches Vorschlagswesen für Fragen des Datenschutzes denkbar, so wie wir es in der Datenzentrale Schleswig-Holstein einführen.

Die Fachverbände der Datenverarbeiter und der Informatiker und der verschiedenen Fachgebiete müssen verstärkt in die Diskussion einbezogen werden.

Ich frage mich aber, ob behördliche Institutionen das auf die Dauer alleine schaffen können, oder ob wir dazu nicht die Bürgerinitiative durch eine bundesweite, permanente, abgestimmte gemeinsame Aktion der an diesen Problemen Interessierten - vielleicht ähnlich der Stiftung Warentest - mobil halten sollten.